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Die EZB handelt - aber jetzt noch nicht

Brigitte Scholtes
25. Juli 2019

Die Konjunkturabkühlung und schwache Inflation zwingen Europas Währungshüter zum Handeln. Eine weitere Lockerung der Geldpolitik steht im Raum. Zinserhöhungen sind damit für absehbare Zeit vom Tisch.

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Frankfurt: Pressekonferenz der EZB
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Noch ist die geldpolitische Lockerung aufgeschoben. Aber im September dürfte es so weit sein. Dann plant die EZB ein ganzes Paket an Maßnahmen. EZB-Präsident Mario Draghi begründete diese Haltung des EZB-Rats mit den mittelfristigen Inflationsaussichten: "Wir mögen nicht, was wir da sehen", sagte er und verwies auf die immer noch niedrige Preissteigerungsrate. Die hatte im Euroraum zuletzt bei 1,3 Prozent gelegen.

Die EZB definiert Preisstabilität - und das ist ihr wichtigstes geldpolitisches Ziel - bei einer mittelfristigen Inflationsrate von zwar unter aber nahe zwei Prozent.

Düstere Aussichten

Doch die Inflation dürfte nicht zulegen, wenn die Konjunkturaussichten sich weiter eintrüben. Und darauf weisen die Daten hin: So rutschte gestern etwa der wichtige deutsche ifo-Geschäftsklimaindex von 97,5 auf 95,7 Prozent ab. Das sieht auch die EZB nicht anders, Draghi verwies auf die Risiken durch die Handelskonflikte und die nun wieder höhere Wahrscheinlichkeit eines harten Brexit.

Die EZB aber zeigt sich entschlossen zu handeln, so hat sie Ausschüsse mit der Vorbereitung eines komplexen Maßnahmenpakets beauftragt. Das könnte die Senkung des Einlagenzinssatzes umfassen, aber auch ein neues Anleihekaufprogramm.

Frankfurt: Pressekonferenz EZB - Mario Draghi
Mario Draghi leitete zum vorletzten Mal eine EZB-Ratssitzuing, ab Oktober macht dies seine NachfolgerinBild: Reuters/R. Orlowski

Deutschland muss sich endlich bewegen

Die Geldpolitik habe viel getan, um den Euroraum zu unterstützen, sagte Draghi, und sie tue das auch weiterhin, wie man an den Plänen erkennen könne. "Aber wenn die Aussichten weiter so schlecht bleiben, kommt es auf die Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten an", mahnte er einmal mehr - aber mit wachsendem Nachdruck,

Dabei wandte er sich deutlich an Deutschland und Italien, die durch ihre Haushaltspolitik die Risiken abfedern sollten. Denn beide Länder spüren die Abschwächung in ihren Industrien schon jetzt deutlich.

Die Banken entlasten

Höhere Strafzinsen auf Einlagen der EZB treffen zunächst die Banken im Euroraum, allein die deutschen Geldhäuser haben im vergangenen Jahr 2,4 Milliarden Euro an Strafzinsen an die EZB gezahlt, Geld, dass sie lieber anderweitig investieren würden.

Deshalb will der EZB-Rat auch Optionen prüfen, wie durch einen Stufenzinssatz die Auswirkungen auf die Banken abgemildert werden könnten.

Gemischtes Echo

"Das wird die Akzeptanz der Geldpolitik erhöhen", meint Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg. "Die wirtschaftliche Abschwächung im Euroraum lässt der EZB keine andere Wahl, als eine noch expansivere Geldpolitikumzusetzen", ist Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung überzeugt.

Es sei zu begrüßen, dass der EZB-Rat die Leitzinsen noch nicht gesenkt habe, meinte jedoch Friedrich Heinemann, vom ZEW-Institut für Wirtschaftsforschung in Mannheim. Nochmals darüber nachzudenken wirke reflektiert und gelassen: "Ein Zinsschritt hätte die Sorge um Europas Konjunktur aufgrund der Signalfunktion möglicherweise sogar noch verschärft", sagte er.

Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, verweist auf die Risiken und Nebenwirkungen der extrem lockeren Geldpolitik. Die würden weiter zunehmen.

Indonesien IWF Bali | Lagarde
Wenn Christine Lagarde im Oktober auf Mario Draghi an der EZB-Spitze folgt, ist sie die Herrin des ganz billigen GeldesBild: Getty Images/AFP/S. Tumbelaka

Das Geld bleibt billig

Doch die meisten Beobachter sind sich nach dieser Ratssitzung der EZB sicher, dass die Zinsen auf lange Zeit niedrig bleiben werden. Für Sparer bedeutet das: wer Rendite erzielen will, muss ins Risiko gehen. Die risikolosen Anlagemöglichkeiten wie Tages- oder Festgeld oder auch der Kauf von deutschen Staatsanleihen werden nach Abzug der Inflationsrate die Gelder auf den Konten schmelzen lassen.

Doch das nimmt die EZB in Kauf, ihr ist wichtiger, das machte EZB-Präsident Draghi gestern nochmals deutlich, dass mehr Menschen Arbeit haben. Denn die niedrigen Zinsen und die lockere Geldpolitik bedeuteten auch, dass sich Konsumenten billiger verschulden könnten, dass Immobilienkredite "extrem günstig" geworden seien, dass aber auch Unternehmen sich sehr günstig finanzieren könnten, sagte der Chefvolkswirt der ING Deutschland, Carsten Brzeski, im Deutschlandfunk.

Zum Abschied also nichts Neues

Das dürfte auch nach Ende von Draghis Amtszeit Ende Oktober so bleiben, wenn seine designierte Nachfolgerin Christine Lagarde ihr Amt antritt. Deren Bestellung begrüßte der EZB Rat gestern. Sie werde eine herausragende EZB-Präsidentin sein, zeigte sich Draghi überzeugt. Gefragt, ob er ihr Nachfolger an der IWF-Spitze werden wolle, winkte er ab. Dafür stehe er nicht zur Verfügung.