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Weltrisikoindex

Christina Ruta13. September 2012

Wie dramatisch die Folgen einer Naturkatastrophe sind, hängt vor allem vom Zustand der Gesellschaft eines Landes ab. Welche Staaten besonders gefährdet sind, zeigt der in Bonn vorgestellte Weltrisikoindex.

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Zerstörung nach Beben in Haiti (Foto: dapd)
Bild: dapd

Es war ein verheerendes Naturereignis, das Haiti 2010 erschütterte: Durch ein Erdbeben der Stärke 7,0 auf der Richter-Skala starben etwa 220.000 Menschen. Rund ein Jahr später bebte die Erde ähnlich stark in Neuseeland - dabei kamen 187 Menschen ums Leben. Welches Ausmaß die Katastrophe annimmt, die durch ein Erdbeben, einen Wirbelsturm, Überschwemmungen oder eine Dürre ausgelöst wird, hängt offenbar stark von gesellschaftlichen Faktoren ab: Während Haiti als "gescheiterter Staat" gilt, in dem mehr als die Hälfte der Menschen in Armut lebt, ist Neuseeland ein wohlhabendes demokratisches Land.

Hohes Risiko für tropische Inselstaaten

Die Verwundbarkeit einer Gesellschaft gegenüber diesen Naturgefahren ist vielfach bedeutsamer als allein die Naturgefahr und ihre Intensität", sagt Jörn Birkmann von der Universität der Vereinten Nationen in Bonn. Er gehört zu den Verfassern des Weltrisikoindex 2012. Dieser wurde gemeinsam mit der Hilfsorganisation "Bündnis Entwicklung Hilft" erarbeitet und als Teil des Weltrisikoberichts vorgestellt. Der Index gibt für 173 Länder an, wie hoch ihr Risiko ist, infolge eines extremen Naturereignisses oder des Anstiegs des Meeresspiegels Schauplatz einer Katastrophe zu werden.

Die zerstörte Innenstadt von Christchurch nach dem Erdbeben von 2011 - 187 Menschen kamen ums Leben (Foto: ddp images/AP)
Bei dem Erdbeben in Christchruch kamen 187 Menschen ums Leben.Bild: dapd

Ein besonders hohes Risiko weisen dem Index zufolge kleine Inselstaaten im Pazifik auf. Vanuatu schneidet mit einem Risiko von 36,3 Prozent am schlechtesten ab, gefolgt von Tonga (28,6 Prozent) und den Philippinen (28 Prozent). Auch die Karibik, Mittelamerika und afrikanische Länder in der südlichen Sahelzone gehören zu den Regionen mit einem hohen Risiko. Am anderen Ende des Rankings liegt dagegen Katar mit einem Risiko von unter einem Prozent.

Deutschland rangiert mit knapp 3,3 Prozent auf Platz 146 - und ist damit in der sichersten der fünf Risiko-Klassen. "Der Weltrisikoindex greift zum einen die Gefährdung durch Naturgewalten auf, betrachtet aber, inwieweit Gesellschaften verwundbar sind", so Peter Mucke, Geschäftsführer der Organisation "Bündnis Entwicklung Hilft", im Gespräch mit der DW. "Das heißt: Sind die Menschen anfällig gegenüber Katastrophen, und haben die Staaten Bewältigungsmöglichkeiten oder Anpassungsmöglichkeiten, um sich auf Katastrophen vorzubereiten?"

Verwundbare Gesellschaften

Staaten seien dann besonders anfällig dafür, durch ein extremes Naturereignis stark beschädigt zu werden, wenn die Infrastruktur schlecht ausgebaut und die Ernährungs- und Wohnsituation ohnehin mangelhaft sei, erläutert Jörn Birkmann von der Universität der Vereinten Nationen. "Die Bewältigungskapazitäten sind dagegen Eigenschaften, die man konkret während des Ereignisses braucht, wie ärztliche Versorgung und einen funktionierenden Staat", so der Wissenschaftler. Bei den Anpassungskapazitäten gehe es schließlich um die Frage, wie sich Gesellschaften mittelfristig auf einen Umweltwandel einstellen - beispielsweise durch Investitionen in den Umweltschutz oder Bildung.

Als ein Positivbeispiel gelten die Niederlande: Zwar liegen Teile des Landes unterhalb des Meeresspiegels, was zu einer besonders großen Gefährdung durch Naturkatastrophen führt. Ohne die schützenden Deiche wären diese Regionen längst von der Nordsee überflutet. Doch aufgrund der guten sozialen, ökonomischen und institutionellen Bedingungen gehören die Niederlande beim Weltrisikoindex nicht zu den extrem gefährdeten Ländern, sondern liegen nur auf Platz 51.

Für Peter Mucke verweist der Weltrisikoindex auf wichtige Ursachen für das Katastrophenrisiko von Staaten. Hier müsse die Politik ansetzen und aus den Erkenntnissen der Wissenschaftler konkrete Maßnahmen ableiten: "Wir möchten, dass zukünftig Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit zusammengedacht und auch in praktischen Maßnahmen zusammengesehen und umgesetzt werden."

Intaktes Korallenriff (Foto ©Jeff Jonover/The Nature Conservancy) Bild zum Korallenschutzprogramm im Rahmen des Weltrisikoberichts 2012. Pressebild, Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft – Gemeinsam für Menschen in Not e.V.
Intakte Korallenriffe sind ein wichtiger KüstenschutzBild: Jeff Jonover/The Nature Conservancy

Umweltschutz ist ein zentraler Faktor bei der Katastrophenprävention, betont Michael W. Beck von der Organisation "The Nature Conservancy", die auch an der Erarbeitung des aktuellen Weltrisikoberichts beteiligt war. So seien weltweit bis zu 85 Prozent der Austernriffe und 30 bis 50 Prozent der Mangrovenwälder zerstört. Doch "Riffe und Mangroven bilden einen natürlichen Küstenschutz mit einer Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz, die 'graue Lösungen' wie Meereswälle und Wellenbrecher aus Beton niemals erreichen können", gibt der Meeresbiologe zu bedenken. Deshalb müsse man sie besonders schützen.