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Glaube

Die heilige Familie Mensch

3. Juli 2019

„Meine Familie, die ist auf der ganzen Welt. Egal wohin ich gehe, sie sind immer schon da.“ Petra Schulze ist von diesem Gedanken begeistert. Ihre Familie: Das sind Christinnen und Christen auf der ganzen Welt.

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37. Deutscher Evangelischer Kirchentag - Abschlussgottesdienst
Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

„Familie Christi“ – rund um den Globus

„Wenn du mal irgendwelche Probleme hast – bei deinen Reisen zum Beispiel, wenn du mal nicht weißt, wo du hingehen kannst, dann geh zur Bahnhofsmission. Die helfen dir da immer weiter.“ Diese Worte meiner Großmutter habe ich noch heute im Ohr. Wenn du mal nicht weißt, wo du hingehen kannst… Dann suche eine Kirche oder ein Pfarrhaus auf oder gehe zur Bahnhofsmission. So habe ich das als Kind und Jugendliche gelernt. Die Leute von der Kirche, die sind für alle da. Ganz gleich woher du kommst. In der Gemeinde wird dir immer geholfen. Und genauso in einer Einrichtung der Kirche wie die Bahnhofsmission.

Dass Christinnen und Christen zu jeder Tages- und Nachtzeit und völlig unbürokratisch jeder und jedem helfen, der Hilfe braucht, das ist noch immer mein absoluter Lieblingsgedanke über das Christentum. Und das ist bis heute meine stärkste Motivation, Christin zu sein. So wie Jesus es gesagt hat: „Wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ (Elberfelder Übersetzung, Matthäus 12,49)

 

Ein Band des Vertrauens

Mir ist das alles noch einmal bewusst geworden, als ich jetzt Ende Juni auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund war.

Der Kirchentag. Für mich eine besondere Gelegenheit, die weltweite Verbundenheit zu erleben. Die „Familie Mensch“, wie Herbert Grönemeyer gesungen hat. Ein starkes Zeichen ist für mich dabei immer wieder, wie wir einander Raum geben - etwa bei der Quartiersuche für Kirchentagsgäste. Wir öffnen unsere Häuser oder Wohnungen. Den eigenen Wohnungsschlüssel Fremden in die Hand zu drücken – das erfordert einen hohen Vertrauensvorschuss. Ich erinnere mich gern, wie wir im Studium über Weihnachten und Silvester unsere Wohngemeinschaft für die Studierenden aus Bossey geöffnet hatten - einem ökumenischen Institut in der Schweiz. Sie kommen aus Kuba und Tonga. Und bringen uns jede Menge bei. Salsatanzen zum Beispiel. Was für eine rauschende Silvesternacht! Und wir haben auch was zu vermitteln: Frauen sind bei uns gleich viel wert wie Männer. Das muss der kubanische Theologe lernen, der seine Frau – ebenfalls Theologin - wie ein Pascha herumkommandiert. Das kommt bei uns nicht gut an… Machos haben in unserer WG ausgedient.

Und dann auch noch Kirchentag in Dortmund. Meine Heimatstadt. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Und jetzt komme ich nach langer Abwesenheit wieder hierher. Kindheitserinnerungen fließen. Meine Augen können sich nicht sattsehen: Rosengärten im Westfalenpark, schwarz-gelb Borussia Dortmund, das Stadion Signal Iduna Park, das früher Westfalenstadion hieß. Nicht weit weg davon das Gymnasium, wo ich zur Schule gegangen bin. Die Westfalenhallen, das Stadion Rote Erde und das Eisstadion. Ich sehe mich als Schülerin in der Sankt Reinoldikirche sitzen und beten: „Soll ich nun Theologie studieren oder doch was anderes? Es stehen mir so viele Möglichkeiten offen. Wo, Gott, bin ich Dir nützlich? Was entspricht am meisten meinen Begabungen? Und wo werde ich eine berufliche Zukunft haben?“ Damals schon Zukunftsängste: Wir sind so viele. Die Geburtenstarken Jahrgänge der 60er. Arbeitslosigkeit droht. Worauf vertrauen?

 

„Familie Mensch“ – für ein gutes Leben im Haus der Erde

Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verseucht unsere Ernte im Garten. Das ganze Umgraben, Säen, Düngen und Unkrautzupfen, das Schneckenabsuchen und Gießen, alles umsonst. Der weitsichtige evangelische Theologe und „Wort zum Sonntag“-Sprecher Jörg Zink hat ein Heft herausgegeben, in dem er den Untergang der Erde beschreibt: durch Kriege, durch Ausbeutung der Bodenschätze, Wassermangel, Luft- und Meeresverschmutzung und und und. Alles schon damals gewusst und bewusst. Und schon seit damals sind evangelische Christinnen und Christen für mich die Klimakatastrophenwarner, die Umweltschützerinnen, die Friedensaktivisten – rund um den Globus… Wir mahnen und handeln, im Vertrauen darauf, dass die Welt doch noch zu retten ist. Dass Gott sie für uns wunderbar eingerichtet hat. Und dass wir alle zusammen – Menschen aller Religionen und Nationen - das Haus der Erde schützen und bewahren dürfen.

Das Haus der Erde. In der ganzen Welt zu Hause sein – als Christin. Mit Schwestern und Brüdern in allen Ländern der Erde. Ein großer Schatz. Eine Basis fürs Leben. Eine Aufgabe. Eine Lust.

 

Zur Autorin

Evangelische Pfarrerin Petra Schulze
Bild: Petra Schulze

Landespfarrerin Petra Schulze, Jahrgang 1965, studierte Evangelische Theologie, Publizistik und Sozialpsychologie in Bochum. Sie ist für den WDR und andere Sender als freie Journalistin tätig sowie u.a. für die Wochenzeitung „Unsere Kirche“. Seit November 2011 ist sie die Evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR und Leiterin des Evangelischen Rundfunkreferates NRW in Düsseldorf.