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"Die Hisbollah stehlen El Kaida die Show"

Naser Shrouf / Mihaela Ivantcheva28. Juli 2006

Wie kommentiert die internationale Presse den Nahost-Konflikt? DW-WORLD.DE bietet einen täglichen Überblick.

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Israelische Pressestimmen

Bei "Ynetnews", der englischsprachigen Website der Yedioth Group, schreibt Alon Ben-Meir, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität New York:

"Israel sieht diesen Konflikt als existentiell an und ist entschlossen, Hisbollah als bewaffnete Milizen zu zerstören. Aber es war die Strategie von Hisbollah, sich hinter Frauenröcke zu verbergen und Kinder als Menschen-Schutzschild zu benutzen. Der größte Teil ihres Arsenals ist in Regionen in Südlibanon und Südbeirut verborgen, die mit Zivilbevölkerung besiedelt sind und wo ihre Kämpfer auch eingebettet sind. Während Israel Tausende von Faltblättern abwirft, Radio-Ankündigungen macht und durch Telefon-Aufnahmen die Zivilbevölkerung warnt, ihre Häuser vor dem nächsten Luftangriff zu verlassen, ermutigen die Hisbollah-Führer ihre Leute, an Ort und Stelle zu bleiben, um absichtlich die Anzahl der zivilen Opfer zu erhöhen, und so eine internationale Verurteilung von Israel hervorzurufen."

Europäische Pressestimmen

Die britische Tageszeitung "The Daily Telegraph" meint zum israelischen Vorgehen gegen die Hisbollah:

"Die Entwaffnung einer der weltweit gefährlichsten Terroristengruppen ist eine gewaltige Aufgabe. Verordnet wurde sie nicht nur durch die UN-Sicherheitsratsresolution 1559 von 2004, sondern auch durch die älteren Taif-Vereinbarungen von 1989, die dem Bürgerkrieg im Libanon ein Ende setzten. Die Israelis bereiten nun den Grund für deren längst überfällige Verwirklichung. Der Rest der Welt muss beweisen, dass er bereit dazu ist, dies zu vollenden."

Zum Aufruf des Stellvertreters des El-Kaida-Anführers Osama bin Laden, Eiman al-Sawahiri, den Kampf gegen Israel wegen seiner Angriffe im Libanon und im Gazastreifen aufzunehmen, meint die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera":

"Die Führung von El Kaida mag keine Rivalen, und sie ist sich bewusst geworden, dass es da eine große Gefahr gibt: Die libanesischen Kämpfer stehlen El Kaida die Show. Die Hisbollah schaffen es nicht nur, dem israelischen Militär die Stirn zu bieten, sondern sie schaffen es auch, israelische Städte zu bombardieren. Die Hisbollah werden als einziger Schutzschild gegen die 'Kreuzfahrer und Zionisten' angesehen. Und (...) der geschickte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wird schon mit (dem früheren ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel) Nasser verglichen. Da war es wohl nötig, dass El Kaida eingreift, damit die Organisation nicht von den Ereignissen überholt wird."

Die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro" (Paris) schreibt zum Zusammenhang zwischen den kriegerischen Auseinandersetzungen in Nahost und dem Atomstreit mit Teheran:

"Jeder tut so, als wären die Kontroverse um das iranische Atomprogramm und der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah zwei voneinander getrennte Dinge. Alle wissen aber, dass sie miteinander verknüpft sind, dass sie dies immer mehr sein werden und dass die eine Krise nicht ohne Fortschritt in der anderen bewältigt werden wird. Diese Tatsache einzugestehen wäre ein erster Schritt zu mehr Klarheit. (...) Dass die Hisbollah im Libanon wie die Hamas in Palästina über einen unabhängigen Aktions- und Entscheidungsradius in Bezug auf Teheran verfügt, nimmt dem Iran nichts von seiner Entschlossenheit, sich als ein Hauptakteur der muslimischen Welt und damit des Konflikts mit Israel anerkannt sehen zu wollen."

Arabische Pressestimmen

Die omanische Tageszeitung "Al Watan" bescheinigt der US-Administration unter George W. Bush verfehlte Außenpolitik:

"Präsident Bush hatte mit der Krisensituation im Libanon und Gaza die Chance, sein politisches Erbe, das er der Menschheit und den Geschichtsbüchern hinterlassen wird, zu verbessern. Dieses Erbe zeichnet sich bisher durch negative Entscheidungen, Kriege und arrogante Außenpolitik aus. Die USA sind heute sowohl von Freunden als auch von Feinden mehr gehasst denn je. Der Irakkrieg fordert tagtäglich zahlreiche Opfer, und der Terror, von dem Mr. Bush die Welt befreien wollte, ist nicht besiegt, geschweige denn weniger geworden. Und da bietet sich der Krieg im Libanon als Chance für den amerikanischen Präsidenten an, seine bisherige, verfehlte Außenpolitik neutraler und fairer zu gestalten, um seinem Erbe etwas Positives zu verleihen. Das geschah nicht; das Krisenmanagement der Bush-Administration lässt uns leider sagen, dass Amerika Teil des Problems und nicht der Lösung ist."

Die in London erscheinende und von Saudi-Arabien finanzierte Tageszeitung "Al Sharq Al Awsat" kritisiert den Umgang der arabischen Parteien und Regierungen mit dem Krieg im Libanon:

"Das Krisenmanagement bei den meisten arabischen Regierungen, revolutionären Parteien und politischen Gruppierungen zeichnet sich entweder durch Nichtstun oder Wiederholung der leeren Kampfparolen aus. Sie erweisen sich wie immer als unfähig, eine ihrer Parolen umzusetzen. (…) Unser Problem besteht darin, dass wir nicht fähig sind, unsere Krisen zu managen und Interessen zu verteidigen. Wir wissen wohl, was wir wollen, aber nicht wie wir dies unter dergleichen Umständen erreichen können. Wir brauchen eine vernünftige Schritt-für-Schritt-Politik, die sich im Rahmen des Möglichen und nicht in Illusionen bewegt."

Die ebenfalls in London erscheinende arabische Zeitung "Al Hayat" appelliert an die Vernunft der Hisbollah:

"Zwar hat Hisbollah Israel im Jahr 2000 gezwungen, seine Truppen aus dem Südlibanon abzuziehen. Dennoch darf sie sich nicht Illusionen hingeben, dass sie Israel besiegen kann. Viel mehr kann sie die Verhandlungsbedingungen der Araber gegenüber der Arroganz der Amerikaner und Israelis verbessern. Hisbollah hat bisher gute Kriegsführung gezeigt und gute Ergebnisse erzielt. Dies soll ein Ansporn für sie sein, einige Konzessionen im Interesse des kleinen Libanon zu machen. Diese Konzessionen dürfen nicht als Zeichen der Niederlage interpretiert werden, denn Hisbollah ist der Sieger, so lange Israel sie nicht besiegt hat. Wichtig ist nur, dass die USA nicht immer das Maximum fordern; vielmehr sollen sie Hisbollah überhaupt die Chance geben, Konzessionen zu machen."