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Die hohle Kunst der Diplomatie

12. März 2010

Guido Westerwelle hat auf seiner Südamerika-Reise die Chance vertan, seinem Amt politisches Profil zu verleihen, meint Mirjam Gehrke in ihrem Kommentar.

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Mirjam GehrkeBild: DW/Christel Becker-Rau

Als was war Guido Westerwelle eigentlich in Südamerika unterwegs? Ja, richtig - offiziell als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland. Und als solcher hat er mit seinen Amtskollegen in Chile, Argentinien, Uruguay und Brasilien Hände geschüttelt, Höflichkeiten ausgetauscht, in die Kameras gelächelt, hochtrabend die gemeinsamen Werte als Grundlage für die guten Beziehungen beschworen und groß angekündigt, dass er den Ausbau der Beziehungen zu Südamerika zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit machen wolle. Denn, so die Erkenntnis des Guido Westerwelle, der südamerikanische Kontinent werde in Europa "immer noch sehr unterschätzt".

Das alles ist nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Sätzen aus der diplomatischen Phrasendreschmaschine. Eine konkrete Lateinamerika-Politik gibt es in Deutschland schon seit Jahren nicht. Parallel zum Fall der Mauer und der deutschen Wiedervereinigung ging vor 20 Jahren in Lateinamerika die Ära der Militärdiktaturen zu Ende. Nach der Rückkehr zur Demokratie wurde der Kontinent unter der Rubrik "Problem gelöst" verbucht - Interesse an den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Region ist nicht mehr vorhanden.

Die Ausgestaltung der ach-so-guten Beziehungen wird den Vertretern der deutschen Wirtschaft überlassen. Und da kommt dann doch wieder der deutsche Außenminister ins Spiel, der sich nach eigenem Bekunden vor allem als Türoffner für deutsche Unternehmer versteht. Entsprechend laut fiel der Applaus der mitgereisten Manager aus, als ihr oberster Fürsprecher Argentinien aufrief, seine Schulden beim Pariser Club endlich zu begleichen. Denn nur dann werden Geschäfte mit Argentinien wieder mit staatlichen Kreditbürgschaften abgesichert. Gefreut haben sich die deutschen Geschäftsleute natürlich auch über Westerwelles Zusage, Brasilien beim Ausbau der Atomkraft zu helfen, und über die Aussichten auf Milliardengeschäfte im Vorfeld der WM und der Olympischen Spiele in Brasilien. Denn, so der deutsche Chefdiplomat, "da hängen deutsche Arbeitsplätze dran".

Der Außenminister hat sein Amt noch nicht verstanden. Er hat die Chance vertan, in Brasilien über die Meinungsunterschiede im Bezug auf das iranische Atomprogramm Klartext zu reden. Er hat sich nicht auf gemeinsame Positionen zur Reform des Weltsicherheitsrates verständigt. Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Klimaschutz – das sind für den deutschen Außenminister anscheinend Fremdworte.

Westerwelle hat auf dieser Reise als FDP-Vorsitzender die Interessen seiner Klientel, die die Partei mit großzügigen Spenden versorgt, vertreten. Da kann es kaum wundern, dass die südamerikanische Presse von seiner Durchreise kaum Notiz genommen hat. Außer politischen Allgemeinplätzen hat Deutschland Lateinamerika nichts zu bieten.

Investitionen finden ihren Weg in einer globalisierten Weltwirtschaft auch ohne politische Flankierung. Dafür ist der Vormarsch Chinas in Lateinamerika das beste Beispiel. Die einseitige wirtschaftliche Ausrichtung von Westerwelles Gesprächen in Lateinamerika hat bewiesen, dass auch er den Kontinent dramatisch unterschätzt.

Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Oliver Pieper