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Intelligente Streubomben?

Ulrike Hummel19. November 2008

In Genf ist ein neuer Bericht zu Landminen vorgelegt worden. Zudem ist eine Anti-Streubomben-Konvention der UN geplant. Einem Komplett-Verbot der heimtückischen Waffen stehen wirtschaftliche Interessen entgegen.

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Eine Streubombe liegt zwischen Gesteinsbrocken.(Quelle: AP)
Streubomben sollen durch einen UN-Vertrag ab Dezember verboten werdenBild: AP

Auf vielen Kriegsschauplätzen der Welt werden sie eingesetzt. Sie töten wahllos, oft Zivilisten – darunter viele Kinder: Landminen und Streubomben sind besonderes heimtückische Waffen, die in den letzten Jahren viele tausend Menschen weltweit verletzt oder getötet haben.

Tausende Opfer

Am Freitag (21.11.2008) stellte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Genf den aktuellen Bericht der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) vor. Nach ICBL-Informationen kamen im vergangenen Jahr mehr als 5.400 Menschen durch Landminen ums Leben. Als weltweit einziges Land setzte demnach in den vergangenen zwei Jahren die Militärjunta in Birma noch Landminen ein. Unfälle mit älteren Blingängern gab es laut "Landmine Monitor 2008" aber auch in anderen Ländern wie etwa Kolumbien oder Afghanistan.

Am 3. Dezember 2008 wollen mehr als 100 Staaten in Oslo die UN-Anti-Streubomben-Konvention unterzeichnen. Wenn wichtige Länder der Konvention nicht beitreten und modernere Munition vom Verbot ausgeschlossen wird, hat der Vertrag jedoch nur begrenzt Konsequenzen.

Zwei UN-Soldaten entminen ein abgestecktes Feld im Libanon.(Quelle: AP)
Eine Aufgabe, die höchste Konzentration erfordert: UN-Soldaten entminen ein Feld im Süd-LibanonBild: AP

Beispiel Süd-Libanon

Der Süd-Libanon gehört zu jenen Kriegsschauplätzen, die derzeit mit den Spätfolgen von Streubomben zu kämpfen haben.

Schätzungsweise sind es fünf Millionen, und damit weit mehr als im Irak, in Afghanistan und im Kosovo zusammen, heißt es von Seiten der zuständigen libanesischen Behörden. Der tödliche Teppich bedeckt etwa 1400 Quadratkilometer Erde.

Die libanesische Armee, UNIFIL-Truppen und mehrere internationale Entminungsorganisationen arbeiten seit zwei Jahren unter Hochdruck, um das Land von den heimtückischen Bomben zu befreien. Mark Holroyd ist Sprengstoffexperte und war als solcher 24 Jahre bei der Royal Navy. Jetzt leitet er die Entminung bei Handicap International im Süd-Libanon.

"Wir haben drei BAC-Teams, die von der EU gegründet wurden", sagt Holroyd. "Die arbeiten jeden Tag, fünf Tage die Woche, um Streumunition in den verseuchten Gebieten des Süd-Libanon zu entschärfen." Und das, obwohl der Krieg schon seit zwei Jahren vorbei sei.

Streubomben verteilen große Mengen von Sprengkörpern über weite Flächen. Bis zu 40 Prozent der sogenannten Submunition explodiert nicht beim Aufprall, so dass sie noch Jahrzehnte später Tote und Verletzte fordern. Seit Ende der Kämpfe im Libanon im Jahr 2006 wurden 215 Zivilisten Opfer von Streubomben - 52 Minenräumer hat es schwer oder tödlich getroffen. Als größtes Hindernis bei der Bombenräumung nennen die Experten die fehlende israelische Bereitschaft zur Zusammenarbeit: Israel rückt die genauen Einschlagskoordinaten bis heute nicht heraus.

Internationale Ächtung

Ein Minenopfer mit einer Beinprothese.(Quelle: AP)
Viele Kinder werden Opfer der Streubomben im BodenBild: AP

Streubomben werden inzwischen international geächtet. Dennoch sollen bei der Unterzeichnung der Anti-Streubomben-Konvention im Dezember 2008 modernere, sensorgesteuerte Streubomben vom Verbot ausgenommen werden. Das sind Sprengkörper, die Ziele selbstständig erkennen und zudem mit einem Selbstzerstörungsmechanismus ausgestattet sind.

Holroyd hält das für ein seltsames Konzept: "Eine Streubombe, die auf dem Boden liegt und sich nicht selbst zerstört hat, ist nach wie vor ein gefährliches Teil, das jederzeit Menschen verletzen oder töten kann." Egal ob intelligent oder nicht, eine Streubombe sei eine sehr gefährliche Waffe.

"Intelligente" Streubomben mit Fehlerquote

(Quelle: Handicap International)
Um Kinder zu warnen, betreibt die Organisation "Handicap International" AufklärungsarbeitBild: C. Badonnel/Handicap International

Auch im Libanon haben Experten bereits erste Erfahrungen mit den "intelligenten Streubomben" gemacht: Die mit einem Selbstzerstörungsmechanismus ausgestatteten Sprengkörper der israelischen Bauart M 85 haben offenbar eine hohe Fehlerquote. Im Libanon-Krieg 2006 seien solche intelligenten Streubomben des Typs M 85 abgeworfen worden, erklärt Sprengstoff-Fachmann Holroyd. "Das ist eine Streumunition, die sich selbst zerstören soll. Eine Organisation namens Norwegians Peoples Aid (NPO) hat Versuche zu diesem speziellen Typ von Streumunition gemacht", Holroyd. Die Fehlerquote habe bei etwa zwölf bis fünfzehn Prozent gelegen.

Zwar wird diese Munition vom Typ M 85 künftig verboten – dennoch setzte sich auch die deutsche Delegation beim Vertragsentwurf in Dublin dafür ein, dass sensorgesteuerte Streumunition, die Ziele selbstständig findet und über einen Selbstzerstörungsmechanismus verfügt, vom Verbot ausgenommen wird. Dabei spielen handfeste wirtschaftliche Interessen eine große Rolle. "Ich weiß, dass die Deutschen und die Franzosen versuchen, intelligente Streubomben weiterzuentwickeln. Das Problem ist sehr wirtschaftlich", erläutert Holroyd. In Deutschland gehe es seines Wissens dabei um viel Geld. Er plädiert deshalb dafür, auf die Regierungen mehr Druck auszuüben, um die Produktion zu stoppen.

Auch sensorgesteuerte Munition kann Blindgänger erzeugen und verfügt über keine zuverlässige Freund-Feind-Unterscheidung. Auch wenn mehr als 100 Staaten die Verbotskonvention in Oslo unterzeichnen, werden Streubomben der neuesten Generation dennoch eine Gefahr für Menschen und Umwelt in Krisenregionen sein.

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