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Die Intoleranz in Deutschland wächst

11. Mai 2015

Zu dieser Einschätzung ist der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats nach einer Deutschlandreise zum Thema Ausländerfeindlichkeit gelangt. Das Landgericht Lübeck lieferte das praktische Beispiel dazu.

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Demonstrationszug in Solingen zum Gedenken an den Brandanschlag vom Mai 1993 (Foto "picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Nils Muiznieks, hat die Bundesregierung zu mehr Anstrengungen im Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit aufgefordert. Eine Reihe von Anschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte und die regelmäßigen Demonstrationen gegen eine angebliche "Islamisierung" Europas seien "klare Anzeichen" für ein Anwachsen der Intoleranz in Deutschland, warnte der Lette in einer Erklärung.

Auch habe die Affäre um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) eine "institutionelle Voreingenommenheit und andere ernste Unzulänglichkeiten bei Polizei und Sicherheitsdiensten" an den Tag gebracht, stellte Muiznieks nach einer mehrtägigen Visite in Deutschland fest. Die strafrechtliche Verfolgung von rassistisch motivierten Taten müsse durch konkrete Maßnahmen verbessert werden. Notwendig seien etwa klare Anleitungen für Polizei und Staatsanwälte sowie Fortbildungskurse für Richter.

Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Nils Muiznieks (Foto: Council of Europe)
Nils Muiznieks vom EuroparatBild: Council of Europe

Muiznieks begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fast 2000 neue Stellen zu schaffen. Es sei aber auch notwendig, die Aufnahme und die Integration der Asylbewerber zu verbessern - etwa durch Sprachkurse. Auch sei deren ärztliche Versorgung in einigen Bundesländern "problematisch". Die Bundesregierung rechnet für 2015 mit rund 400.000 neuen Asylanträgen. Dies sind doppelt so viele wie im Vorjahr. Der 1949 gegründete Europarat mit Sitz in Straßburg, dem derzeit 47 Staaten angehören, setzt sich vor allem für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein.

Brandstiftung in unbewohnter Flüchtlingsunterkunft

Das Landgericht Lübeck verurteilte derweil einen Finanzbeamten wegen Brandstiftung in einer noch unbewohnten Flüchtlingsunterkunft zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Der 39-Jährige hatte gestanden, am 9. Februar in Escheburg bei Hamburg ein Feuer in einer Doppelhaushälfte gelegt zu haben. Damit wollte er nach eigenen Angaben verhindern, dass am nächsten Tag irakische Flüchtlinge in seiner unmittelbaren Nachbarschaft einziehen.

Der verurteilte Brandstifter von Escheburg (Foto: picture-alliance/dpa/M. Scholz)
Der Brandstifter von EscheburgBild: picture-alliance/dpa/M. Scholz

Der Angeklagte entschuldigte sich erneut für seine Tat. Die Folgen für das Dorf, seine Familie und ihn selbst seien ihm damals nicht bewusst gewesen. "Mit keinem Wort hat er erwähnt, dass ihm die Flüchtlinge leidtun. Er tut sich nur selbst leid", sagte hingegen die Vorsitzende Richterin Helga von Lukowicz in ihrer Urteilsbegründung. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, ist der Mann seinen Beamtenstatus los. Mit dem Strafmaß ging das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Die Anklage hatte eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren gefordert. Die Verteidigung hatte keinen konkreten Antrag gestellt, sondern nur eine milde Strafe verlangt.

"Die Darstellung des Angeklagten, dass ihm die Idee zu der Brandstiftung spontan gekommen sei, haben wir ihm nicht geglaubt", so die Richterin weiter. Die Reue des Mannes sei nicht überzeugend gewesen. Der Beamte nahm das Urteil äußerlich gefasst auf. Im Prozess hatte er mehrfach betont, dass er aus Wut über die Verwaltung gehandelt habe. Er und seine Nachbarn in der Neubausiedlung am Rand des 3500-Einwohner-Ortes hätten sich von der Amtsverwaltung nicht ausreichend informiert gefühlt. Zuletzt waren in Deutschland mehrfach Asylunterkünfte in Brand gesteckt worden, etwa in Vorra (Bayern), Tröglitz (Sachsen-Anhalt) und Limburgerhof (Rheinland-Pfalz).

sti/rb (afp, dpa, epd)