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Die Jud-Süß-Sauer-Show

25. Februar 2010

Oliver Polak hat schon im Jahr 2008 mit seinem Buch "Ich darf das, ich bin Jude" für Aufsehen gesorgt. In seinem neuen Comedy-Programm spottet er über Juden, Muslime und dicke Mädchen aus dem Emsland.

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Polak auf der Bühne (Foto: Quatsch Comedy Club)
Bild: Quatsch Comedy Club

"Wenn Sie ein Problem mit Worten wie Jude, Hitler oder Papenburg haben, wäre es ratsam, dass Sie jetzt den Raum verlassen", tönt es gleich zum Beginn der Show aus Lautsprecherboxen, denn Oliver Polak beschäftigt sich fast ausschließlich mit diesen Themen. Papenburg im Emsland ist seine Heimatstadt - in seiner Beschreibung ein dröger Ort mit drögen Menschen. Wenn Polak nicht seine übermächtige jüdische Mutter gehabt hätte, wäre er vielleicht an Langeweile gestorben. Nervig fand er nur, dass die Mama immer gegen seine Freundinnen hetzte: "Sie hat immer gesagt, Oliver, emsländische Landschönheiten sind drall und fruchtbar, wie das Vieh, das sie hüten." Diese Gemeinheit bringt Polak auf der Comedybühne nun Lacher ein.

Pointen unter der Gürtellinie

Er witzelt gern unter der Gürtellinie - immer ein bisschen billig und ein bisschen plakativ - doch weil er stets auch darauf hinweist, dass er Jude ist, bekommen die Pointen einen doppelten Boden. Das politisch korrekte Publikum wird zwischen Betroffenheitsreflexen und Entrüstung hin- und hergerissen. Und diesen Effekt beutet Polak aus. Er kommt in Jogginghosen auf die Bühne und sondert einen dumpfen Stammtischspruch nach dem anderen ab. Was seine Meinung ist und was gezielte Provokation, ist nicht zu erkennen - gerade das macht das Programm interessant. Da steht kein Gutmensch auf der Bühne, sondern einer, der bewusst mit Entsetzen Scherz treibt. Am besten sind seine Pointen immer dann, wenn er sich auf Dinge bezieht, die wirklich passiert sind: "Neulich rief eine Veranstalterin vom Admiralspalast an und fragte mich: 'Mensch Oli, am 9. November machen wir eine Mauerfallrevue. Da musst Du unbedingt kommen.' Ich sagte: '9. November ist schlecht, da haben wir Reichspogromnacht.' Und sie: 'Macht doch nischt. Da bringst du deine Leute halt mit und wir feiern alle zusammen.'"

Oliver Polak im Portrait(Foto: Quatsch Comedy Club)
Oliver PolakBild: Quatsch Comedy Club

Oliver Polak attackiert Gedankenlosigkeit, aber auch die falsche Befangenheit, die Deutsche oft spüren, wenn sie mit Juden zusammen kommen. In seinem "Judenspiel" sollen die Zuschauer erraten, welcher Prominente ein Jude ist und welcher nicht. "Wenn es sich um einen jüdischen Mitbürger handelt, rufen sie laut: Jude!" verlangt Polak mit einem Lächeln. "Bei anderen Menschen rufen Sie: Normal!" Und schon wieder sitzt man als Zuschauer in der Klemme: Mitmachen oder Spielverderber sein? Welche Möglichkeit gibt es, das Wort "Jude" zu rufen, ohne dass es wie eine Denunziation klingt? Ungute Erinnerungen werden wach. "Bei mir ist es nicht wie im Kabarett", sagt Polak, "wo die Leute sich reinwaschen können und klatschen und dann gehen sie nach Hause und fühlen sich besser. Bei mir bleibt das offen. Es gibt da keine Auflösung." Und das ist eine Qualität der Produktion.

"Kommt, lasst uns alle Juden sein!"

Das Publikum kann nie sicher sein, sich gerade auf der moralisch richtigen Seite zu befinden. Auch nicht, wenn Polak wie ein Popstar zum Mikrofon greift und singt: "Kommt, lasst uns alle Juden sein!" Der Song wirkt wie eine Parodie auf die Schlagermassenware, die in diversen Fernsehshows geboten wird. Zum berechnend-schwülstigen Text kommt eine berechnend-schwülstige Musik. Konfettikanonen blasen bunte Schnipsel in die Luft und versuchen Gute-Laune-Stimmung zu verbreiten. Echte Versöhnungsangebote sehen anders aus.

Oliver Polak sitzt im Trainingsanzug gekleidet auf einer Stufe (Foto: Quatsch Comedy Club)
Junger BlickwinkelBild: Quatsch Comedy Club

Kurze Zeit später kommen überlebensgroße Schäferhunde zum Vorschein, die Polak am linken und rechten Bühnenrand platziert hat. Er hat ihnen SS-Mützen aufgesetzt und Davidsterne an die Halsbänder gehängt. Warum, das weiß er selber nicht genau. Polak ist ein Bauchmensch - aber er hat ein Gespür für doppelbödige Pointen. Der Deutschen Bahn empfiehlt er, einen Eichmann einzustellen, damit die Züge wieder pünktlich fahren. (Anmerkung der Redaktion: Adolf Eichmann organisierte in der NS-Zeit die Deportation von Juden aus allen europäischen Ländern) "Jeder hat ja ein eigenes Wertesystem", sagt er mit einem Achselzucken. "Ich mache die Witze, die ich lustig finde, und hoffe, dass die Leute auch das gut finden. Neonazis zahlen ja in meiner Show die Hälfte. Die können noch was lernen." Über manches, was er sagt, kann man nur den Kopf schütteln. Doch gerade weil sein Humor immer wieder entgleist und wirklich weh tut, ist er auch gut. Der Holocaust wird nicht weggelacht, sondern immer wieder ins Bewusstsein gerufen.

Autor: Oliver Kranz

Redaktion: Conny Paul