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Die Krim ein Jahr in russischer Hand

Roman Goncharenko, Yulia Vyshnevetskaya16. März 2015

Seit der russischen Annexion der ukrainischen Krim ist ein Jahr vergangen. Russland baut die Halbinsel im Schwarzen Meer zur militärischen Festung aus. Verlierer der neuen Verhältnisse sind vor allem die Krimtataren.

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Plakat "Krim und Russland" (Foto: REUTERS/Artur Bainozarov/Files)
Bild: Reuters/A. Bainozarov

Bei stürmischem Wetter in der Straße von Kertsch, der Meerenge östlich der Krim, ist die Fährverbindung zum russischen Festland manchmal tagelang unterbrochen. Dann bilden sich kilometerlange Staus. Und die Versorgung der Halbinsel mit Lebensmitteln und anderen Gütern ist nicht mehr gewährleistet.

Putin gibt Vorbereitung der Annexion zu

Als Russland die Krim vor rund einem Jahr annektierte, wurde die Straße von Kertsch zur wichtigsten Versorgungsroute. Moskau und Kiew kappten die anderen Verbindungen: Es fliegen keine Flugzeuge, verkehren keine Personenzüge und keine Reisebusse. Wer von der Krim in die Ukraine oder umgekehrt fahren will, ist auf kleine Privatanbieter angewiesen oder läuft zu Fuß. Auch die Wasserversorgung hat Kiew größtenteils gestoppt. Aus der Ukraine kommen Strom und einige Lebensmittel.

Wladmir Putin, Portrait (Foto: ALEXEI NIKOLSKY/AFP/Getty Images)
Wladimir Putin bestätigte eine geplante Annexion der KrimBild: Getty Images/AFP/A.Nikolsky

Kürzlich gab der russische Präsident in einem Dokumentarfilm des Staatsfernsehens Details zur Annexion der Krim bekannt. Wladimir Putin gab zu, bereits Ende Februar 2014 die "Rückführung" der einst russischen Halbinsel beschlossen zu haben. Als Begründung nannte der Kreml-Chef Umfrageergebnisse, wonach 75 Prozent der Krim-Bewohner angeblich zu Russland gehören wollten. In einem "Referendum" am 16. März 2014, das von russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen bewacht wurde, sollen sich nach russischen Angaben mehr als 96 Prozent dafür ausgesprochen haben. Die Ukraine, die UN-Vollversammlung und westliche Länder verurteilten Russlands Vorgehen als völkerrechtswidrig.

90 Prozent der Bewohner würden erneut für die "Wiedervereinigung mit Russland" stimmen. Das will das staatliche russische Meinungsforschungsinstitut WZIOM im Februar 2015 herausgefunden haben. Diese Zahl ist in unabhängigen Quellen nicht zu finden. Ukrainische Experten bezweifeln einen so hohen Zustimmungswert.

Ohne Apple und vielleicht mit Atomwaffen

Fest steht, dass die 2,3 Millionen Krim-Bewohner in einer neuen Realität leben. Verkehrsprobleme sind da nur ein Mosaikstein. Als der Westen Sanktionen gegen Russland verhängte, zogen sich viele US-Unternehmen von der Halbinsel zurück. So gibt es dort keine Filialen der Schnellrestaurantkette McDonald's mehr. Visa und Mastercard, die zwei weltweit größten Kreditkartenunternehmen, bedienen keine Kunden mehr. Auch die Apple-Stores auf der Krim mussten schließen.

Die wohl größten Veränderungen vollziehen sich im militärischen Bereich. Russland baut die Krim im Eiltempo zu einer Festung aus. Nach Angaben russischer Staatsmedien könnte die Anzahl der russischen Soldaten auf der Halbinsel von derzeit rund 25.000 auf über 40.000 steigen. Die Treibstofflieferungen für die Armee wurden schon mehr als verdoppelt. Russland rüstet seine Truppen auf: mit neuen Panzern, Schiffen und Flugzeugen. Auch über eine mögliche Stationierung von Atomwaffen wird spekuliert. Moskau schließt das nicht aus.

Gemüseladen auf der Krim (Foto: DW)
Steigende Preise und sinkende GehälterBild: Andrey Miroschnitschenko

Löhne sinken…

Das vergangene Jahr war von großen Umstellungen geprägt: Es kamen die russische Währung, russische Arbeitgeber und russische Gesetze. Vor allem über höhere russische Löhne und Gehälter dürften sich viele anfangs gefreut haben. Inzwischen sei die Freude aber getrübt, berichtet Oleg Skromnow der Deutschen Welle (Name von der Redaktion geändert). "Die ukrainischen Gehälter der Staatsbediensteten wurden zunächst verdoppelt. Doch nun wurden sie an die russischen Tarife angepasst und es sieht nicht mehr so rosig aus", beklagt der Programmierer aus der Provinzhauptstadt Simferopol. "Meine Frau, die in einem Krankenhaus arbeitet, verdient jetzt nur noch halb so viel, dabei sind die Preise gestiegen."

Oleg Skromnow will nun seine Wohnung in Simferopol verkaufen und nach Kiew ziehen. Die zunehmende Abschottung der Krim vom ukrainischen Festland sei für ihn Grund genug, um zu gehen.

Diskriminierung der Krimtartaren

Besonders diejenigen, die sich geweigert haben, einen russischen Pass anzunehmen, müssen mit Schwierigkeiten im Alltag rechnen. 2014 habe man für die Ausstellung eines russischen Passes eine Gebühr von 300 Rubel zahlen müssen, jetzt seien es 3500 Rubel (umgerechnet 52 Euro), erzählt Schan Sapruta, ein Anwalt aus Simferopol.

Diejenigen, die am stärksten die russische Staatsangehörigkeit ablehnen, sind wohl die Krimtataren. Sie gelten als die größten Verlierer der Annexion. Immer wieder wird berichtet, dass Vertreter dieser Minderheit plötzlich verschwinden. Manche wurden tot aufgefunden. Der Menschenrechtskommissar der Europarats, Nils Muiznieks, prangerte in einem Bericht entsprechende Fälle an. Immer wieder gibt es Meldungen in denen davon berichtet wird, dass die russische Polizei und die Geheimdienste Krimtartaren einschüchtern.

Die meisten der rund 300.000 Krimtataren nahmen während der Annexion der Halbinsel eine pro-ukrainische Haltung ein. Ihre politischen Anführer, darunter Refat Tschubarow, leben inzwischen in Kiew, da Russland ihnen die Einreise auf die Krim verweigert. Tschubarow ist Vorsitzender des Medschlis, des Rats der Krimtataren. Es gibt Hinweise darauf, dass pro-russische Krimtataren seine Absetzung anstreben. Noch sind sie aber in der Minderheit.