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Die Kunst des Fernsehens

Werner Bloch6. September 2013

Ein Sender, der nur Kunst zeigt. Ohne Kommentar, ohne Musik. Das soll funktionieren? "Ikono TV" aus Berlin wagt es: mit je einem Kanal für Europa und die Arabische Welt. Jetzt ist der Sender weltweit im Web zu sehen.

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Screen Nefertiti, 1351-1334 B.C. (Detail) © bpk / Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, SMB / Hans Christian Krass
Bild: bpk/Ägyptisches Museum

Vielleicht werden wir ja tatsächlich bald mit Blick auf Nofretete tanzen, an Bartheken über Kunst diskutieren oder einen Andy Warhol beim Frühstück betrachten. Man braucht dazu nur einen Computer oder ein Smart TV, also internetfähiges Fernsehen; und schon kommt die Kunst zu uns – besser als bei jedem Museumsbesuch, meint die Erfinderin von Ikono TV, Elizabeth Markevitch. "Im Museum haben wir oft gar nicht die Zeit, uns die Werke in Ruhe anzuschauen, vor allem bei Videokunst, die zu lang dauert. Da hat man keine Sitzgelegenheit, die Leute versperren einem den Blick. Zu Hause sieht man alles viel besser."

Entschleunigung durch Kunst

Die 55-jährige Unternehmensgründerin – weiße Bluse, langes brünettes Haar – sitzt am Besprechungstisch im dritten Stock einer Fabriketage in Berlin-Wedding und erzählt vom Projekt, das seit 2006 ihr Leben bestimmt. Nebenan, in drei Großraumbüros, ein kleines Heer von Mitarbeitern: Internetprofis, Finanzexperten, Kunstsachverständige, kaum einer ist hier älter als 35. Sie alle machen Ikono TV und glauben an die Worte der Gründerin: dass Kunst in viele Lebensstationen passt. Dass man auf Flughäfen oder auf Bahnhöfen im Fernsehen Kunst betrachten kann, statt hektisch auf Nachrichtenbilder zu starren.

So wunderlich das klingen könnte – wer die Filme sieht, kann sich durchaus vorstellen, dass es klappt. Hier in der Wattstraße, gleich in der Nähe der Berliner Studios der Deutschen Welle, läuft gerade ein Film zu Nofretete, der von Ikono TV in Auftrag gegeben wurde.

Ein TV-Bildschirm zeigt Giovanni Bellinis Gemälde "Darbringung im Tempel" © Fondazione Querini Stampalia
Von 1469 ins Internet: Giovanni Bellinis "Darbringung im Tempel" bei Ikono TVBild: Fondazione Querini Stampalia

MTV für die Kunst

Egal, ob man über kunsthistorische Kenntnisse verfügt oder nicht: Der Clip macht die Betrachtung zu einem kleinen intimen Spielfilm. "Schauen Sie, die Nofretete, sagt Markevitch. "Der Blick der Kamera fährt schräg von unten über ihren Hals bis zum Gesicht. Der Film zeigt die Skulptur so, wie sie bisher kaum wahrgenommen wurde. Nofretete wirkt so sehr menschlich, man hat das Gefühl, sie ist tatsächlich da."

Ein MTV für die Kunst - das will Ikono TV sein. Allerdings eher wie das MTV der achtziger Jahre, als die Musik noch im Vordergrund stand und nicht die rasante Schnitttechnik. Ikono ist "Slow Art". Meist bleibt die Kamera drei bis fünfzehn Minuten bei einem einzigen Bild.

Ein TV-Bildschirm zeigt ein Detail aus Hans dem Gemälde "Die Botschafter" von Hans Holbein dem Jüngeren (1533) © Bridgeman Art Library London
Konzentration auf die Kunst? Detail eines Gemäldes von Hans Holbein dem JüngerenBild: Bridgeman Art Library London

Mit Kunst-TV Geld verdienen

Geht das wirklich: Kunst ohne Erklärung, ohne jeden Kommentar? Ikono TV kommt ganz ohne Töne aus. Wer sich für ein Kunstwerk interessiert, der kann allerdings im Internet auf der Playlist von Ikono nachschauen. Dort findet er Informationen zu den Werken - und praktischerweise Buchtipps von Amazon, die gleich mitgeliefert werden. Hier wird das kommerzielle Interesse von Ikono deutlich.

Finanziert wird das Kunstfernsehen durch Trailer, die Museen und andere große Kulturinstitutionen bei Ikono in Auftrag geben. Außerdem gibt es Werbung, wenn auch stumm und dezent: Wenn ein Museum irgendwo auf der Welt seine nächste Ausstellung ankündigt, kann es dies über Ikono TV tun – und trifft dabei auf eine geeignete Klientel. Und: Jedermann kann sich die Clips für 1,99 Euro herunterladen und aus dem Fernsehen eine digitale Videothek machen. Hingucker sind diese Stücke allemal.

Seit diesem Freitag (06.09.) ist Ikono TV über das Web weltweit auf Sendung. Den Anfang macht ein internationales Festival von Videokunst aus den letzten 40 Jahren, von Brian Eno bis Bill Viola. Rund 150 Künstler sind zu sehen – das erste Kunstfestival, das ausschließlich im Fernsehen ausgestrahlt wird.

Arabische Welt: keine nackten Körper

Bereits seit einigen Jahren strahlt der Sender zwei unterschiedliche Programme über Satellit aus: In dreißig Ländern Europas war bisher schon der Kanal Ikono TV zu sehen, für den arabischen Raum gab es Ikono Menasa über Arabsat. Der wichtigste Unterschied: in Ländern wie Ägypten oder Saudi-Arabien ist keine christliche Kunst zu sehen – und keine Nacktheit. Man habe ihr bedeutet, dass das Probleme bringen könnte, sagt Elisabeth Markevitch. Im Berliner Office sitzt nun ein Islamwissenschaftler, der die Inhalte für den Nahen Osten programmiert. "Die kunstgeschichtlichen Begriffe des Westens sind ohnehin nicht anwendbar, wir gehen von der Kulturgeschichte des Islam aus", sagt er.

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Der Nahe Osten liegt Markevitch besonders am Herzen. "Es gibt ja dort kaum Museen", sagt sie. Eines ihrer schönsten Erlebnisse war, als ihr ein Zuschauer schrieb: "Ich habe in Ihrem Fernsehprogramm gerade elektrisiert diese Miniatur gesehen, an die ich viele Jahre lang nicht gedacht hatte. Sie hing im Zimmer meiner Großmutter. Und heute weiß ich endlich, was sie bedeutet."