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Die Letzten werden die Ersten sein ...

Andreas van Hooven1. August 2002

Nach zwei Jahren Greencard ist eines beim Alten geblieben: Für arbeitslose IT-Greencardler interessieren sich in Deutschland nur wenige Firmen. Vor allem, wenn die Fachkräfte der Landessprache nicht mächtig sind.

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C++: Im Alltag hilft die Programmiersprache nicht weiter

Ehe Rohit Gupta* sich versah, stand er in Süddeutschland auf der Straße - und die sprach Deutsch. Im Frühsommer 2001 war er aus Indien nach Deutschland gekommen und beherrschte mehrere Sprachen perfekt, aber kein Deutsch. Aufgewachsen in Bombay, studierte er Informatik und programmierte fortan für einen internationalen Computer-Konzern in dessen indischer Niederlassung. Bis die Firma ihn fragte, ob er mit einer Greencard nach Deutschland gehen wolle, wo der Konzern zu wenig Fachleute habe. Rohit sagte sofort Ja.

Was nützt dir C++ auf der Straße?!

Den deutschen Arbeitsvertrag hatte der heute 30-Jährige in seinem Heimatland unterzeichnen können. Und mit dem großen Unternehmen im Rücken waren die Greencard-Anträge ruck-zuck genehmigt. Das Stellenprofil konnte Rohit sich detailliert im Intranet des Konzerns anschauen und was ihn da fachlich erwartete, war ganz klar: Denken und Schreiben in Programmiersprachen wie C++ und Pascal, und die Kommunikation im Büro verliefe auf Englisch.

Visum und Flugschein waren schnell abgeholt, und vom ersten Tag an hatte er in Deutschland mehr als einen "Nine-To-Five-Job". Abends oder am Wochenende ging er mit Englisch sprechenden Kollegen ins Kino oder in den Biergarten. Eines kam dabei zu kurz: der Erwerb der Landessprache. Die Nachwirkungen vom Zusammenbruch der New Economy waren gerade leicht verdaut, als der 11. September kam. Nach vier Monaten Arbeit stand Rohit auf der Straße. Im Arbeitsamt nützten im Indisch, Englisch, C++ und Pascal nichts. "Es war eine ganz schreckliche Zeit für mich", sagt er heute im Rückblick. "Sie stuften mich als nicht vermittelbar ein."

Die Letzten werden die Ersten sein

"Diejenigen, die zuletzt kamen, mit Greencard oder ohne, gingen zuerst", sagt Rohit über die Entlassungswelle in der deutschen IT-Branche Ende 2001. Sie gingen auf einen Schlag und plötzlich suchten alle Jobs. Über die Höhe der Sozialabgaben in Deutschland hatte man ihn informiert. Nicht aber, dass er sie zwölf Monate zahlen musste, um einen Anspruch auf Unterstützung zu erwerben. Sein Job in Indien war inzwischen vergeben. Auch die Familie konnte ihm das Geld für den Rückflug nicht zahlen. Rohit blieb hier.

In vielen kleineren deutschen IT-Unternehmen wird so wenig Englisch gesprochen, dass mangelnde Deutschkenntnisse des Bewerbers ein absolutes K.O.-Kriterium sind. Selbst wenn man ausschließlich programmiert. Nachdem das Arbeitsamt sich um einen Stelle für ihn "bemühen" wollte, ging er selbst auf die Suche. Inwischen nahm er mit zwei indischen Freunden, die ebenfalls mit Greencard ohne Arbeit waren, privaten Deutschunterricht - für 200 Euro pro Woche. Zuschüsse gab es keine. "Ich weiß gar nicht mehr, wie ich das wenige Geld zusammenhalten konnte", meint Rohit heute.

Bitte keine Greencardler

In Jobbörsen des Internets fanden sich zwar Inserate, manche Firmen wünschten aber ausdrücklich keine Greencardler. Telefonische Bewerbungen wurden - wegen der Sprachprobleme - oft unmittelbar abgebrochen. "Nach zwei Monaten Deutschlernen kam der Punkt, dass man mich überhaupt erst einmal zum Vorstellungsgespräch lud. Es war deprimierend. Eine indische Freundin von mir ist heute so deprimiert, dass sie kaum auf die Straße geht." Nach sechs Monaten hatte Rohit dann endlich Glück – auch ohne Hilfe des Arbeitsamtes, das sich in den sechs Monaten einmalig bei ihm meldete. Er fand einen Job bei einer IT-Firma und ist froh, irgendwie in Deutschland angekommen zu sein. Im neuen Job spricht er ausschließlich Englisch.

*(Name von der Redaktion geändert)