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Die Literatur ist frei - nur nicht überall

9. Oktober 2010

Bedroht, entführt, verhaftet, ermordet – so liest sich die Statistik des Schriftstellerverbandes P.E.N. Auf der Buchmesse haben sie ihren jüngsten Bericht vorgestellt. Fazit: Es verbessert sich eigentlich nichts.

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Symbolbild Meinungsfreiheit (Foto: dpa)
In vielen Ländern haben es kritische Autoren schwerBild: DW/dpa

Ein bisschen ernüchternd sei das schon, sagt Herbert Wiesner, der Generalsekretär des Deutschen P.E.N.-Zentrums. Sie haben fast 600 Fälle von Gefängnishaft, Angriffen und Morden für das erste Halbjahr 2010 registriert – und das ohne Anspruch auf Vollständigkeit. "Das ist eine fast trostlose Feststellung, die man da machen muss", so Wiesner. Aber es liege eben auch daran, dass es immer neue Krisensituationen gebe und immer neue Proteste für Menschenrechte, "die dann natürlich mit neuerlichen Verletzungen der Menschenrechte beantwortet werden."

Erst eingesperrt, dann ausgesperrt

PEN Logo mit Feder
Der P.E.N. zählt zu den bekanntesten internationalen Autorenverbänden

Der Schwerpunkt der Präsentation des deutschen P.E.N.- Zentrums auf der Buchmesse liegt in diesem Jahr – passend zum Gastland Argentinien – auf Lateinamerika, insbesondere auf Kuba. Von dort stammt der Journalist Ricardo González Alfonso, der erst vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er war als Regimekritiker im so genannten "Schwarzen Frühling" im März 2003 zusammen mit 74 weiteren Personen verhaftet worden. 20 Jahre Haft lautete das Urteil, wegen "Taten gegen die Unabhängigkeit und territoriale Integrität des Landes". Oder wie González Alfonso es selbst formuliert: weil er sich für Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingesetzt hat.

In diesem Jahr wurde er vorzeitig entlassen, doch nicht nur aus der Haft, sondern auch aus seinem Land. In seinem Ausweis steht, dass er eine "Erlaubnis" hat, das Land auf immer zu verlassen. Das bedeutet: Er darf nicht zurück. Eine bittere Erfahrung. Die Heimat sei Teil von einem selbst, sagt er. "Sie wegzunehmen ist, als nähme man einen Teil des Menschseins von einem weg. Den Teil, in dem die Erinnerungen aufbewahrt sind: an die Kindheit, an die Jahre, in denen man erwachsen wurde, an den Ort, an dem die Freunde sind, die Familie. Und das nur, weil man die Freiheit verteidigt hat."

Stipendium in Deutschland

Ricardo González Alfonso, Autor (Foto: DW)
Ricardo González Alfonso darf nicht mehr in seine HeimatBild: DW/Petra Lambeck

So wie Ricardo Gonzalez Alfonso geht es vielen Intellektuellen auf der Welt. Sie kommen aus dem Iran, aus China, der Türkei oder aus Weißrussland – und können nicht mehr zurück, sei es weil sie ausgewiesen wurden oder um ihr Leben fürchten. Die internationale Schriftstellervereinigung P.E.N., die weltweit mehr als 140 nationale Zentren in sich vereint, versucht diesen Menschen zu helfen, soweit das eben möglich ist. Sie könnten zwar nicht nach Peking fahren und Leute aus dem Knast befreien, sagt Herbert Wiesner, "aber die ständige Suche nach Information, das ist das, was ja auch Irritation hervorruft. Und das müssen wir immer wieder tun."

Seit 11 Jahren gibt es in Deutschland zudem das "Writers-in-Exile"- Programm. Es wird finanziert von der Bundesregierung und bietet jedes Jahr sechs – ab 2011 eventuell sogar sieben – verfolgten Schriftstellern und Journalisten ein Stipendium an. Ein Jahr lang können sie in Deutschland leben und arbeiten und dabei versuchen sich von den Strapazen in ihrem Land zu erholen.

Der Traum: ein freies Kuba

Ricardo González Alfonso aus Kuba hat sein vorübergehendes Zuhause jetzt erst mal in Spanien gefunden. Seine Heimat ist für ihn im Moment unerreichbar, doch er ist überzeugt, dass er eines Tages zurückkehren kann. Die Geschichte entwickele sich immer zum Besseren, sagt er, Veränderungen seien unvermeidlich. "Es hat sich gezeigt, dass totalitäre Regime, seien sie links oder rechts, immer einstürzen. Und über der Ruine dieser Diktatur werde ich eines Tages als ein freier Mann wandeln können, zusammen mit meinen Landsleuten."

Autorin: Petra Lambeck

Redaktion: Manfred Götzke