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"Die Macht der Fotografie ist nicht verloren gegangen"

Felix Schlagwein
9. Januar 2017

Vor 10 Jahren läutete das erste iPhone eine Foto-Revolution ein. Im Interview spricht Fotograf Ditmar Schädel über die Zukunft der Smartphone-Fotografie und erklärt, warum sie die Arbeit von Profis nicht ersetzen kann.

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Deutschland Konzertbesucher mit Smartphones in Hamburg
Bild: picture-alliance/dpa/M. Christians

DW: Smartphones haben die Welt im Sturm erobert und sind heute nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Wie wirken sich Smartphones auf die Fotografie aus?

Ditmar Schädel: Das Smartphone ist natürlich ein multifunktionales Instrument, mit dem man viele Dinge tun kann. Die Fotografie ist nur ein kleiner Teil davon. Was sich natürlich durch das Smartphone verändert hat, ist, dass jetzt jeder zu jeder Zeit an jedem Ort eine Kamera bei sich trägt. Vorher musste das Instrument erst einmal vorhanden sein, dann bewusst mitgenommen und in der jeweiligen Situation gezückt werden. Wenn man sich heutzutage die Menschen auf der Straße anguckt, haben sie das Smartphone ja oft gar nicht mehr in der Tasche, sondern die meiste Zeit sowieso in der Hand. Damit sind sie jederzeit in der Lage, zu fotografieren. Früher bedurfte das mehr Vorbereitung. Heute kann man Momente beiläufig einfangen.

Warum lassen immer mehr Fotografen ihre Kamera zu Hause und greifen zu ihrem Smartphone? In welchen Situationen hat es Vorteile gegenüber Fotoapparaten?

Einige Fotografen nutzen es als Skizzenapparat. Sie machen zunächst Bilder mit ihrem Smartphone und gucken dann, was sich daraus entwickeln kann. Da das Handy immer dabei ist, kann man ein Objekt, eine Situation, einen städtischen Raum mal eben skizzieren. Früher hat man das mit kleinen kompakten Kameras auch schon gemacht. Diejenigen, die im journalistischen Bereich arbeiten, haben ja auch ständig ihr Smartphone zur Hand und hier natürlich den Vorteil, dass sie das geschossene Foto viel schneller in die Redaktion schicken können als mit einer Kamera. Man braucht also keinen Zwischenschritt mehr und kann mit dem Smartphone im Prinzip live senden. Die Qualität reicht noch nicht an die großen Kameras heran, ist aber natürlich für viele Zwecke, besonders im Online-Journalismus, völlig akzeptabel.

Steve Jobs mit Apple iPhone
Steve Jobs bei der Vorstellung des ersten iPhones in San Francisco 2007Bild: picture alliance/dpa/J. G. Mabanglo

Um gute Fotos zu schießen, braucht es heute nicht mehr viel. Eine gute Kamera hat jeder mit seinem Smartphone permanent dabei. Laufen Laien Profi-Fotografen bald den Rang ab? 

Laien sind eher wie Flaneure unterwegs und entscheiden spontan in einer bestimmten Situation: "Jetzt fotografiere ich das." Profis gehen mit einer Vorstellung, einem Ziel auf die Reise. Die Motivation, etwas zu fotografieren, ist immer noch eine andere. Ein anderer Punkt ist die Vorarbeit. Profis arbeiten mit ihrer Erfahrung konzeptionell anders - und eigentlich auch besser. Trotzdem ist der Berufsgruppe der Fotografen an vielen Stellen die Wertigkeit verloren gegangen. Redaktionen sind zum Teil  nicht mehr bereit, für Fotos angemessene Preise zu bezahlen, weil sie sie von den Amateuren ja quasi umsonst bekommen.  

Hat die Macht der Fotografie zugenommen oder verliert sie sich in der unendlichen Masse von Bildern, die tagtäglich entstehen?

Ich denke nicht, dass die Macht der Fotografie verloren gegangen ist. Schon vor dem Smartphone sind in Bildredaktionen hunderte oder gar tausende von Bildern pro Tag eingegangen. Gerade den großen Foto-Agenturen standen schon immer eine fast unübersichtliche Anzahl an Bildern zur Verfügung. Das Problem liegt heutzutage eher darin, die Glaubwürdigkeit der Bilder zu prüfen, da die Quellen vielfältiger geworden sind. Es besteht die Gefahr, auf Bilder hereinzufallen, die unter Umständen das Geschehene anders darstellen als es in Wirklichkeit passiert ist.

Wächst bei dieser alltäglichen Flut von Bildern nicht der Wunsch nach Exklusivität?

Dort, wo das Bild eine entscheidende Rolle spielt, ist nach wie vor die Qualität entscheidend. Diese Bilder werden zum Großteil immer noch von professionellen Fotografen geliefert. Wenn man bereit ist, dafür angemessen zu bezahlen, kann man sich sicher sein, dass man die entsprechende Qualität bekommt. Ich glaube deshalb, dass nach wie vor die Bilder der Profis eine gute Chance und auch eine Berechtigung haben.

Ist durch das Smartphone die Anzahl junger Leute gestiegen, die eine Karriere als Profi-Fotograf anstreben? Schließlich bringt die Handykamera Menschen schon im jungen Alter mit Fotografie in Berührung.

Ich glaube schon, dass das Interesse an Fotografie generell durch Smartphones gestiegen ist. Auf die professionelle Schiene bezogen, spiegeln die Zahlen das allerdings nicht wider. Fotografie hat auf junge Leute schon immer eine große Anziehungskraft ausgeübt. Das drückt sich auch in der Anzahl der Bewerbungen auf die Studienplätze in Deutschland aus. Aber auch die ist nicht exorbitant gestiegen. Sehr positiv ist allerdings, dass Studenten und Auszubildende heutzutage durch das Smartphone mehr Vorerfahrung haben. Was es aber gibt, ist ein neuer Markt. Leute, die Fotos auf Plattformen wie Instagram teilen, verdienen ja nicht das Geld mit dem Verkauf ihrer Bilder, sondern damit, dass sie durch sie kommunizieren und somit für Werbebotschaften interessant sind. Da ist ein zusätzlicher Markt entstanden, der auch von einigen sehr professionell betrieben wird. Das wäre mit klassischem Equipment nicht denkbar.

Was dürfen wir in Zukunft von der Smartphone-Fotografie erwarten?

Der technische Fortschritt der letzten zehn Jahre war rasant. Man kann sich kaum vorstellen, wie die Smartphone-Fotografie in den kommenden zehn Jahren aussehen wird. Menschen, die auf eine gute Kamera in ihrem Smartphone Wert legen, werden in der Zukunft geniale Geräte zur Verfügung stehen. Es gibt ja heutzutage schon Modelle, bei denen der Schwerpunkt auf der Kamera liegt. Die haben dann ein besonderes Objektiv und eine besonders hohe Bildqualität.

Ich denke aber, dass die Masse auf Handys mit vergleichsweise einfachen Kamerafunktionen zurückgreifen wird. Die Smartphone-Generation macht ja Bilder nicht, um sie zu erhalten. Sie sind eher eine Art von Kommunikation, sie sollen etwas beschreiben. Anstatt zu schreiben oder zu sagen "hier fühle ich mich wohl" oder "mein Essen schmeckt lecker", schickt man ein Bild. Es ist nicht dazu da, irgendwo zu verbleiben, betrachtet oder ausgedruckt zu werden, sondern eher ein Impuls. Das Smartphone-Foto ist ein schnelles Medium, das nicht auf Publikation angelegt ist - und das wird es vermutlich auch bleiben. 

Ditmar Schädel ist Fotograf und seit 2010 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh). Die rund 1000 Mitglieder der DGPh sind allesamt verdiente Persönlichkeiten der deutschen und der internationalen Fotoszene. An der Universität Duisburg-Essen lehrt Ditmar Schädel zudem als Dozent im Bereich Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft.

Das Gespräch führte Felix Schlagwein.