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Medaillen made in Berlin

16. Februar 2010

Die Bobs, Rodelschlitten und Skeletons sowie die Kufen der deutschen Eisschnellläufer kommen aus Berlin. Sie sollen bei den Winterspielen in Vancouver Goldmedaillen bringen.

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Strömungssimulation am Vierer-Bob, Optimierung der Aerodynamik, Stromlinien (Foto: FES)
Bild: FES

Das Gebäude ist absolut unauffällig. Äußerlich ein typischer Kleinbetrieb, wie so viele andere in Berlin-Oberschöneweide. In den Werkstätten entstehen Hightech-Sportgeräte für den deutschen Spitzensport. Das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) ist die deutsche die Medaillen-Schmiede.

Schlittenentwicklung und Tests in den 80er Jahren (Foto: FES)
Schlitten auf RädernBild: FES

Das FES existiert seit 1962 und gehörte zum erfolgreichen Konzept des DDR-Sports. "Man hatte sehr früh erkannt, dass mit Hilfe der Ingenieurwissenschaft Sportler bessere Leistungen bringen können", erklärt FES-Direktor Harald Schaale. Das System „Mensch und Sportgerät“ wurde zuerst in den Sportarten Rudern, Kanu und Segeln unter die Lupe genommen und entsprechend weiter entwickelt. Ende der 60er Jahre kam Rodeln hinzu, seit Anfang der 90er werden im Institut auch Bobs entwickelt. "Das FES trägt dazu bei, dass wir in vielen Sportarten nach wie vor international erfolgreich sind", sagt Schaale.

Bestandteil des Einigungsvertrages

Die Erfolge der DDR-Sportler machten das FES international bekannt. Viele Nationen nahmen sich das Institut zum Vorbild und gründeten selbst entsprechende Forschungsstätten. Dieses internationale Renommee bewahrte das "Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten" nach dem Fall der Mauer auch vor der Zerschlagung. Es wurde sogar in den Einigungsvertrag zwischen der DDR und Bundesrepublik übernommen. Heute wird das Institut durch einen jährlichen Bundeszuschuss von 5 Millionen Euro gefördert.

„Tüfteln" für Olympiasiege

In den Werkstätten und Laboren tüfteln Modellbauer, Karosseriebauer, Schweißer, Konstrukteure und Ingenieure für Erfolge und Medaillen. Die letzten Monate arbeiteten die 50 Mitarbeiter fast ausschließlich für die Winterspiele von Vancouver. In den Bob- und Rodel-Wettbewerben, im Skeleton und im Eisschnelllauf nutzen deutsche Sportler Entwicklungen des FES.

Entwicklung und Fertigung von Kufen für Bobs (Foto: FES)
Kufen für BobsBild: FES

In der Metallwerkstatt wird auch jetzt noch an Kufen für die deutschen Bobs gearbeitet. Sie wurden noch einmal leicht verändert, speziell auf die kurvenreiche und extrem schnelle Bahn in Whistler angepasst. "Das Geheimnis liegt in diesem unteren Bereich." Mehr verrät Werkstattleiter Ralf Gollmick nicht. Er streicht über die gerundete Lauffläche, mit der die etwa ein Meter lange Schiene übers Eis gleitet. "Die Bearbeitungsgenauigkeit ist etwa der dritte Teil eines Haares und das ist schon relativ genau bei so einem langen Stück Stahl", erläutert Gollmick.

Präzisionsarbeit für den Kampf um Zehntel- und Hundertstel

Windkanaluntersuchung eines Eisschnellläufer-Dummies, Aerodynamik des Rennanzuges (Foto: FES)
Im WindkanalBild: FES

Bei Geschwindigkeiten von über 150 Stundenkilometern kommt es beim Bobsport auf Genauigkeit an. Da Hundertstel oder Zehntel über Sieg und Niederlage entscheiden, sollen die Kufen mit dem geringstmöglichen Widerstand übers Eis gleiten und der Schlitten muss so aerodynamisch wie möglich zu Tal rasen. Bobsport sei mit der Formel 1vergleichbar, sagt Gollmick. "Die Fahrwerksabstimmung wird speziell auf jede Mannschaft und jede Bahn vorgenommen." Nichts wird dem Zufall überlassen. "Akribische Wissenschaft bringt schließlich mehr Erfolge", erklärt FES-Entwicklungsingenieur Nitsch. "Bei uns waren es ungefähr 10 Jahre Entwicklungszeit bis zur ersten olympischen Goldmedaille im Bob."

Ziel: Platz Eins in der Medaillenwertung

Die extrem leichten Schuhe der Eisschnellläufer und die Rodel vom FES haben in Vancouver Deutschland bereits die ersten Medaillen gebracht. Weitere sollen folgen – auch im Bob und Skeleton. "Die auf die Athleten individuell angepassten Sportgeräte verschaffen beim Kampf um Medaillen entscheidende Vorteile", sagt Entwicklungsingenieur Michael Nitsch. "Wenn zwei gleich gute Athleten aufs Ziel zu sausen und theoretisch gleichzeitig rein kommen würden, dann gewinnt der mit dem besseren Material." Bei den letzten Winterspielen 2006 in Turin war das Material so gut, dass die Athleten Deutschland zur erfolgreichsten Nation im Medaillenspiegel machten.

Autor: Wolfram Stahl
Redaktion: Manfred Böhm