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Metrische Märtyrer

Bernd Riegert, Brüssel12. September 2007

Getreu ihrem neuen Motto, man muss nicht alles regeln, was sich regeln lässt, zeigt sich die Europäische Kommission ungewohnt unbürokratisch. Das freut vor allem die Menschen jenseits des Ärmelkanals.

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Fernschreiber Brüssel
Bild: DW

Briten und Iren dürfen ihre traditionellen Maßeinheiten auch über das Jahr 2009 hinaus in der Europäischen Union verwenden. Eigentlich gilt seit 1979 in der gesamten EU das metrische System mit klaren Dezimalschritten. Die Kommission entschied jetzt, dass das metrische System nicht zwingend in Kneipen, Supermärkten und auf Landkarten eingeführt werden muss. Briten und Iren trinken eben lieber einen Pint (0,568 Liter) als einen halben Liter Bier. Sie wiegen sich in Unzen und Steinen. Sie legen lieber Yards und Meilen zurück. Das britische Pfund als Gewicht entspricht nicht dem deutschen Pfund (500 Gramm).

Gesunder Menschenverstand in Brüssel

Eine Selbsthilfegruppe mit dem Namen "Metrische Märtyrer" hatte jahrelang gegen das europäische Maß-Diktat gekämpft und endlich obsiegt. "Das ist eine fantastische Neuigkeit, die von ein wenig gesundem Menschenverstand zeugt", jubelte der Sprecher der Märtyrer, Neil Herron in einer Stellungnahme.

Die EU-Kommission hofft mit diesem Gnadenakt für die nicht-kontinentalen Maßeinheiten, die Europa-Skepsis in Britannien und Irland ein wenig zu mildern. Schließlich sollen die Inselvölker ja noch dem neuen EU-Grundlagenvertrag zustimmen, irgendwann.

EU-Kommissar Günter Verheugen sagte, man ehre die Kultur Großbritanniens und Irlands. In britischen Supermärkten galt bisher das Gebot, Waren in Unzen und Gramm parallel auszuzeichnen. Ein britischer Einzelhändler, der sich 2001 standhaft weigerte, so zu verfahren, wurde von einem Gericht sogar zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verdonnert.

Brücke in die USA

Industriekommissar Günter Verheugen geht davon aus, dass mit der Lockerung der Maß-Vorschriften, Exporte in die USA einfacher werden. Denn bislang bestehen die USA darauf, dass neben dem metrischen System auch die in den USA üblichen englischen Einheiten aufgedruckt sind. Auch jenseits des großen Teichs wird mit Unzen, Füßen und Meilen hantiert. Wenn in der EU nun auch nicht-metrische Maße akzeptiert würden, könnten die USA metrische Maße auf EU-Verpackungen hinnehmen.

Ist es nicht seltsam, dass man sich in der angeblich globalisierten Welt nicht auf einheitliche Maße, Elektrostecker oder die Größe von Maulschlüsseln einigen kann? Vielleicht sollten wir auch über die Wiederzulassung von Dutzend, Schock, Ellen und Fuder nachdenken?