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"Die militärische Option ausschließen" - Iraner in Deutschland zum Atomstreit

Loay Mudhoon2. Mai 2006

Der Atomstreit des Westens mit dem Iran wird auch von den in Deutschland lebenden Iranern aufmerksam verfolgt. Einige Stimmen.

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Exil-Iraner bei einer Demonstration in Berlin (30.3.)Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Mit gut 100.000 Personen sind die Iraner eine der kleineren Migantengruppen in Deutschland und werden häufig übersehen. Aber wie stehen sie eigentlich zum Atomstreit und dem drohenden Krieg gegen ihre Heimat, und wie bewerten sie die Erfolgschancen westlicher Politik gegenüber dem Mullah-Regime? Auf diese und andere Fragen geben die iranischen Mitbürger überraschende wie ebenso recht differenzierte Antworten.

Monopolanspruch des Westens

Dr. Shams Anwari-Alhosseyni, Dozent am orientalischen Seminar der Universität Köln, betont „das natürliches Recht Irans auf die Entwicklung der Atomtechnologie wie alle andere Nationen“. Schließlich sei das Land am Golf Träger einer Hochkultur und keinesfalls mit dem bedeutungsarmen Wüstenstaat Libyen vergleichbar. Und obwohl sich der Lektor für Persisch prinzipiell gegen die Anwendung der Atomtechnologie ausspricht, da diese nicht zeitgemäß sei, wendet er sich entschieden gegen den Monoplanspruch des Westens, was den Besitz dieser Technologie anbelangt.

Auf der anderen Seite stellt Anwari-Alhosseyni fest: “Das Mullah-Regime ist sicherlich unberechenbar, deshalb muss man Verständnis für die Sorgen der Weltöffentlichkeit vor der Atombombe in seinen Händen haben“. Allerdings kritisierte der Verfechter einer diplomatischen Lösung die westlichen Politikansätze als verfehlt: „Der Westen bemüht sich nicht ausreichend um diplomatische Lösungen. Die USA müssen mit den Iranern direkt verhandeln und ihnen Sicherheitsgarantien und Modernisierungshilfe anbieten. Drohungen alleine sind da nicht hilfsreich“.

Ängste versus Nationalstolz

Auf die Frage, ob Deutschlandsiraner Verständnis für die Ängste der Welt vor einem atomar bewaffneten Iran haben, gibt Parisa Najafi, Studentin der an der Universität zu Köln, eine klare Antwort:„Selbstverständlich sind die Aufregung und Ängste der Weltöffentlichkeit vor den Absichten des Mullah-Regimes berechtigt, zumal dieses Regime seine Pflichten gegenüber der Atomenergie-Organisation ja immer wieder verletzt hat. Dennoch verstehen die meisten Iraner nicht, weshalb der Westen ihnen das Recht auf Nutzung dieser modernen Technik pauschal abspricht“.

Die junge Studentin vertritt deshalb die Ansicht, statt Iran nur zu drohen sollten sich die USA und die EU auf einen Modus vivendi, auf eine vorläufige, aber klare Verständigung im Umgang mit Iran einigen: Einerseits sollte man das Recht Irans auf zivile Nutzung der Atomtechnik uneingeschränkt anerkennen. Andererseits müsse das iranische Regime strenge Kontrollen akzeptieren, um ihn an der Entwicklung der Atomwaffen zu hindern. Denn das Regime im Gottesstaat habe den Atomkonflikt zu einer Frage des Nationalstolzes gemacht und somit einen Solidarisierungseffekt iranischer Massen mit ihm erfolgreich erzeugt, so Frau Najafi.

Jouma Bouresh, Taxifahrer in Köln, lässt wie die meisten Deutschlandsiraner keine Sympathie für das Mullah-Regime erkennen, jedoch hält er die weltweite Aufregung um das iranische Atomprogramm für einen „Sturm im Wasserglas“. Seiner Meinung nach hätten die Amerikaner kaum militärische Kapazitäten, um den Iran anzugreifen. Schließlich sei Iran nicht vergleichbar mit dem Irak unter Saddam Hussein.

"Lieber 50 Jahre in Deutschland warten"

Für den Ingenieur, der sich seit 25 Jahren in Deutschland aufhält, geht es im aktuellen Atomstreit in erster Linie nicht um eine vom Iran ausgehende Bedrohung der internationalen Sicherheit und gar nicht um Installation der Demokratie im Iran, sondern vielmehr „um strategische Interessen der USA am Persischen Golf. Aber wie könnte es anders sein in der Weltpolitik?“.

Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, darin sind sich alle befragten Iraner einig, muss zunächst die militärische Option ausgeschlossen werden. Denn ein Angriff auf Iran würde das dortige Regime nur stabilisieren. Jouma Bouresh würde lieber 50 Jahre im deutschen Exil warten, als Krieg gegen seine Heimat zu unterstützen.