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Reihe Architektur: Wie wollen wir leben?

13. September 2011

Townhouses, autofreie Siedlungen, Luxus-Wohnungen an Rhein oder Elbe: immer mehr Deutsche wollen heute wieder in der Großstadt leben und arbeiten. Diese Landflucht schafft neue Wohnformen mitten in den Zentren.

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Blick von den Marco-Polo-Terrassen auf ein Hafenbecken der Elbe und Wohnhäuser der Hafencity in Hamburg (Foto: Kathrin Deckart)
Hafencity - begehrte Wohnlage in HamburgBild: picture-alliance / dpa

Kinder in einer Großstadt großzuziehen, das war für viele Väter und Mütter bis vor zehn Jahren noch eine Horrorvorstellung. Deshalb zog es sie raus in die Speckgürtel der Städte oder gleich ganz aufs Land. Das hat Vor-, aber auch Nachteile. In den meisten Fällen müssen zwei Autos her, mit dem einen fährt Papa zur Arbeit, mit dem anderen kutschiert Mama ihre Kinder von der Schule zum Turnkurs oder zum Reiten. Das Ergebnis sind zersiedelte Landschaften und ausgefranste Städte, zugebaut mit Reihenhaussiedlungen, deren Architektur meist fantasielos und monoton aussieht und zudem ökologisch ihrer Zeit um Jahrzehnte hinterherhinkt.

Rein in die Stadt

Moderne Reihenhäuser stehen an einem Feldrand (Foto: dpa)
Auslaufmodell Einfamilienhaus auf dem LandBild: dpa

Doch im 21. Jahrhundert kehrt sich der Trend um. "Es gibt eine Renaissance der Stadt", sagt Olaf Bahner, Sprecher beim Bund Deutscher Architekten (BDA). Gerade junge Familien mit gehobener Ausbildung zieht es in die City zurück. "Wenn beide Eltern berufstätig sein wollen und außerdem die Kinder koordinieren müssen, dann geht das leichter, wenn die Wege kurz sind, wenn Einkaufen, Bildungs- und Kulturangebote in der Nähe liegen", sagt Bahner.

Dabei wollen die Doppelverdiener nicht auf die Vorteile des dörflichen Miteinanders verzichten. "Viele Familien schließen sich zu Baugruppen zusammen", erklärt Bahner. "Sie erwerben eine Baulücke in zentraler Lage, beauftragen einen Architekten und bauen gemeinschaftlich ein Haus". Das sei nicht nur preiswerter, es bringe auch den Vorteil mit sich, dass die Bewohner sich helfen können, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung. Ein Modell, das Zukunft hat, besonders in Zeiten der "Individualisierung", wo Familien auf sich selbst gestellt sind, so Bahner.

Townhouse: eigenes Häuschen im Zentrum

Zentrale Lage, maßgeschneiderte Architektur – damit werben Investoren für die Townhouses, ein mehrgeschossiges Haus mit Garten auf wenigen Quadratmeter Grundfläche mitten in den Städten. Townhouse - so nennen sich die Stadthäuser, die überall in deutschen Großstädten der Renner sind. Die Quadratmeterpreise liegen im höherpreisigen Segment, in Berlin ab 2500 Euro aufwärts, in Köln geht es bei 3000 Euro los. Preise, die viele Doppelverdienerhaushalte nicht davon abschrecken, ihren Traum vom idyllischen Leben im eigenen Haus mitten in der Stadt zu verwirklichen.

Auch hinter dem Wohnmodell Townhouse steckt die Idee, ein kleinstädtisches Leben in der Großstadt zu führen. Denn meist bilden mehrere Townhouses eine dörfliche Struktur, es gibt gemeinsame Räume, die sich die Bewohner teilen, einen Spielplatz, die Straße ist verkehrsberuhigt oder gleich autofrei. Townhouses bieten damit alle Vorteile von Ruhe und Komfort, die ein Häuschen im Grünen auch bietet, mit dem Unterschied, dass auch hier die Wege zu Arbeit und Freizeit kurz sind. Hinzu kommt ein gutes ökologisches Gewissen: "Der Flächenverbrauch verringert sich. Die meisten Townhouses entstehen auf Brachflächen in der Großstadt", erklärt Olaf Bahner das Phänomen.

Urbaner Luxus: Wohnen am Wasser

Renovierte Gebäude im Kölner Rheinauhafen (Foto: dpa)
Renovierte Gebäude im Kölner RheinauhafenBild: picture-alliance

Die dichte Bebauung, gerade in Großstädten wie Frankfurt am Main, Hamburg oder Köln, lässt aber nicht endlos viel Platz für Neubauprojekte. Umnutzung alter Bausubstanz lautet die Devise, und zwar auf hohem Niveau. Industrieromantik gepaart mit Exklusivität, darauf setzen die Stadtplaner, die das Wohnen am Wasser zum neuen Luxus-Trend ausgerufen haben. Ob Hamburger Hafen-City oder Kölner Rheinauhafen – wer es sich leisten kann, investiert in eine Wohnung in den Neubauten oder den umgebauten Speicherhäusern an Elbe oder Rhein.

Diese Areale erobert sich eine gehobene Gesellschaftsschicht, "die früher eher nicht im Stadtinnern gewohnt hat", erklärt Bahner. Aber auch dieses Luxussegment sei Ausdruck einer ausdifferenzierten Gesellschaft, die es vorzieht, an das urbane Leben angebunden zu sein. Dazu gehören übrigens auch viele ältere Menschen, die den Anschluss an die Angebote der Stadt nicht verlieren wollen. Dafür verkaufen einige sogar ihr Häuschen im Grünen.

Autorin: Sabine Oelze

Redaktion: Jochen Kürten