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Die (noch) unmögliche Koalition

Bernd Gräßler27. September 2013

Im neuen Bundestag haben SPD, Linke und Grüne zusammen acht Sitze mehr als die CDU/CSU. Gemeinsam könnten sie Angela Merkel stürzen - allerdings nur rein rechnerisch. Denn derzeit passen sie nicht zusammen.

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Wahlplakat der Partei Die Linke (Foto: DW/P. Kouparanis)
Bild: DW/P. Kouparanis

Am 22. Oktober soll sich der neue Bundestag konstituieren. Sobald er arbeitsfähig ist, will die Linkspartei ihren ersten Coup landen: Einen Gesetzesentwurf für einen flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland. Das Kalkül lautet: Wenn es bis dahin noch keine Regierungskoalition gibt, in der sich SPD oder Grüne an Angela Merkels Union gebunden haben, könnten die grünen und sozialdemokratischen Abgeordneten ja gemeinsam mit der Linken stimmen. Denn alle drei Fraktionen sind für dieses Mindestlohn-Modell, nur über die Höhe des Stundenlohnes gehen die Vorstellungen auseinander. Die Linke will zehn Euro, Grüne und SPD 8,50 Euro. Die Union von Wahlsiegerin Merkel lehnt es dagegen ab, per Gesetz deutschlandweit eine einheitliche Untergrenze der Löhne zu verordnen.

"Wenn SPD und Grüne ihr Wahlprogramm ernst nehmen würden, müssten sie mit uns die Regierung bilden" werben die Politiker der Linken unermüdlich für ein rot-rot-grünes Bündnis. Der Parteivorstand hat am Tag nach der Wahl formell seine Bereitschaft zu Sondierungsgesprächen erklärt und der Co-Parteivorsitzende Bernd Riexinger dozierte vor Journalisten, "die Parteien links des bürgerlichen Lagers haben die Pflicht, in ernsthafte Gespräche miteinander einzutreten, um einen Politikwechsel einzuleiten".

Grüne sehen Geister der Vergangenheit bei der Linken

Das sehen die Angesprochenen ganz anders. SPD und Grüne hatten bereits im Wahlkampf kategorisch ein Bündnis mit der Linkspartei ausgeschlossen. SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück sagte, es sei "nicht vorstellbar, mit einer solchen Partei nach innen und außen verlässliche, kalkulierbare Politik zu machen." Der Vorwurf: Die Linkspartei, die sich offiziell "Die Linke" nennt und etwa 63.000 Mitglieder hat, sei wegen ihrer inneren Zerrissenheit unberechenbar, sie habe - vor allem im Westen - radikale Kommunisten und Sektierer in ihren Reihen, auch in ihrer Bundestagsfraktion. Grünen-Chef Cem Özdemir zählte am Tag nach der Bundstagswahl drei inhaltliche Gründe auf, die gegen die Linken sprächen. Sie tue nach wie vor zu wenig, um die Geister der SED-Vergangenheit des ostdeutschen Teils der Partei loszuwerden, sie akzeptiere die im Grundgesetz verankerte staatliche Schuldenbremse nicht und es fehle das "glasklare Bekenntnis" zur Europäischen Union und zur internationalen Verantwortung.

In der Euro-Krise trennt "Die Linke" tatsächlich einiges von den beiden anderen Parteien. Sie hat im Bundestag bisher gegen alle Euro-Rettungspakete gestimmt. Allerdings stellt sie den Euro nicht in Frage. Ein entsprechender Vorstoß Oskar Lafontaines wurde von der Parteiführung abgewehrt. Denn auch in der Linkspartei weiß man, dass mit dem Ende der Gemeinschaftswährung nicht nur der Süden Europas verelenden, sondern auch viele Jobs in der exportorientierten deutschen Wirtschaft verloren gehen würden. "Den Euro retten, aber anders als Merkel" - auf diese Formel könnte sich das "linke Lager" vielleicht verständigen.

Linke lehnt auch Blauhelm-Einsätze ab

Mit ihrer Forderung nach Auflösung der NATO steht die Linkspartei allein. Doch dürfte die Einsicht, dass keine Bundesregierung derzeit diesen Wunsch erfüllen kann, auch den schärfsten NATO-Kritikern einleuchten, sollte eines Tages eine Regierungsbeteiligung anstehen. Anders ist es mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Hier versteht "Die Linke" keinen Spaß. Sie lehnt sämtliche Auslandseinsätze der Bundeswehr ab und sieht sich durch das Scheitern des Westens in Afghanistan bestätigt. Auf dem Dresdner Linken-Parteitag im Juni dieses Jahres attackierte die Co-Vorsitzende Katja Kipping die Grünen wegen "des Eifers, mit dem diese Partei zuletzt immer wieder Kriegseinsätze im Namen der Menschenrechte befürwortet". Krieg sei die größte denkbare Verletzung von Menschenrechten, man müsse "ja froh sein, dass es keinen grünen Außenminister" gibt. Zwar gibt es innerhalb der Linkspartei Befürworter von Blauhelm-Einsätzen der UN, aber bisher konnten sie sich nicht durchsetzen.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung (Foto: picture-alliance/dpa)
Will sich die Linken vom Leibe halten: Peer SteinbrückBild: picture-alliance/dpa

Niemand in Gysis Partei glaubt ernsthaft, dass es in den nächsten Wochen zu einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis gegen Angela Merkels Union kommt. "Der Zug ist abgefahren", weiß auch Gysi selbst, der alte und wohl auch neue Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Sein Blick richtet sich schon auf 2017. Er sei sicher, dass diesmal zum letzten Mal schon vor der Wahl die Tür für Rot-Rot-Grün zugeschlagen wurde, meint Gysi. Einzelne Politiker aus Landesverbänden der SPD geben ihm Recht. In einigen ostdeutschen Bundesländern hat man bereits Erfahrungen mit rot-roten Bündnissen, in Brandenburg regieren derzeit SPD und Linkspartei zusammen.

Lafontaine weg, doch Misstrauen bleibt

Doch die Bundespolitik ist eine andere Liga, hier blieb die Linkspartei Außenseiter. Schon nach der Bundestagswahl 2009 wurde spekuliert, ein Zusammengehen der SPD mit der Linken könnte es geben, wenn Oskar Lafontaine von der politischen Bühne verschwindet. Der frühere SPD-Vorsitzende hatte gemeinsam mit Gregor Gysi die Linkspartei aus der Taufe gehoben und war zum Feindbild für die SPD geworden. Doch inzwischen ist Lafontaine längst von der bundespolitischen Bühne verschwunden, das Mißtrauen aber bleibt.

Fraglich ist auch, ob 2017 überhaupt noch ein Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei auf der Tagesordnung steht. "Ich weiß nicht, was 2017, 2018, 2020 ist", entgegnete ein genervter SPD-Spitzenkandidat Steinbrück in der Wahlnacht. Dabei hatte er die Koalitionsfähigkeit der Linkspartei im Blick. Doch das gilt auch für seine Partei und besonders die Grünen. Wird man Letztere 2017 noch zum "linken Lager" rechnen können? Und mit der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) ist eine konservative Kraft entstanden, die allein der Linkspartei einige Hunderttausend Protestwähler abspenstig gemacht hat.

Dazu kommt: Im Bundestag mag es eine "linke" Mehrheit geben - an den Wahlurnen aber sah es anders aus. Grund ist die Fünf-Prozent-Hürde, die kleineren Parteien den Einzug in den Bundestag verwehrt. Mit der FDP und der AfD verpassten zwei eher konservative Parteien den Einzug ins Parlament nur sehr knapp. Rechnet man die Stimmen für diese beiden Parteien zu denen der CDU/CSU hinzu, dann hat das "bürgerliche Lager" 51 Prozent der Wählerstimmen. SPD, Grüne und Linke kommen nur auf 43 Prozent. Zum zweiten Mal in Folge sei das "linke Lager" also geschrumpft, stellt Horst Kahrs von der Rosa-Luxemburg-Stiftung fest, die der Linkspartei nahesteht.