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Ein Herz für Tiere

Marc von Lübke-Schwarz19. August 2013

Die Tierschutzpartei fordert mehr Rechte für Tiere und möchte gerne aus den Bürgern Vegetarier machen. Im Wahlkampf setzt sie auf verstörende Bilder und Mitgefühl.

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Auf dem Bild: Demo der Tierschutzpartei in Leipzig gegen das Orgien-Mystherien-Theater von Hermann Nitsch. (Foto: Tierschutzpartei)
Demo der Tierschutzpartei in LeipzigBild: Tierschutzpartei

Wer einen Blick in die Infomaterialien der Tierschutzpartei wirft, braucht starke Nerven. Bilder von zusammengepferchten Schweinen und einem wehrlosen Kaninchen, dem bei einem Tierversuch Flüssigkeit in die Augen gespritzt wird, lassen wahrscheinlich niemanden kalt. Auch die traurigen Blicke von Kühen und Hunden hinter Gitterstäben bleiben nicht ohne Wirkung auf die Betrachter.

Mit dem Slogan "Mitgefühl ist wählbar" wendet sich die "Partei Mensch Umwelt Tierschutz" an alle Wähler, die sich an Tierversuchen und Massentierhaltung stören. Die Tierschutzpartei fordert vor allem eins: Mehr Rechte für Tiere. Um dieses Ziel zu erreichen, kämpft die Partei derzeit für einen Einzug in den Bundestag - es wäre das erste Mal.

Tierschutzpartei will nicht den Bundeskanzler stellen

Die Tierschutzpartei ist eine kleine Partei mit etwa 1.000 Mitgliedern. Diese treten allerdings immer wieder öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. So protestierte die Gruppe im vergangenen Juni in Leipzig unter großer medialer Aufmerksamkeit gegen ein Theaterprojekt des Wiener Künstlers Hermann Nitsch, bei dem Tierkadaver und jede Menge Blut eine entscheidende Rolle spielten. Die Schlachtung von Tieren für künstlerische Zwecke empörte die Parteimitglieder.

Wahlplakat der Tierschutzpartei (Foto: Tierschutzpartei)
Wahlkampf mit MitleidsfaktorBild: picture-alliance/ZB

Große Begeisterung für den Tierschutz treibt Martin Buschmann an. Der Politiker, der sich im Vorstand des Hamburger Landesverband der Tierschutzpartei engagiert, ist ein Idealist: "Wir wollen nicht unbedingt den Bundeskanzler stellen oder den Bundespräsidenten. Darum geht es nicht. Wenn unsere Ziele von den anderen Parteien, die bereits existieren, absorbiert und durchgesetzt werden, dann können wir uns auch auflösen." Solche Worte sind aus dem Mund eines Politikers ungewohnt.

Gegen den Fleischkonsum

Welche Ziele aber will die Tierschutzpartei erreichen? Zwar führt der volle Parteiname die Reihenfolge "Mensch, Umwelt, Tierschutz" auf. Doch merkt man am Kürzel Tierschutzpartei, worauf der Fokus liegt. "Wie der Name schon sagt, ist der Tierschutz unser Schwerpunkt", erklärt die Bundesvorsitzende Barbara Nauheimer. Massentierhaltung wird ebenso kritisiert wie Versuche an Tieren. Nur wenige Bundesbürger seien gegen diese Ansinnen. Doch die Tierschutzpartei hat darüber hinaus auch die Essensgewohnheiten der Deutschen ins Visier genommen. Fleisch soll weitestgehend aus den Speiseplänen verschwinden, da aus ihrer Sicht jede Tötung eines Tieres, das Schmerz empfindet, unmoralisch ist.

"Deswegen fordern wir ja auch, dass grundlegende Rechte den Tieren zugesprochen werden sollten, wie zum Beispiel körperliche Unversehrtheit. Weil auch ein Tier Schmerz fühlt, zum Beispiel bei einem Experiment oder einer Schlachtung", sagt Martin Buschmann. Der Tierschutz in Deutschland ist Teil der Verfassung und zudem in einem eigenen Gesetz geregelt, dessen Grundsatz lautete: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen." Das reicht der Partei aber nicht. Sie fordert unter anderem, dass das Gesetz um Verbote von Tierversuchen und Pelztierzucht erweitert wird.

Der komplette Verzicht auf den Fleischkonsum wird der Wählerschaft wahrscheinlich weitaus schwerer zu vermitteln sein als die Einstellung von Tierversuchen. Dass solche Botschaften keine große Begeisterung auslösen, ist der Partei bewusst. Gleichwohl gelang ihr 2011 ein Achtungserfolg. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt erreichte die Partei 1,6 Prozent der Stimmen - und erreichte damit die nötige Grenze, um staatliche Parteienfinanzierung zu erhalten.

Tierversuche an der Berliner Charité. (Foto: dpa)
Kampf gegen Tierversuche findet Unterstützung - der Appell zum Vegetarismus eher wenigerBild: picture alliance/Rolf Kremming

Einsatz für alle unterdrückten Lebewesen

Auch wenn der Tierschutz im Mittelpunkt steht, engagiert sich die Partei auch für Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger und Rentner. Warum? Weil man sich "für alle unterdrückten und ausgebeuteten Lebewesen engagiert" – so die Begründung der Partei.

Den Eindruck einer reinen Tierschutzpartei weist auch Martin Buschmann zurück: "Wir setzen uns grundsätzlich für alle ein, die keine Lobby haben. Das bedeutet natürlich für die Umwelt, die keine Lobby hat, für Rentner, für Kinder, für Benachteiligte und selbstverständlich auch für Tiere." Die Tierschutzpartei strebt daher eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes an, eine bessere Bildungspolitik, befürwortet den Atomausstieg und lehnt Biosprit ab.

Die Erfinder des "Veggie-Days"

Von der Politik der großen Parteien in Deutschland und insbesondere deren Umweltpolitik sind die Mitglieder der Tierschutzpartei überwiegend enttäuscht. Vor allem die größte ökologische Partei Bündnis 90/Die Grünen konnte ihre Hoffnungen nicht erfüllen. Zuletzt kam es sogar zu einer Art "Plagiatsfall".

Tierschutzpartei demonstriert gegen den Künstler Hermann Nitsch. Foto: Tierschutzpartei
Lebende Tiere in der Kunst? Nicht mit der Tierschutzpartei.Bild: Tierschutzpartei

Mit ihrer Forderung eines vegetarischen Tags – des "Veggie-Days" - in den deutschen Kantinen machen die Grünen gerade mächtig Wahlkampf. Dabei forderte 2009 bereits die Tierschutzpartei in Magdeburg diesen fleischlosen Tag - was medial bislang unbeachtet blieb. So besteht vielleicht auch im Falle eines Nichteinzugs der Tierschutzpartei in den Bundestag die Möglichkeit, dass einige ihrer Ideen von den großen Parteien umgesetzt werden - und wenn es auch nur der "Veggie-Day" ist.