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Konstantin Wecker protestiert gegen die Finanzhaie

24. Oktober 2011

Weltweit gehen die Menschen auf die Straße und wehren sich gegen soziale Ungerechtigkeit. Der Liedermacher Konstantin Wecker unterstützt die Bewegung, in dem er sein Lied "Empört Euch" im Internet zum Download anbietet.

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Konstantin Wecker Foto: Michael Latz/dapd
Bild: dapd

Konstantin Wecker hat eine bewegte Vergangenheit. Der Liedermacher singt seit über dreißig Jahren gegen die Mächtigen und die Machtverhältnisse in der Welt an. 2003 fuhrt er auf eigene Faust in den Irak, um dort für Frieden zu werben. Jetzt erklärt er sich solidarisch mit der "Occupy-Bewegung" gegen soziale Ungerechtigkeit und die Folgen der Finanzkrise. Nun kursiert sein Lied "Empört Euch" im Internet. Ein Gespräch mit dem 64-jährigen Sänger, der in München lebt.

DW-WORLD.DE: In Ihrem Lied "Empört Euch" singen Sie über die soziale Ungerechtigkeit in Deutschland. Jetzt steht es einen Monat lang zum freien Download im Netz und wird auch auf den Facebook-Seiten der Occupy-Organisationen weitergereicht. Ist das die Empörung, die Sie sich wünschen?

Konstantin Wecker: Das ist ein Beitrag zu dieser Bewegung, die mich deshalb begeistert, weil sie so spontan und undogmatisch und ohne ideologischen Unterbau entstand. Fast anarchisch. Damit meine ich, dass nicht wie in den 70ern gewisse Chefideologen das Gedankengebäude bestimmt haben, in dem wir uns bewegen mussten, sondern die Bewegung erdenkt sich selbst und erfindet sich immer wieder neu. So bleibt sie lebendig.

Reicht Ihnen die Empörung dieser Bewegung aus?

Es wird noch viel passieren und wir dürfen nie wieder den Fehler machen, uns in ideologische Korsette zwängen zu lassen. Wir müssen nur darauf achten, offen und in Bewegung zu bleiben. Eine Bewegung ist eben nur solange eine Bewegung, wie sie sich eben bewegt und dadurch etwas bewegt. Das klingt banal, ist aber eine Erkenntnis, die immer wieder gerne vergessen wird. Ich bin nur an Bewegungen interessiert, nicht an starren ideologischen Gedankengebäuden.

Die Proteste in Deutschland laufen noch sehr zaghaft an. Warum bleibt ein Protest der breiten Bevölkerung aus?

War es nicht Heinrich Heine, der sagte, Deutschland sei ein zur Revolution denkbar ungeeignetes Land? Aber da wir nun viel vernetzter sind als früher, wird das auch noch auf Deutschland überschwappen. Da bin ich mir sicher. Spätestens bei der nächsten Finanzkrise, und die kommt sicher, denn dieser Kapitalismus neoliberaler Prägung ist dem Untergang geweiht. Natürlich nicht für einige Wenige, die von der Suppe, die sie uns einbrocken, immer wieder den Rahm abschöpfen. Wir müssen uns geistig vernetzen, neuen Ideen Raum lassen, uns neu erfinden. So viele sind schon im Untergrund tätig, nicht zum Bomben basteln, sondern um schöne wertvolle Gedanken und Ideen in die Welt zu setzen.

Angefangen haben die Proteste mit dem Kampf der Studenten gegen Studiengebühren, dann kam Stuttgart 21 – geht jetzt die ganze Gesellschaft auf die Straße?

Es wird Zeit. Empört euch!

Müssen die Deutschen vielleicht erst einmal wieder lernen, sich zu empören?

Den Deutschen geht es gut. Was sie lernen müssen ist, dass man sich in dieser modernen und vernetzten Welt nicht mehr auf einer kleinen Insel des Wohlstands und der Seligen befindet. Jedes Kind, das an Unterernährung stirbt, hat mit uns zu tun. Wenn wir uns etwas spirituell öffnen, spüren wir das auch.

Was war bei den 68ern anders?

Zu Anfang war das eine grandiose, wertvolle, anarchische und witzige Bewegung. Ohne uns 68er wären noch viel mehr alte Nazis in Amt und Würden geblieben. Doch dann sind wir irgendwann im Eiswasser verschiedener ideologischer Strömungen erfroren. Jetzt taut das Eis wieder auf und die junge Protestbewegung - und die gibt es! - ist viel liebevoller, habe ich den Eindruck.

Warum ist es in den letzten 20 Jahren so uncool geworden, sich für Frieden und Gerechtigkeit zu engagieren?

Weil uns der Neoliberalismus mit seiner Propaganda-Maschinerie überrollt und mundtot gemacht hat. Und weil sich so viele Journalisten haben einfangen lassen von dieser Ideologie. Und weil Politiker, wie Schröder und Fischer, die Lager gewechselt haben und sich ebenfalls haben einfangen lassen von den Verlockungen der Macht.

Glauben Sie, "Occupy" ist erst der Anfang?

Da bin ich mir sicher und ich hoffe, dass die liebevollen und fantasievollen Menschen, die diese Bewegung mittragen nicht wieder von eiskalten und berechnenden Ideologen und Dogmatikern überrollt werden.

Das Gespräch führte Sabine Oelze

Redaktion: Klaus Gehrke