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Die Rückkehr der Boeing 737 MAX nach Europa

Andreas Spaeth
27. Januar 2021

Der Neustart kommt: TUIfly oder Ryanair können nach dem Flugverbot wieder mit der 737 MAX abheben. Aber werden sie überhaupt gebraucht und wollen Passagiere einsteigen?

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Abgestellte Boeing 737 MAX der TUI (Niederlande) auf dem Flughafen Amsterdam
Bild: Andreas Spaeth/DW

Boeings Problemflieger 737 MAX darf auch an den Himmel über Europa zurückkehren. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA mit Sitz in Köln gab am Mittwoch grünes Licht für den Restart, wenn Boeing bestimmten Vorgaben wie Pilotenschulungen nachkommt. Zumindest theoretisch ist also nun der Einsatz möglich, weil in der Praxis kaum eine Airline besonders erpicht darauf erscheint, den früheren Boeing-Bestseller zurückzubringen. Keine Fluggesellschaft braucht derzeit zusätzliche Kapazität - stattdessen ist das Abstellen von Flugzeugen ebenso an der Tagesordnung wie die Verschiebung von Auslieferungen oder sogar das Stornieren von Bestellungen.

Die Auswirkungen der Pandemie treffen die gesamte Luftfahrt hart - und Boeing umso härter. Allein 2020 wurden 641 Bestellungen für die 737 MAX annulliert, weitere 523 entfernte Boeing selbst aus den Büchern, weil ihre Umsetzung zweifelhaft erschien. Damit verbleiben derzeit Bestellungen über exakt 3333 Flugzeuge der 737 MAX, die in den kommenden Jahren ausgeliefert werden sollen. Entsprechend düster sind die Zahlen, die Boeing ebenfalls an diesem Mittwoch verkündete: Für das abgelaufene Geschäftsjahr steht ein Minus von 11,9 Milliarden Dollar in den Büchern. 

Zwei Jahre Arbeit an der Wiederzulassung

Die USA, Kanada und Brasilien hatten den Weg geebnet für die Rückkehr des Typs, seit die jeweiligen Luftsicherheitsbehörden Ende 2020 erstmals seit dem Grounding im März 2019 den erneuten Einsatz im Linienverkehr genehmigten.

Äthiopien Jahrestag Flugzeugabsturz Ethiopian Airlines Flug ET302
Gedenken an die Absturzopfer, hier in Äthiopien am Jahrestag des Flugzeugabsturzes des Ethiopian Airlines Fluges ET302Bild: picture-alliance/AP/M. Ayene

So lange hatte Boeing für ein Re-Design jener Software benötigt und die Behörden dafür, sie akribisch zu testen, die für die beiden Abstürze 2018 und 2019 mitverantwortlich gemacht wird, bei denen 346 Menschen starben. Während andere wichtige Märkte wie China und Indien die 737 MAX noch am Boden halten, ging die Europäische Flugsicherheitsagentur EASA in den vergangenen Tagen in die Offensive, um ihre Entscheidung zur Wiederzulassung zu erläutern.

"Die MAX wird wieder für den Flugbetrieb in Europa freigegeben", hatte der EASA-Generaldirektor Patrick Ky am Montag in einem Hearing des Verkehrsauschusses im Europäischen Parlament gesagt. Ein Team von 20 EASA-Experten hatte zwei Jahre an der Wiederzulassung gearbeitet. "Um wieder fliegen zu können musste das Flugzeug einige Bedingungen erfüllen. Wir haben um Software-Updates gebeten, um Verlegung bestimmter Kabel und einige andere Dinge, die wir im Laufe unserer Zulassungsarbeit entdeckt haben. Außerdem wird für die Piloten einiges an Training nötig sein", so Ky. Boeing seinerseits teilte mit, seit der FAA-Genehmigung habe es 2700 Flüge mit der 737 MAX gegeben. 

Vier Bedingungen

Der EASA-Chef nannte vier Bedingungen die erfüllt sein müssten, bevor seine Behörde die Wiederzulassung von Boeings Bestseller genehmigen würde: Vollständig zu verstehen, was bei beiden Unfällen vorgefallen war. Dann die Probleme jener Systeme zu lösen, die zu den Abstürzen beigetragen hatten, vor allem beim automatischen Trimmungssystem MCAS. Auch bestand die EASA darauf, einige Komponenten selbst zu testen, die die Europäer als sicherheitskritisch empfanden.

Abgestellte 737 MAX auf dem Grant County International Airport in Moses Lake, Washington (Oktober 2019)
Abgestellte 737 MAX auf dem Grant County International Airport in Moses Lake, Washington (Oktober 2019)Bild: Getty Images/D. Ryder

Diese hatte die Behörde bei der ursprünglichen Zulassung der 737 MAX nicht eigens überprüft, damals spielte sie nur eine der federführenden US-Luftfahrtbehörde FAA untergeordnete Rolle. Und vor allem will die EASA sicherstellen, dass die Piloten ausreichend trainiert sind für den Umgang mit der MAX. "Wir haben nun eine Stufe erreicht, wo wir überzeugt sind, dass diese vier Voraussetzungen gegeben sind. Deshalb erlauben wir dem Flugzeug, in den Liniendienst zurückzukehren", erklärte Patrick Ky.

Neue Form der Kooperation

Die 737 MAX-Krise hat zu einer wesentlichen Umwälzung geführt bei Prozessen, die zuvor jahrzehntelang gängige Praxis waren: Bisher übernahmen fast alle anderen Aufsichtsbehörden weltweit Anordnungen und Zulassungen der FAA beinahe automatisch. Dies war nach den jüngsten Erfahrungen nicht mehr durchzuhalten.

"Wir müssen mehr daran arbeiten, unsere Kooperation mit der FAA zu definieren und wie wir uns komplementär ergänzen, nachdem das ja offensichtlich bei der MAX nicht funktioniert hat", betonte der EASA-Chef kürzlich in einem Pressegespräch, wo er auch zugab: "Bei der Wiederzulassung der MAX hatten wir bei Boeing und der FAA volle Transparenz. Das heißt nicht, dass wir völlig auf einer Linie waren und uns immer einig gewesen wären, aber wir haben sehr gut zusammengearbeitet."

Die EASA ist jetzt überzeugt, dass die 737 MAX ein hundertprozentig sicheres Flugzeug ist, nachdem die verlangten Modifikationen erfolgt sind. "Wir haben die 737 MAX sogar ganz ohne MCAS getestet, und sie wäre sogar sicher, ohne das System überhaupt zu benutzen", verriet Ky. Der EASA-Direktor hatte auch gute Nachrichten für den Billigflieger Ryanair, der als größter europäischer Kunde immer noch auf die erste Lieferung von insgesamt 210 Boeing 737 MAX-200 wartet und erst im Dezember 75 weitere Maschinen des Typs bestellte hatte.

Zurückhaltung bei Ferienfliegern

"Wir werden auch für die 200-Version der MAX in diesen Tagen das Zulassungsverfahren einleiten und gehen davon aus, dass sie in den kommenden Wochen erteilt wird, so dass das Flugzeug im Sommer geflogen werden kann."

Weltpremerie: Als erste Fluggesellschaft setzte die Lufthansa 1968 die zweistrahlige Boeing 737-100 im Liniendienst ein
Weltpremerie: Als erste Fluggesellschaft setzte die Lufthansa 1968 die zweistrahlige Boeing 737-100 im Liniendienst einBild: Deutsche Lufthansa

Während Billigflieger wie Ryanair als die ersten Fluggesellschaften gesehen werden, die mit einer Rückkehr von Passagieren rechnen können, sind andere europäische Gesellschaften weniger enthusiastisch. So wie der deutsche Ferienflieger TUIfly, der die erste von 25 bestellten 737 MAX ausgerechnet in jener Nacht im März 2019 bekommen sollte, als das Startverbot verhängt wurde.

"Es ist derzeit vollkommen offen, wann unsere MAX ab Deutschland eingesetzt werden, wir haben ja zur Zeit nur wenige Flüge", sagt Sprecher Aage Dünhaupt. Die deutsch-türkische Ferien-Airline SunExpress hat 42 Boeing 737 MAX bestellt, die nun erst zwischen Ende 2021 und 2028/29 ausgeliefert werden sollen. Viele Passagiere haben in Umfragen angegeben, dass sie zögern würden, in eine 737 MAX einzusteigen.

Deshalb bieten alle Gesellschaften, die sie wieder in Dienst stellen, den Zögernden kostenfreie Umbuchungen auf Flüge mit anderen Flugzeugtypen, aber diese Option wurde seit der Rückkehr der 737 MAX zumindest in den USA und Kanada kaum genutzt. Luftfahrtexperten gehen ohnehin davon aus, dass die meisten Menschen die MAX-Probleme bald vergessen werden, sobald sie sich als solides Arbeitspferd erwiesen hat - genau wie es die Vorgängermodelle der Boeing 737 immer waren, seit die Lufthansa sie als Weltpremiere im Februar 1968 erstmals einsetzte.