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Die Regionalparteien: Im Schatten von Westminster

4. Mai 2005

In allen drei nicht-englischen Regionen des Vereinigten Königreiches sind Parteien aktiv, die sich auf eigene historische und politische Identitäten berufen. Sie verfügen über wenige, dafür relativ "sichere“ Sitze.

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Nicht nur schottischen Nationalisten sitzt das Hemd näher als der britische RockBild: AP

Im britischen Mehrheitswahlrecht sind diese Parteien aufgrund ihrer regionalen und lokalen Hochburgen, in denen sie ausschließlich antreten, relativ bevorzugt. Sie spielen jedoch im britischen Unterhaus nur dann eine entscheidende Rolle, wenn die Mehrheitsverhältnisse prekär sind. Die Schaffung regionaler Parlamente in Schottland, Wales und Nordirland nach dem Machtwechsel 1997 hat den Fokus dieser Parteien teilweise verändert: Die Mitwirkung in der regionalen Arena ist wichtiger geworden als das "Schattendasein“ im Parlament in London.

Schottland

Dies gilt in erster Linie für die schottischen Nationalisten, die Scottish Nationalist Party (SNP). Die SNP sieht ihre eigentliche Aufgabe in der Gewinnung der Macht in Edinburgh, die für die Schaffung weiterer Autonomierechte genutzt werden soll. Die Wahl 2005 ist demnach ein Sprungbrett für die Wahl zum regionalen Parlament in zwei Jahren, bei der die SNP die regierende Koalition von Labour und den Liberal Democrats ablösen will. Bei der letzten Wahl zum Unterhaus 2001 errang die SNP fünf der 72 schottischen Sitze. Die Nationalisten setzen im Wahlkampf stark auf die Vertrauenskrise der Regierung Blair, die neben den Affären um den Irak-Krieg in Schottland auch durch lokal und regional bedeutsame Themen ausgelöst worden ist.

Die Labour Party könnte in Schottland auch aufgrund eines neuen Zuschnitts der Wahlkreise schlechter abschneiden. Die Gesamtzahl der schottischen Sitze ist von 72 auf 59 verringert worden, da die frühere Überrepräsentation Schottlands im britischen Parlament nun aufgrund der Devolution (= parlamentarische Regionalisierung) nicht mehr länger opportun ist. In den größer gewordenen Wahlkreise könnten sich nun neue Mehrheiten für die SNP ergeben, die zu Lasten von Labour gehen würden. Mit der Scottish Socialist Party tritt eine weitere Regionalpartei in Schottland an. Obwohl sie in jedem Wahlkreis einen Kandidaten aufgestellt hat, wird sie wohl nur eine marginale Rolle spielen. Dies gilt im übrigen auch für die britischen Konservativen, die 2001 nur einen Sitz in Schottland gewinnen konnten.

Wales

In Wales verfügen die walisischen Nationalisten, die Plaid Cymru (PC), über einige lokale Hochburgen, primär in Gebieten, in denen Walisisch gesprochen wird. Die PC tritt für kulturelle Autonomie ein und strebt nach einer Ausweitung der im Vergleich zum schottischen Parlament relativ begrenzten Kompetenzen der walisischen Versammlung. Ähnlich wie bei der SNP wird auch bei den walisischen Nationalisten die Unterhauswahl als Vorlage für die Regionalwahlen 2007 gesehen. Eine weitere Parallele zeigt sich im Wahlkampf. Auch die PC setzt auf die Unzufriedenheit mit der Labour Party, die wie in Schottland auch in Wales weitaus stärkste Kraft ist. Neben dem Irak und der Kelly-Affäre sind es wie im Norden der Insel lokale und regionale Themen, die der britischen Regierungspartei zu schaffen machen. Die PC hat bei der letzten Wahl zum Unterhaus vier der vierzig walisischen Sitze gewonnen. Sie konzentriert sich auf einige weitere Wahlkreise, in denen es möglich erscheint, den jeweiligen Vertreter der Labour Party zu verdrängen.

Nordirland

In Nordirland ist ein gänzlich anderes Parteiensystem gegeben; keine der drei großen britischen Parteien tritt dort direkt an. Die entscheidende Konfliktlinie verläuft entlang der Trennung zwischen den beiden großen politischen Lagern, den republikanisch gesinnten Katholiken und den unionistisch gesinnten Protestanten. Auf beiden Seiten hat sich bei der letzten Wahl zum regionalen Parlament in Belfast 2003 jeweils die radikalere Partei gegenüber einer moderateren Gruppierung durchgesetzt.

Auch für die anstehende Unterhauswahl wird ähnliches erwartet. Auf republikanischer Seite wird wohl die der IRA nahe stehende Sinn Féin ihre derzeitige Vertretung von vier Sitzen in Westminster zulasten der Social Democrat and Labour Party (SDLP), die derzeit über drei Sitze verfügt, können; auf unionistischer Seite ist davon auszugehen, dass die wenig kompromissbereite Democratic Unionist Party des Pastors Paisley mit derzeit fünf Sitzen gegenüber der einst führenden Ulster Unionist Party, die momentan sechs Abgeordnete in London hat, zulegen kann. Angesichts der Fragilität des Friedensprozesses gilt in Nordirland noch verstärkt, dass die Wahl zum britischen Unterhaus den Spezifika der Situation in Ulster untergeordnet ist.

Klaus Detterbeck

Dr. Klaus Detterbeck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg. Er beschäftigt sich vornehmlich mit den Parteien und Parteisystemen in Westeuropa, mit Föderalismus und Regionalismus sowie der Dynamik der europäischen
Integration.