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Russland und die Republik Moldau

Vitalie Calugareanu/Robert Schwartz2. März 2015

Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen sorgen in der Europäischen Union und der NATO weiterhin für erhebliche Unruhe. Jetzt ist die kleine Republik Moldau ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

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Transnistrien - Kirche und Denkmal in Tiraspol (Foto: DW/Alexandra Scherle)
Bild: DW/A. Scherle

Die jüngste Warnung der NATO vor einer möglichen Ausweitung der russischen Aggression auf die Republik Moldau hat unterschiedliche Reaktionen in der ehemaligen Sowjetrepublik hervorgerufen. Letzte Woche hatte der NATO-Oberkommandierende, General Philip Breedlove, vor dem amerikanischen Kongress erklärt, die im abtrünnigen Gebiet Transnistrien stationierten russischen Truppen seien dort, um die Republik Moldau "von einer Annäherung an den Westen abzuhalten". Hinzu komme eine breite Informationskampagne, die Moskau über seine Medien in der Republik Moldau betreibe, so Breedlove.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte mit Besorgnis auf die Entwicklungen in der Region reagiert. Nach Gesprächen mit dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis in Berlin sagte Merkel, man hoffe, dass sich das ukrainische Szenario nicht in der Republik Moldau wiederhole. Man dürfe den eingefrorenen Konflikt in Transnistrien nicht vergessen und die Tatsache, dass alle internationalen Versuche, diese Krise zu lösen, gescheitert seien, so Merkel.

Moldawien Chisinau Parlament (Foto: EPA/DUMITRU DORU)
Auch die sogenannte "fünfte Kolonne Russlands" sitzt im moldauischen ParlamentBild: picture-alliance/epa/D. Doru

In Transnistrien sind noch rund 2000 russische Soldaten stationiert, obwohl sich Russland bereits 1999 dazu verpflichtet hatte, Militär und Waffenarsenale abzuziehen. Die separatistische Region hatte sich nach einem blutigen Krieg Anfang der 90er Jahre von der Republik Moldau losgelöst und sich für unabhängig erklärt. Ihre prorussische Führung hofft auf einen Anschluss an die Russische Föderation.

Politischer Schwenk in Chisinau?

Die neue moldauische Regierung hat bisher auf die Alarmsignale kaum reagiert. Das Land wird von einer politischen Krise geschüttelt, die eine stärkere Annäherung des Landes an die EU gefährden könnte. Erst seit zwei Wochen im Amt, versucht Ministerpräsident Chiril Gaburici zwar, die EU davon zu überzeugen, dass die Republik Moldau weiterhin am bisherigen proeuropäischen Kurs festhalten wolle. Doch Kritiker bezweifeln dies.

Die pro-europäische Drei-Parteien-Allianz, die Ende November letzten Jahres die Parlamentswahlen gewonnen hatte, war nicht in der Lage gewesen, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Zwei dieser Parteien, die Liberaldemokraten und die Demokraten, haben nach langem Ringen eine Minderheitsregierung gebildet, die auf die Unterstützung der oppositionellen Kommunisten angewiesen ist. Nun befürchten Europa-Befürworter in der Republik Moldau, dass sich ihr Land in Zukunft Moskau wieder stärker annähern könnte.

Warnungen müssen ernstgenommen werden

Der moldauische Politologe Oazu Nantoi sieht eine ganze Reihe von Gefahrenquellen für sein Land. Im DW-Gespräch sagte er, eine davon sei "die sogenannte fünfte Kolonne Russlands" im moldauischen Parlament. Das sei nicht nur die Sozialistische Partei, die ihren prorussischen Kurs nie verheimlicht habe. Auch Abgeordnete anderer Parteien seinen gegen die proeuropäische Ausrichtung Chisinaus, so Nantoi.

Die Republik Moldau (Moldova) und die Region Transnistrien (Grafik: DW)
Bild: DW

Der Politologe warnte auch vor dem Einfluss Moskaus auf die bevorstehenden Wahlen in der autonomen moldauischen Region Gagausien. Auch dort haben prorussische Separatisten mit einem Anschluss an die Russische Föderation gedroht. Nantoi bestätigte die Informationsoffensive Moskaus, vor der NATO-General Breedlove gewarnt hatte. Russische TV-Kanäle beherrschten den moldauischen Medienmarkt.

Doch die größte Gefahr gehe immer noch von der massiven Korruption und einer schwachen Regierung aus. Ein Staat, der nicht imstande sei, für Recht, Ordnung und politische Stabilität zu sorgen, während an seiner Grenze Krieg herrsche, "wird nicht in der Lage sein, sich der aggresiven Expansionspolitik der Russischen Föderation zu widersetzen", sagte er der DW.

"Die Lage verschärft sich"

Der ehemalige moldauische Botschafter in Moskau, Anatol Taranu, ist der Ansicht, dass sein Land mit neuen Provokationen seitens Russland rechnen muss. "Wenn europäische und amerikanische Politiker auf mögliche Bedrohungen aufmerksam machen, dann ist dies ein klares Zeichen, dass sich die Lage verschärft", sagte Taranu im Gespräch mit der DW. Dies müsse den Regierenden in Chisinau zu bedenken geben, die Sicherheitsstandards zu erhöhen, um mögliche militärische Aktionen zu entschärfen.

Eine relative Sicherheit für die Republik sieht er nur dann gegeben, wenn Chisinau die Beziehungen zur EU und zur NATO vertiefe. Doch er sei skeptisch, ob die neue moldauische Regierung dieses Ziel tatsächlich verfolge. Die Neutralität seines Landes, so wie sie in der moldauischen Verfassung verankert ist, hält er für überholt. Solange russische Truppen auf moldauischem Staatsgebiet stationiert seien, ohne dass es einen entsprechenden Beschluss der Regierung oder des Parlaments in Chisinau gebe, könne man nicht von Neutralität sprechen.

Anatol Taranu (Foto: DW/Alexandra Scherle)
Anatol Taranu rechnet mit neuen Provokationen aus RusslandBild: DW/A. Scherle

Der neue moldauische Verteidigungsminister Viorel Cibotaru sieht allerdings kein konkretes Risiko für eine Ausweitung des Ukraine-Konflikts. Dennoch zeigte er sich besorgt. Alle Verteidigungsstrukturen der Republik Moldau seien in einem permanenten Alarmzustand, um auf die möglichen Risiken sofort zu reagieren, sagte er in einem Zeitungsinterview.

Laut jüngstem Bericht des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) verfügt die moldauische Armee über 5.300 aktive Soldaten. Im Falle eines militärischen Konflikts könnten rund 700.000 Moldauer einberufen werden. Die Waffensysteme der Republik Moldau stammen größtenteils aus der Sowjetzeit. 2014 lag der Verteidigungsetat bei umgerechnet rund 20 Millionen Euro, 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - ähnlich hoch wie das Budget der Akademie der Wissenschaften der Republik.