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SPD in der Krise

19. Januar 2010

Schlechte Wahlergebnisse und Meinungsumfragen machen den Sozialdemokraten zu schaffen. Ihr Status als Volkspartei ist gefährdet. Jetzt stellt der Parteivorstand einen Weg aus der Krise vor - genannt Arbeitsprogramm 2010.

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Sigmar Gabriel (Foto: AP)
Die SPD muss über ihre Politik nachdenken, sagt Parteichef Sigmar GabrielBild: AP

Die SPD übt sich in Geduld, was ihren künftigen Weg angeht. Die Bundestagswahl ging desaströs aus - 23 Prozent der Stimmen, das war das schlechteste Wahlergebnis seit 1949. Und die jüngsten Umfragen sind sogar noch schlechter, da sprachen sich nur noch 22 Prozent der Wähler für die Sozialdemokraten aus. Das wird sich wohl nur langsam ändern. "Die Wähler haben uns mit der Wahl ganz bewusst gesagt, dass sie sich nicht mehr von uns vertreten fühlen und wir über unsere Politik nachdenken sollen", sagte Parteichef Sigmar Gabriel nach einer Klausursitzung des Parteivorstandes im Foyer des Willy-Brandt-Hauses in Berlin. Gabriel will die Partei inhaltlich und strukturell erneuern.

Dahinter steht die Furcht, noch weiter abzurutschen. Die SPD sieht ihren Status als linke Volkspartei bedroht. Gabriel schreibt das in einem Thesenpapier zur Erneuerung der Partei. Nach eigenen Angaben haben seit 1990 immerhin 40 Prozent der Mitglieder die SPD verlassen. Dem soll das jetzt vorgestellte Arbeitsprogramm 2010 des Parteivorstandes entgegenwirken. Das Nachdenken, zu dem die Partei von den Wählern angeregt wurde, wird demnach bald in "programmatischen Zukunftswerkstätten" erfolgen. Der Parteivorstand stellt sich darunter Arbeitskreise vor, "die Alltagsnähe zu den Bürgerinnen und Bürgern und den von ihnen subjektiv empfundenen Problemen" herstellen, wie es im Arbeitsprogramm 2010 heißt.

Altlasten der Regierungszeit

Montagsdemo (Foto: AP)
Altlast Hartz IV: Die Einführung trieb seinerzeit Tausende auf die StraßeBild: AP

Viele Entscheidungen und Kompromisse aus der Regierungszeit belasten die SPD. Ganz vorsichtig geht der Parteivorstand die Diskussion über die umstrittenen Hartz-IV-Gesetze an. Bis Ende Februar soll eine Steuerungsgruppe eine neue Position erarbeiten. Gleichzeitig wird die Parteibasis zu ihrer Einstellung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan befragt. Die gesetzlichen Regelungen zur Leiharbeit beurteilt Gabriel heute als unzureichend. Man habe ein "Scheunentor" für Armutslöhne geöffnet. "Wir wollen, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz so geändert wird, dass nach einer Einarbeitungszeit grundsätzlich das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit gilt." Auch der Atomindustrie wolle man nun entschiedener entgegentreten.

Die SPD soll wieder sie selbst werden und sich auf die Themen besinnen, die die Partei traditionell begleitet haben. "Wir glauben, dass sich die SPD in den kommenden Monaten und Jahren wieder inhaltlich auf Arbeitnehmerpolitik fokussieren soll", sagte Gabriel. Der Parteichef beobachtet, dass viele Migranten und auch ein erheblicher Teil der deutschen Bevölkerung von der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland abgekoppelt seien. Die SPD müsse sich dafür einsetzen, dass künftig sozialer Aufstieg und Teilhabe an der Gesellschaft wieder einfacher werde.

Öffnung der SPD

Steinmeier (Foto: AP)
Traditionelle SPD-Themen: Frank-Walter Steinmeier auf ZechenbesuchBild: AP

Die Partei will sich auch mit einer veränderten Struktur für die Zukunft fit machen. "Wir müssen uns auch für viele gesellschaftliche Gruppen öffnen, die Interesse an Politik haben, aber sich nicht an eine große Organisation binden wollen", sagte Gabriel. Die Partei müsse Partner, Forum und Impulsgeber für gesellschaftlich relevante Dialoge und Diskussionen werden. Wie das genau aussehen soll, muss in den "Zukunftswerkstätten für Deutschland" erst noch herausgefunden werden.

Zum kritischen Nachdenken über einzelne Spitzenpolitiker in seiner Partei fühlte sich Gabriel nach der Klausurtagung nicht angeregt. Etwa über die Rolle des ehemaligen Vizekanzlers und jetzigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier in der letzten Regierung. "Ich kann mich immer nur selbst kritisieren", sagte Gabriel, "ich habe ja auch mitgemacht."

Autor: Heiner Kiesel

Redaktion: Dirk Eckert