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Ein verlässlicher Bündnispartner

31. März 2009

Die NATO muss einen neuen Generalsekretär wählen. Beim aussichtsreichsten Kandidaten, dem Dänen Anders Fogh Rasmussen, hat die Türkei allerdings Bedenken.

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Aif zwei Armen in Uniform sind Zeichen: NATO und Türkei (Foto: AP)
Seit 1952 ist die Türkei Mitglied der NATOBild: AP

Neben Glückwünschen geht es auf dem Jubiläumsgipfel auch um wichtige Entscheidungen. Zum Beispiel der Nachfolger von NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop-Scheffer bestimmt werden. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der dänische MInisterpräsident Anders Fogh Rasmussen. Doch während er im Westen breite Zustimmung findet, hat der NATO-Partner Türkei Bedenken. Der Grund: Viele Muslime bringen Rasmussen noch immer mit den Mohammed-Karikaturen in Verbindung, die 2006 in einer dänischen Zeitung erschienen.

Streitfall "Mohammed-Karikaturen"

Sinan Ülgen bekommt in diesen Tagen viele Anrufe von dänischen Journalisten. Sie wollen von dem Istanbuler Fachmann für Sicherheitspolitik wissen, ob die Türkei die Kandidatur von Anders Fogh Rasmussen für den Posten des NATO-Generalsekretärs blockieren wird. Ankara hat Bedenken gegen den dänischen Ministerpräsidenten, weil Rasmussen es abgelehnt hatte, die für Muslime empörenden Mohammed-Karikaturen dänischer Zeitungen zu kritisieren.

Ein Mann winkt in die Kamera (Foto: AP)
Ob der Däne Fogh Rasmussen der nächste NATO-Generalsekretär wird?Bild: AP

Wie, fragt Ülgen, wolle die NATO mit dieser Personalentscheidung in muslimischen Ländern Sympathien gewinnen, etwa in Afghanistan? Der muslimische Mitgliedsstaat Türkei wirke vertrauensbildend in der Region - das Bündnis allerdings würde mit der Entscheidung für Rasmussen diese Tatsache in Frage stellen: "Für die NATO ist es ein großer Pluspunkt, die Türkei mit dabei zu haben - das zeigt sich gerade in Afghanistan", so Ülgen. Das werde deutlich, wenn man die Arbeit der Wiederaufbauteams der ISAF-Truppen in den verschiedenen Provinzen miteinander vergleiche. Die türkischen Soldaten arbeiteten in einem viel weniger feindlichen Umfeld als die anderen.

Auch bei der Auslandsmission im Kosovo ist es für die NATO von Vorteil, türkische Soldaten in den Reihen der KFOR zu haben - sie wurden anfangs von den Albanern sogar mit Jubel empfangen.

Türkei als Nachbar zu Krisenregionen

Die Türkei war immer ein verlässlicher Verbündeter. Die von Staatsgründer Atatürk verordnete Westorientierung führte das Land schon 1952 ins transatlantische Bündnis. Bis zum Ende des kalten Krieges standen die türkischen Streitkräfte an der längsten direkten Grenze zwischen NATO und damaliger Sowjetunion.

Heute steht das Land an der Schwelle zu den Krisenregionen Kaukasus und Naher Osten und wacht über wichtige Gas- und Ölkorridore nach Europa. Im Westen kritisch beäugt wird allerdings die starke Stellung des Militärs in der Türkei. Der Generalstabschef ist mächtiger als der Verteidigungsminister, und in den vergangenen Jahrzehnten fühlten sich die Generäle mehrfach berufen, das Land durch einen Putsch vor vermeintlichen Gefahren zu retten. "Die Türkei ist heute ein demokratischerer Staat, in dem die Rolle des Militärs nicht mehr so dominierend ist", sagt dagegen Sinan Ülgen. Die Bedeutung von Sicherheitsfragen in der Öffentlichkeit bleibe wegen der geografischen Lage des Landes aber vorerst größer als in anderen NATO-Staaten.

NATO-Mitgliedschaft als Säule türkischer Außenpolitik

Eine Türkei- und eine NATO-Flagge wehen im Wind (Foto: dpa)
Die Türkei stellt die zweitgrößte Streitmacht im BündnisBild: dpa

Streit zwischen dem Brüsseler NATO-Hauptquartier und Ankara gab es in letzter Zeit immer wieder um die Frage, inwieweit die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ESVP, mit der NATO-Strategie verzahnt werden sollte. Die Türkei gehört nicht der Union an und sieht sich von vielen EU-Mitgliedern auch nicht willkommen. Einer Harmonisierung beider Sicherheitskonzepte stehe sie nicht im Wege, lautet die Position der Türkei. Nur sollten strategische Entscheidungen von ESVP und NATO unter Beteiligung aller NATO-Mitglieder getroffen werden - und nicht bloß von denjenigen, die zugleich auch EU-Mitglied sind. Da sie die zweitgrößte Streitmacht im Bündnis stellen, wollen sich die Türken nicht so einfach vor die Tür schicken lassen.

Zwar bringen türkische Nationalisten nach solchen Querelen regelmäßig Alternativen zu EU und NATO ins Gespräch - etwa eine stärkere Annäherung an Russland. Doch das seien Minderheitenmeinungen, sagt Sicherheitsexperte Sinan Ülgen. Die NATO-Mitgliedschaft bleibe eine Säule türkischer Außenpolitik. "Die NATO hat in den letzten Jahrzehnten von der Türkei profitiert, aber das gleiche gilt auch umgekehrt. Das wird auch so bleiben", so Ülgen. "Anders als in vielen westlichen europäischen Ländern gibt es in der Türkei ein verbreitetes Gefühl der Bedrohung - sei es der auseinander fallende Irak, die drohende Atommacht Iran oder der PKK-Terror." In all diesen Fragen sehe die Türkei den Nutzen des Bündnisses. "Darum ist die türkische NATO-Mitgliedschaft auch von keinem vernünftigen Politiker im Land in Frage gestellt."



Autor: Gunnar Köhne

Redaktion: Mareike Röwekamp