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Die Unruhe des Herzens

22. März 2014

Nicht gestillte Sehnsüchte können zur Sucht werden und nicht gelebtes Leben einen Durst auslösen, den kein Wasser stillen kann – außer das Wasser des Lebens, so Pater Hans Peters von der katholischen Kirche.

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Christus und die Samariterin am Jakobsbrunnen Gemälde von Lucas Cranach
Christus und die Samariterin am Jakobsbrunnen (Lucas Cranach d. Ä. 1472-1553)Bild: picture alliance/akg-images

Ohne Wasser – kein Leben, davon kann sie ein Lied singen, die Frau, die da jeden Tag an diesen Brunnen kommt, kommen muss, um Wasser zu schöpfen. Meistens kommt sie um die Mittagszeit, da trifft sie niemanden, vor allen Dingen nicht die Frauen des Dorfes, die wissen, was für eine sie ist und die mit ihrem Urteil darüber nicht zurück halten: jetzt schon den sechsten Mann, und der ist nicht einmal ihr Mann. Aber heute ist alles anders: da sitzt ein Mann, von der Kleidung her ein Jude, und er bittet sie um Wasser. Das gibt es doch nicht, Juden haben mit Samaritern nichts zu tun, sie gelten ihnen als unrein, sie haben nicht die wahre Religion. Was dieser Mann wohl von ihr will? Und schon beginnt eine Geschichte: von Wasser, vom Durst, von ihrem Leben, von seinem lebendigen Wasser, das wirklich den Durst löscht, für immer, wie er sagt.

Beklemmende Wahrheit

Wir sind im 4. Kapitel des Johannesevangeliums, es gehört fest in die Fastenzeit: Jesus mit der Samariterin am Jakobsbrunnen. Ein Gespräch über alltägliche Dinge: die Mühe des Wasserholens, der Durst, der jeden Tag gestillt werden will, und dann aber plötzlich eine Wendung: ihre Lebensgeschichte kommt zur Sprache, eine Geschichte, auf die sie eigentlich nicht angesprochen werden will. Aber er spricht die ganze Wahrheit aus, die Wahrheit über sie, die gar nicht so schöne, und sie merkt – das Überraschende: ich brauche mich nicht zu schämen.

Sie weiß, wenn der Messias kommt, wird er uns alles verkünden: die ganze Wahrheit über Gott und die Welt, über uns selbst, unsere Lebenswahrheit. Ob es sie danach dürstete: dass ihre ganze Lebenswahrheit einmal zur Sprache kommen könnte und dass sie mit der ganzen Geschichte ihres Lebens angenommen würde? Wenn doch endlich jemand käme, der so mit ihr umgehen würde – und dann völlig unerwartet: Ich bin es, ich, der mit dir redet (Jo. 4, 26). Hier werden Lebensthemen angesprochen: Der Durst nach Leben, der Durst nach Liebe, der Durst danach, angenommen zu werden, bejaht zu werden mit der Lebensgeschichte, wie auch immer sie sei. Wer sehnte sich nicht danach, ist der Alltag doch manchmal so sparsam, wenn es um solche Erfahrungen geht.

Bejaht mit deiner ganzen Geschichte

Und so manche Sucht, so man denn tiefer bohrt, könnte hier eine Erklärung finden: Nicht gestillte Sehnsüchte können zur Sucht werde. Es geht um jene Sehnsüchte, die sich immer wieder verstecken in jenen nagende Fragen wie: ob es wohl genügt, was ich zu bieten habe, für den Partner, für meine Kinder, die Umgebung, ja für Gott? Wer zu Jesus kommt, zum Glauben kommt, darf sich gesagt sein lassen: hier wirst du angenommen, bejaht mit deiner ganzen Geschichte, gerade auch mit der, die du lieber verbergen würdest, die aber doch auch zu dir gehört. Konkret sind es jene Geschichten, die wir eher als Mängelexemplare des eigenen Lebens sehen. Der Messias wird uns alles offenbaren, die Wahrheit, die Lebenswahrheit über mich, die Wahrheit über Gott, heißt es im Evangelium. Wer von dieser Wahrheit, Lebenswahrheit, trinkt, muss nicht mehr verzweifelt suchen. Er darf wissen: Er ist angekommen am Brunnen, an der Quelle, weil angenommen, bejaht.

Das alles ist keine Kurztherapie für offenkundiges Suchtverhalten, aber es legt eine Spur, wo unsere tiefste Sehnsucht, geliebt und angenommen zu werden, ihre Richtung, ihren Ort finden könnte, wie es uns ein Beter in den Psalmen vorbetet: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres lechzendes Land ohne Wasser“ (Ps. 63). Der heilige Augustinus, der lange auf Abwegen suchte und unter Mühen zum Brunnen fand, drückt es so aus: „Zu dir hin hast du uns geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“, unser Herz, unsere Seele, unser Leib, ich selbst.

Pater Hans Peters SVD, Steyler Missionar, Goch
Pater Hans Peters SVDBild: DBK

Zum Autor:

P. Hans Peters SVD gehört seit 1967 dem Orden der Steyler Missionare an, in dem er in vielen verschiedenen Funktionen gewirkt hat und bis heute wirkt. Dazu gehörten in der Vergangenheit zum Beispiel Jugendarbeit, die Tätigkeit als Novizenmeister, das Rektorat des Missionshauses St. Michael in Steyl (Niederlande). Seit 2008 arbeitet er der gefragte Seelsorger und Lebensberater als Wallfahrtsseelsorger in Goch am Niederrhein. Seit 1994 schreibt er regelmäßig für die christliche Familienzeitschrift „Stadt Gottes“.