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"Die Unschuld des thailändischen Frühlings ist weg"

12. April 2010

Mehr als 20 Menschen sind am Wochenende bei den Protesten in Bangkok getötet worden. Die blutigen Unruhen in Thailand sind am Montag Thema auf den Kommentarseiten der deutschen Tageszeitungen.

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Bild: DW

Süddeutsche Zeitung, München:

"Es sind bedrückende Szenen. Thailands Hauptstadt Bangkok erlebte am Wochenende heftige Straßenschlachten. 20 Menschen starben, mehr als 800 wurden verletzt. Dennoch: Die beiden Konfliktparteien geben sich trotz des Blutvergießens kompromisslos. Die Regierung will keine Neuwahlen ausrufen, die Demonstranten ihre Belagerung zentraler Plätze fortsetzen. Dies zeigt, wie tief gespalten das Land ist. (...) In Bangkok protestieren denn auch Menschen, die mehr Demokratie einfordern. Der König, von vielen Thais als gottgleich verehrt, hat sich früher zu solchen Konflikten geäußert, die Kontrahenten besänftigen können. Aber er ist schwerkrank, der Palast bleibt stumm. Es bräuchte dringend einen Vermittler, der eine Regierung auf den Weg bringt, in der beide Seiten vertreten sind. Einen anderen Weg aus der Dauerkrise gibt es nicht."

Die Welt, Berlin:

"Die Situation ist verfahren: Die Opposition in ihren roten T-Shirts will Neuwahlen erzwingen. Durch Sturheit. Während die Regierung die Situation ebenso stoisch auszusitzen hofft. Ein Balanceakt: Beide hatten geschworen, keine Gewalt anzuwenden, aber beide haben sich nicht daran gehalten, weil keiner nachgeben will. Beide fürchten den Gesichtsverlust. Die Grenze zwischen friedlich-fröhlichem Volksprotest und Chaos ist überschritten. Die Unschuld des thailändischen Frühlings vier Jahre nach dem letzten Militärputsch ist dahin. Und leider hat sich keine der beiden Seiten von dieser so lange gefürchteten Eskalation wachrütteln lassen."

Frankfurter Rundschau:

"In kaum einem anderen demokratischen Staat hätte es eine Regierung gewagt, unter so fadenscheinigen Vorwänden einen Notstand zu verkünden und die regierungskritische Presse mundtot zu machen wie die derzeit amtierende thailändische. In keiner anderen konstitutionellen Monarchie werden Bürger wegen des lächerlichen Vorwurfs der Majestätsbeleidigung für zehn Jahre und mehr hinter Gitter gesteckt. Und ebenfalls nur in Thailand kann es passieren, dass das Militär sich nach vergeblichem halbtägigen Straßenkampf gegen Demonstranten zurückzieht und verkündet 'Auftrag ohne großes Blutvergießen unmöglich.' Willkommen in Thailand, dem 'Land des Lächens', in dem bald nichts mehr so sein wird, wie es während der vergangenen 60 Jahre war."

Neue Osnabrücker Zeitung:

"Mal legen die in Gelb gekleideten Anhänger von Kapital und König den Flughafen lahm, dann wieder stürmen die Rothemden der Gegenseite das Parlament. Doch immer leidet das Land, der Blutzoll steigt. Stets lauert das Gespenst eines Bürgerkriegs. Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva steckt in einer Zwickmühle. Gibt er dem Protest (...) nach und veranlasst Neuwahlen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Gelbhemden wie schon 2008 auf die Straße gehen. Versucht Abhisit jedoch, die Massen mit Militär in Schach zu halten, rückt Gewalt an die Stelle der so dringend notwendigen Versöhnung. Egal, wie der Premier sich entscheidet: Den Chefsessel wäre er wohl los. Das ist insofern bedauerlich, als seine Bemühungen, die Wirtschaft mit einem Konjunkturprogramm anzukurbeln, erste Früchte tragen. Allerdings haftet auch Abhisit der Makel an, allein per Protest und Parteienverbot an die Macht gelangt zu sein."

Autor: Esther Broders
Redaktion: Carolin Hebig