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Die USA: Endlich ein Global Player?

Eckhard Tollkühn 17. Juni 2002

Die USA stehen Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft: Plötzlich haben sogar die Amerikaner mit dem runden "Soccer"-Leder ihren Spaß, berichtet DW-Korrespondent Eckhard Tollkühn.

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Die amerikanische Bevölkerung steht nicht gerade Kopf, aber ein Anflug von Begeisterung für die Weltmeisterschaft ist schon spürbar. Das Stiefkind unter den Ballspielen in Nordamerika mausert sich.

Wie manchmal der Appetit beim Essen kommt, so scheint in den USA die Lust am Fußball - oder "Soccer", wie man auf Amerikanisch sagt - mit den zunehmenden Erfolgen des eigenen Teams zu wachsen. Das bisher unerwartet gute Abschneiden der US-Elf findet sogar auf den Titelseiten der amerikanischen Tageszeitungen Beachtung.

Vor der WM mußte man nach "Soccer"-Spielberichten sogar in den Sportseiten lange suchen. Zugegeben, das 1:3 gegen Polen dämpfte den Enthusiasmus wieder ein wenig. Aber das Spiel ums Achtelfinale ist längst Geschichte, die Amerikaner sind inzwischen in der nächsten Runde, das allein zählt. Wenn das Team zu nachtschlafender Zeit spielt, dann gehen in vielen amerikanischen Schlafzimmern die Lichter an.

Dem Fußballfan in den USA gefällt, dass die WM weniger berechenbar geworden ist. Seit Jahrzehnten gab die Elite aus Europa und Lateinamerika den Ton an. In 72 Jahren haben nur sieben Nationen die WM-Trophäe gewonnen. Diese Phalanx ist jetzt brüchig geworden. Das macht das Spiel für die Amerikaner reizvoller.

Aber machen wir uns nichts vor. Fußball in den USA ist noch weit davon entfernt, zum Volkssport zu werden. Das amerikanische Publikum hasst den Mangel an Toren. Deswegen hat man in den USA einen neuen Fußball entwickelt, der schneller fliegt und damit mehr Tore verspricht. Aber die FIFA will von solchem Spielkram der Greenhorns aus Amerika nichts wissen.

Die amerikanischen Sponsoren beklagen die langen werbefreien Strecken bei der Fernsehübertragung. Bei der WM in den USA vor 8 Jahren schlugen sie vor, die Spielzeit zu vierteilen statt zu halbieren, um mehr Spots unterzubringen. Wieder stellte sich die FIFA quer. Fazit: Die Amerikaner haben nichts gegen den Fußballsport. Er muss nur anständig organisiert werden.

Aber bis auf weiteres muss man wohl noch den alten Regeln folgen. Und wie man sieht, geht es ja auch in Amerika. Die amerikanischen Frauen sind zweimalige Weltmeister. Auf der Schulebene ist Fußball schon jetzt ein Massensport. Aber eben nur da. Das hat auch seine Vorteile, meint US-Mannschaftskapitän Claudio Reyna: "Wir sind nicht dem gleichen Druck ausgesetzt wie die Teams aus England, Brasilien oder Deutschland. Bei denen kaut das gesamte Volk an den Nägeln, bei uns nur eine Minderheit."

Und so hoffen die Fans, dass ihr Team befreit aufspielen kann und noch so manchen Gegner auf der Strecke läßt. "Wenn sie so weitermachen", so ein Kommentator, "dann schlagen sie womöglich noch ihre eigenen Frauen."