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Die V-Mann-Falle

Thomas Kohlmann8. Oktober 2002

Das Bundesverfassungsgericht will klären, wie es beim Verbotsverfahren gegen die NPD weitergehen soll. Der Ausgang ist völlig offen.

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Bild: AP

Wenn beim Bundesverfassungsgericht am 8. Oktober das NPD-Parteiverbotsverfahren auf der Tagesordnung steht, dann sind weder Zeugen geladen, noch gibt es die üblichen Anhörungen. Zum ersten Mal in der Geschichte des obersten deutschen Gerichts haben die Verfassungsrichter die juristischen Kontrahenten zu einem "Erörterungstermin" nach Karlsruhe geladen. Bundesinnenminister Otto Schily und seine Ressort-Kollegen Günther Beckstein aus Bayern und Heiner Bartling aus Niedersachsen müssen dann noch einmal Stellung nehmen zu den Auswirkungen der V-Mann-Affäre auf das beantragte Verbotsverfahren gegen die NPD.

Im Februar wurden die bereits anberaumten Vehandlungstermine wieder abgeblasen: In letzter Minute war herausgekommen, dass mindestens einer der 14 zur Anhörung geladenen NPD-Funktionäre, der Spitzenfunktionär Wolfgang Frenz, für den Verfassungsschutz gearbeitet hatte. Dabei blieb es jedoch nicht - immer mehr NPD-Anhörungszeugen arbeiteten gleichzeitig für den Verfassungsschutz. Peinlich für den Bundesinnennminister, der von den Aktivitäten des Verfassungsschutzes nichts gewusst haben will.

Der Schatten des Verfassungsschutzes

Seitdem verbreitet der Prozessbevollmächtigte der NPD, Horst Mahler, der Verfassungsschutz habe die NPD gesteuert. Er wittert zudem eine Verschwörung der Geheimdienstes – inklusive der CIA – zur Zerschlagung der NPD. Tatsächlich steht nahezu jeder siebte Top-Funktionär der 200 NPD-Vorstandsmitglieder, so wird mittlerweile offiziell eingeräumt, seit Jahren in der Mitarbeiterkartei des Verfassungsschutzes. Eine Staatsquote, die es in sich hat und in Karlsruhe wohl eines der Haupt-Themen sein wird.

Themen des Erörterungstermins sind nach Angaben einer Karlsruher Gerichtsprecherin der Einfluss der V-Leute auf das Erscheinungsbild der NPD und ob es bei der Überwachung der rechtsextremistischen Partei und der Anwerbung und Führung der V-Leute immer mit rechten Dingen zugegangen ist. Letzendlich müssen die Verfassungsrichter entscheiden, ob sie auf der Nennung weiterer Namen von V-Leuten bestehen. Das könnte unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Beklagten - im juristendeutsch "in camera" genannt - geschehen. Dies ist jedoch rechtlich äußerst umstritten. Nach dem Erörterungstermin wollen die Karlsruher Richter entscheiden, ob es in dem Parteiverbotsverfahren eine mündliche Verhandlung geben wird und wie dann das Procedere bei der Beweisaufnahme aussehen soll.

Alte Bekannte: Schily und Mahler

Besonders spannend dürfte am das Aufeinandertreffen von Horst Mahler und Otto Schily werden. Der heutige Bundesinnenminister hatte in den 1970er Jahren den früheren Anwalt Mahler und Mitbegründer der Rote Armee Fraktion (RAF) verteidigt. Bereits während seiner zehnjährigen Gefängnishaft distanzierte sich Mahler vom Terrorismus. Ende der 1990er Jahre mutierte der Weggefährte von Andreas Baader und Ulrike Meinhoff dann zum Chef-Ideologen der NPD.

Otto Schily hat sich dagegen über den Umweg bei den Grünen vom RAF-Anwalt, der die Terroristin Gudrun Ennslin verteidigte, zum SPD-Minister und Verteidiger von Recht und Ordnung gewandelt.