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Der Berliner Verbrecher Verlag

22. September 2010

Es gibt zwar viele, aber nicht genug gute Bücher - fanden zwei junge Männer in Berlin. Also haben sie sich selber ans Verlegen gemacht. Mit recht unkonventionellen Methoden.

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Logo Verbrecher Verlag

Werner Labisch glaubt nicht alles, was man ihm so erzählt. Zum Glück. Um die Jahrtausendwende zum Beispiel, mitten im großen Internet-Hype, hatten ihm Freunde, gute Bekannte und allerlei Besserwisser gesagt, dass es nun vorbei wäre mit dem Lesen und mit den Büchern. Werner Labisch hat trotzdem zusammen mit seinem Studienfreund Jörg Sundermeier einen Verlag gegründet. In dem sind mittlerweile rund 160 Titel erschienen, die sich rein äußerlich meist ziemlich ähnlich sehen – nur Schrift auf dem Cover und keine Bilder.

Konsequenter Übermut

Auch das ginge nicht, haben ihm die Freunde, Bekannten und Besserwisser gesagt, die überhaupt ziemlich häufig wussten, was man nicht machen kann. Aber, kokettiert Werner Labisch, wenn er jetzt seine Bücher in einer Reihe auf der Buchmesse aufstelle, "dann bleiben die Leute stehen und sagen: Oh, das ist toll! Das ist großartig! Super Idee".

Flash-Galerie Montage Cover Bitte nicht freundlich, Chaim Noll, Cover Spinnewipp
Links: Cover "Bitte nicht freundlich", Mitte: Autor Chaim Noll, Rechts: Cover "Spinnewipp"Bild: Alexander Janetzko/Verbrecher Verlag/DW-Montage

Die Thriller, Romane und Erzählungen, die er verlegt, haben Autoren geschrieben, die großen Leserkreisen nicht unbedingt bekannt sind - Anton Waldt, Sarah Schmidt, Darius James, Gisela Elsner oder Giwi Margwelaschwili. Sie tragen so schöne Titel wie "Froggie Chocolates Weihnachtsabend", "Otto, der Großaktionär", oder "Bitte nicht freundlich", und sie alle haben neben den Buchstaben noch eine kleine Kritzelei auf dem Cover: ein Strichmännchen mit einer Pistole in der Hand und ein anderes, das die Arme hochreißt – das Logo des Verlags, der einen einigermaßen unseriösen Namen trägt: Verbrecher Verlag.

Schätze heben

Am Anfang, sagt Werner Labisch, wollten sie von Autoren Manuskripte "schnorren". Denn sein Studienfreund Jörg Sundermeier und er wussten, dass manch einer oder eine noch so einiges in der Schublade liegen hat. Sie hätten dann überlegt, wie sie am besten an diese ungehobenen Schätze kommen. "Schreiben wir da einfach hin und sagen, wir sind Literaturstudenten und interessieren uns? Nee, das wollten wir nicht. Und dann haben wir gedacht, wir tun einfach so, als seien wir ein Verlag. Und um die Hoffnung der Autoren nicht überkochen zu lassen, haben wir uns diesen Namen gegeben".

Die kesse Aktion der beiden Studenten war ungeahnt erfolgreich. Sie erhielten nämlich ein Manuskript, das so gut war, dass es einfach veröffentlicht werden musste. Also haben sie mit ein bisschen Geld entsprechende Geschäftsstrukturen geschaffen und ihr erstes Buch verlegt. Das war 1995. Anschließend, sagt Werner Labisch, hätten er und Jörg Sundermeier ein paar Projekte gemacht, bis sie 1999 dann ganz ernsthafte Verleger geworden sind.

Flash-Galerie Montage Anton Waldt, Cover Unsere Popmoderne und Nino Haratischwili
Links:Autor Anton Waldt, Mitte: Cover" Unsere Popmoderne", Rechts: Autorin Nino HaratischwiliBild: Alexander Janetzko/Verbrecher Verlag/DW-Montage

Die Verbrecher-Verleger interessieren sich für gute Texte, die bei den großen Verlagen nicht unterkommen. Denen wollen sie wie Hebammen auf die Welt helfen. Angefangen haben sie mit einem Text von Dietmar Dath, dessen Bücher jetzt auch bei Suhrkamp verlegt werden. "Wir haben aktuelle junge Talente in unserem Verlag. Und wir versuchen auch, ältere Schriftsteller wieder zu entdecken", sagt Labisch.

Mut und Ausdauer

Zu diesen wieder entdeckten älteren Schriftstellern gehören der über 80 Jahre alte Rudolf Lorenzen, von dem in diesem Herbst eine Familiengeschichte der Lieblosigkeiten erscheint, die kompromisslose Kulturkritikerin Gisela Elsner, die sich 1992 das Leben nahm, oder der Romancier Peter O. Chotjewitz mit seinen letzten Erzählungen. "Wir machen so ein bisschen die Sachen, die andere sich nicht trauen", sagt Werner Labisch. "Und wir wissen natürlich, dass man länger durchhalten muss, um Leute nach vorne zu bringen und ins Rampenlicht zu rücken".

Eben das funktioniert zunehmend besser. Insbesondere Buchhändler, die sich wirklich als Sortimenter verstehen, schätzen das Verlagsprogramm, das Presseecho wird immer lebhafter, und die Neugier geneigter Leser und Leserinnen ist ungebrochen. Das zeigt sich nicht zuletzt bei den "Verbrecherversammlungen", die jeden Dienstag in Berlin stattfinden und mit Musik, Diskussionen und Lesungen zu einer Art Institution geworden sind. Wenn er sich was wünschen dürfte, sagt Werner Labisch, dann, dass der Erfolg weiter so stetig wächst. So dass er und sein Kompagnon Jörg Sundermeier auf ihre Nebenjobs verzichten und noch ein paar mehr Leute einstellen könnten.

Autorin: Silke Bartlick

Redaktion: Marlis Schaum