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Gerechte Verteilung

17. Februar 2012

Die Bevölkerung wächst rasant. Wenn alle ernährt werden sollen, muss die Lebensmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden, sagt der Exekutivdirektor des UN-Bevölkerungsfonds, Babatunde Osotimehin zur DW.

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Babatunde Osotimehin, Generalsekretär des UN-Bevölkerungsfonds (Foto: UN)
Babatunde Osotimehin, Generalsekretär des UN-BevölkerungsfondsBild: Vereinte Nationen

Die Weltbevölkerung wächst jährlich um gut 78 Millionen Menschen. Weltweit werden jede Sekunde statistisch gesehen 2,6 Menschen geboren. Im 20. Jahrhundert hat sich die Zahl der Menschen auf der Erde nahezu vervierfacht. Bis Mitte des 21. Jahrhunderts werden nach UN-Schätzungen mehr als neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Schon jetzt leidet einen Milliarde Menschen an Hunger und Unterernährung. Gleichzeitig trägt schon jetzt die wachsende landwirtschaftliche Produktion, vor allem die Tierzucht, zu einer Beschleunigung des Klimawandels bei.

DW: Herr Babatunde Osotimehin - Mitte des letzten Jahres ist der sieben Milliardste Mensch auf den Philippinen zur Welt gekommen – Zeit den Alarmknopf zu drücken?

Osotimehin: Medien wollen immer etwas Alarmierendes finden (lacht). Ich denke wir müssen hinter diese Zahlen schauen. Da geht es um die Lebensqualität dieser sieben Milliarden Menschen, um Fragen der Gerechtigkeit und um die Möglichkeit die Menschen auch mit Bildung zu erreichen und ihnen Nahrung zu geben.

Welche Bevölkerungsszenarien zeichnen sich denn momentan ab?

Es gibt drei Typen der Bevölkerungsentwicklung. Die Teile der Welt, wo die Bevölkerung rasant wächst - schneller als es die Volkswirtschaften verkraften. Das beobachten wir vor allem in Afrika und im Süden Asiens. Dann gibt es Regionen, wo das Bevölkerungswachstum zwar stabil ist, aber die Abwanderung in andere Länder Probleme bereit, so zum Beispiel in Lateinamerika, Osteuropa und Zentralasien. Und dann sind da noch die Länder, in denen die Bevölkerung schrumpft, zum Beispiel in Nordeuropa, beispielsweise Deutschland, in Japan, aber auch in China und Russland.

Was unternehmen Sie in Ländern, in denen die Bevölkerung zu schnell wächst?

Danica Camacho von den Philippinen (Foto: AP)
Danica war der sieben Milliardste MenschBild: AP

Unser Einsatz unterscheidet sich von Fall zu Fall. In Ländern, wo die Bevölkerung sehr schnell wächst, sprechen wir mit den Regierungen und machen uns vor allem für Bildung von jungen Frauen stark. Die Frauen sollen Kinder freiwillig bekommen können und es muss gewährleistet sein, dass dies in einem sicheren Umfeld geschieht.

Bevölkerungswachstum auf der einen Seite und wirtschaftliche Entwicklung auf der anderen. Wo liegt der Zusammenhang?

Länder, in denen das Bevölkerungswachstum zurückgegangen ist, haben meist eine Phase wirtschaftlicher Entwicklung hinter sich. Aber wir messen Wachstum immer mit großen Zahlen wie beispielsweise dem Bruttoinlandsprodukt – damit vergessen wir ganz oft, dass es innerhalb der Gesellschaften eben auch noch Untergruppen gibt, die oftmals gar nicht richtig an der Wirtschaft teilhaben.

Jetzt kämpfen auch die Industrieländer, wie beispielsweise Deutschland mit einer schrumpfenden Bevölkerung – gefährdet das die Volkswirtschaften?

Auf jeden Fall. Die Produktivität hängt von einer kritischen Masse junger Menschen ab, die eben in der Lage sind, das System am Laufen zu halten. Deshalb sehen wir, dass immer mehr Ländern Anreizsysteme schaffen, damit die Menschen mehr Kinder bekommen. Japan beispielsweise gibt viel Geld aus, um das zu erreichen.

Was muss passieren, damit die Welt nicht irgendwann platzt?

Es müssen mehrere Dinge sichergestellt werden: Der Zugang zu Wasser und sanitäre Anlagen und Nahrungssicherheit. Unsere Berechnungen haben ergeben, dass wir 70 Prozent mehr Nahrungsmittel brauchen, als wir heute produzieren, wenn wir die neun Milliarden Grenze erreicht haben. Die Verteilungssysteme müssen besser werden: In einigen Teilen der Welt werden Nahrungsmittel weggeworfen, in anderen Teilen der Welt gibt es nichts zu Essen. Mit der gerechten Verteilung von diesen Gütern steht und fällt das Wohl der Welt.

Das Interview führte Nicolas Martin
Redaktion: Insa Wrede