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Die Wahlen als Chance

Khaula Saleh26. Januar 2005

Trotz Terror und Drohungen lässt die bevorstehende Wahl im Irak auch Raum für Hoffnung. Der Wandlungsprozess in der Region braucht jedoch Zeit. Ein Kommentar von Khaula Saleh.

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Für den Irak und seine Bevölkerung sind die ersten freien Parlamentswahlen eines der wichtigsten Ereignisse seit Erlangung der Unabhängigkeit 1921. Und natürlich: Die Risiken sind groß, die Terrordrohungen müssen ernst genommen werden.

Aber wenn die Wahlen insgesamt erfolgreich verlaufen und das gewählte Parlament auf breite Akzeptanz stößt, dann können die Wahlen langfristig tatsächlich genau das bewirken, was sich die USA von ihnen erhoffen: den Anfang eines tief greifenden Wandlungsprozesses in der Region. Denn ein erfolgreicher Urnengang hätte gewiss Auswirkungen auf die arabischen Nachbarländer: Die dort herrschenden Regime fürchten, dass dann auch in ihren Ländern der Ruf nach mehr Demokratie erschallen könnte.

Das Festhalten am Wahltermin trotz ständiger Terroranschläge und immer schärferer Drohungen ist richtig. Denn eine Aufschiebung würde bedeuten, dass es letztlich nur noch länger dauert, bis irgendwann wieder Ordnung im Irak einkehrt. Ein Aufschub wäre zudem auch ein Etappensieg für all jene Kräfte, die eine Stabilisierung und demokratische Entwicklung im Irak unbedingt verhindern wollen.

Diese Kräfte bieten derzeit ein ziemlich diffuses Bild: Ständig tauchen im Irak gewalttätige Gruppen unter immer neuen Namen auf. Dies könnte durchaus auf eine gezielte Taktik hindeuten - nach dem Motto: Je unübersichtlicher das Spektrum der gewalttätigen Kräfte ist, desto schwerer sind sie auch zu fassen. Es könnte aber auch bedeuten, dass eine Zersplitterung dieser Gruppen eingesetzt hat und ihr Einfluss in der Bevölkerung schwindet.

Möglicherweise könnte hier auch die derzeitige Entwicklung in den Palästinensergebieten eine konstruktive Rolle spielen: Wenn die gegen Israel agierenden militanten Palästinensergruppen dort sich tatsächlich in einen erfolgreichen Friedensprozess einbinden lassen würden - oder ihn zumindest nicht mehr durch Gewalt sabotierten -, dann könnte dies auch den radikalen Kräften im Irak etwas Wind aus den Segeln nehmen.

Es wäre gewagt zu erwarten, dass die Wahlen dem Irak schnell Ordnung und Frieden bringen können. Solche Prozesse beanspruchen viel Zeit, zumal in einem Land, das seit der Unabhängigkeit noch nie Freiheit und Demokratie erfahren hat - und dessen Politiker auch keinerlei praktische Erfahrungen darin haben, auf demokratische und zivilgesellschaftliche Weise den Einfluss der verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen auszubalancieren. Man darf nicht vergessen: Die Bürger des Irak haben über 30 Jahre lang unter dem Joch eines äußerst brutalen Diktators gelebt. Sie haben die sinnlosen blutigen Kriege gegen den Iran und Kuwait miterleben müssen.

Viele Iraker wurden politisch verfolgt oder zur Flucht gezwungen, ein Teil der kurdischen Bevölkerung wurde skrupellos vergast - und nicht zu vergessen: die internationalen Sanktionen, die zwar eigentlich gegen den Diktator Saddam Hussein gerichtet waren, die aber mit dafür verantwortlich waren, dass ein Großteil der Bevölkerung zehn Jahre lang in bitterer Not leben musste.

Der Wiederaufbau im Irak wird auf absehbare Zeit schwer bleiben. Dennoch muss Hoffnung erlaubt sein. Diese Hoffnung richtet sich nicht zuletzt auf Exil-Iraker, die einst in großen Scharen der Diktatur entflohen waren und jetzt auf eine günstige Gelegenheit zur Rückkehr warten. Diese Exil-Iraker haben nämlich - unter anderem in Europa - gute Erfahrungen mit der Demokratie gemacht: Erfahrungen, die dabei helfen könnten, den Irak aus dem Chaos zu führen und langfristig in ein stabiles, demokratisches Land zu verwandeln.