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Politik

"Die Zeit läuft gegen Nicolás Maduro"

12. Februar 2019

Hoffnungsträger, zukünftiger Präsident oder vielleicht doch nur eine Marionette der USA? Im DW-Interview lässt Juan Guaidó jedenfalls keinen Zweifel daran, dass er den Machtpoker in Venezuela für sich entscheiden wird.

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Venezuela Juan Guaido
Bild: Getty Images/AFP/Y. Cortez

Den Vergleich mit dem ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama kontert Juan Guaidó souverän. Natürlich gebe es da gewisse Parallelen, aber er verfolge seine eigene Agenda für Venezuela. Und die bestehe aus drei Etappen: "Die Usurpation beenden, eine Übergangsregierung bilden und freie Wahlen ermöglichen." Seine Rolle sehe er darin, diesen Prozess immer wieder anzusprechen. Am Ende vielleicht mit ihm als zukünftigen Präsidenten? "Wir werden sehen, wer dann in den freien Wahlen antritt", lässt sich Guaidó im DW-Interview nicht aus der Reserve locken.

Guaidó: "Keine Zukunft, keine Ideen, kein Rückhalt"

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg - vielleicht sogar zu weit für den 35-Jährigen Guaidó. Der Machtkampf zwischen ihm, dem selbst ernannten Übergangspräsidenten, und seinem Gegenspieler Nicolás Maduro befindet sich in der vielleicht entscheidenden Phase. Und viele fürchten, dass der Opposition dabei die Luft ausgeht, dass sie den Druck auf der Straße nicht aufrechterhalten kann oder auch dass die internationale Gemeinschaft sich bald einem anderen Krisenherd zuwendet, wenn sie in Venezuela keine Entwicklung sieht. "Die Zeit läuft gegen Nicolás Maduro, eine Regierung, die keine Zukunft, keine Ideen und keinen Rückhalt in der Bevölkerung hat", gibt sich Guaidó trotzdem siegesgewiss, "wir dagegen sind eine Bewegung, die wächst, und werden nicht zurückweichen und einen Prozess aufschieben, der unausweichlich ist."

Erste Hilfslieferungen trotz Blockade im Land

Dazu gehört auch die Lieferung von Hilfsgütern. Staatschef Maduro hatte die Grenzen blockieren lassen, trotzdem seien erste Nahrungsmittel ins Land gelangt: "Insgesamt 1,7 Millionen Portionen für unterernährte schwangere Mütter, für Babys und Kinder mit Unterernährung." Natürlich sei das nicht genug, bedauert Guaidó, aber für eine erste kurze Zeitspanne ausreichend. Es wäre ein kleiner wichtiger Etappensieg gegen Maduro, der die Lieferungen als "politische Show" abgetan hatte, als Vorwand für eine militärische Intervention der USA.

Venezuela Protest & Demonstration gegen Nicolas Maduro in Caracas
Bei Protesten gegen die Regierung von Nicolás Maduro in Caracas wird mittlerweile auch die Flagge der USA geschwenktBild: Getty Images/AFP/F. Parra

Immer wieder ist dieses Szenario in der Diskussion, befeuert vom US-Präsidenten Donald Trump, der Maduro mit schweren Konsequenzen gedroht hatte, sollte er die Macht nicht friedlich abgeben. "Alle Optionen liegen auf dem Tisch", hatte Trump vor drei Wochen getönt. Es ist die schwache Flanke von Guaidó, denn die USA haben aufgrund der Politik in den vergangenen Jahrzehnten in ihrem "Hinterhof" keinen guten Ruf in Lateinamerika.

Maduro glaubt, dass mit Guaidó "eine Marionettenregierung in Venezuela" installiert werden soll. "Maduro hat nicht mehr viele Argumente", weist Guaidó im DW-Interview diesen Vorwurf vehement zurück. "Ich habe deutlich gesagt, dass Venezuela alle Entscheidungen souverän treffen wird. Wir entscheiden, welche Kräfte notwendig sind, um die Usurpation zu beenden." Er habe auch nie behauptet, dass ein Militäreingriff der USA passieren könnte. Viel Spielraum also für Interpretationen, nicht umsonst hatte Guaidó ein Eingreifen der USA als "sehr brisantes Thema" bezeichnet.

Klare Botschaft an die Militärs

Der selbst ernannte Übergangspräsident baut weiterhin darauf, dass er einen Machtwechsel auch ohne ausländische Hilfe hinbekommt. Doch dazu muss er das einflussreiche Militär gewinnen, die Seiten zu wechseln. "80 oder 90 Prozent der Soldaten fühlen das Gleiche wie 80 Prozent der Bevölkerung," ist sich Guaidó sicher, "sie können nicht von ihrem Gehalt leben, werden verfolgt, ihre Familien wollen das Land verlassen oder sie sterben, weil sie keine Medizin haben." Guaidó baut auf das vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Militärs Straffreiheit zusichert, wenn sie sich an der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung beteiligen. Doch bisher hält das Militär mit wenigen Ausnahmen weiter zu Maduro.

Venezuela Nicolas Maduro nimmt an einer Militärübung in Charallave teil
Immer wieder zeigt sich der venezolanische Staatschef Maduro mit den Militärs, wie hier in CharallaveBild: Reuters/Miraflores Palace

Gleichzeitig richtet Guaidó eine klare Botschaft an die Militärs, die Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung zuzulassen. "Wenn sie dies nicht tun, betrachten wir das als Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, so Guaidó. Und dies in einem Land, in dem man angesichts der Situation sowieso von einem "stillen Völkermord“ sprechen könne.

"Wir leben in Venezuela in einer Diktatur, die mit Waffen und mit Gefängnis droht", erklärt Guaidó abschließend im DW-Interview, aber was seine Bewegung jetzt begonnen habe, sei nicht mehr aufzuhalten. "Sie können mit dem einzigen, was sie können, weitermachen, mit Repression, Verfolgung und Folter oder einfach nur weiter Venezuelas Geld klauen. Aber wir werden einen friedlichen und demokratischen Übergang zum Wohle unserer Bevölkerung schaffen."

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur