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Symbolischer Akt

Peter Philipp3. September 2008

Damit Zypern wiedervereinigt werden kann, müssen beide Seiten noch schwere Kompromisse eingehen. Aber immerhin: griechische und türkische Zyprer verhandeln ohne fremde Aufsicht miteinander, kommentiert Peter Philipp.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

Guter Wille ist ja für sich schon ermutigend. Aber guter Wille allein reicht nicht: So haben die Vertreter der griechischen und türkischen Volksgruppen auf Zypern ihren guten Willen unter Beweis gestellt, einen ernsthaften Anlauf zur Lösung der Jahrzehnte alten Probleme dieser größten Mittelmeerinsel zu unternehmen. Aber das erste Treffen am Mittwoch (03.09.2008) war eher ein symbolischer Akt und die künftigen Begegnungen werden gerade einmal pro Woche stattfinden, so dass man sich ausmalen kann, wie lange es dauern wird, bis man sich wirklich auf eine Lösung wird einigen können.

Gespräche in eigener Regie

Peter Philipp (Quelle: DW)
DW-Nahostexperte Peter Philipp

Ermutigend ist allerdings auch, dass die griechischen und türkischen Zyprer diese Verhandlungen in eigener Regie abhalten: Die Vereinten Nationen dienen lediglich als Gastgeber in der internationalisierten Pufferzone am Flughafen von Nicosia und die EU begrüßt die Verhandlungen zwar, weiß aber auch, dass ihre Möglichkeiten begrenzt bleiben, solange die Parteien sich nicht selbst einigen wollen. So, wie es bei zahlreichen früheren Versuchen regelmäßig geschah.

Auch diesmal besteht natürlich die Gefahr, dass man am Detail scheitert, obwohl der Präsident des griechischen Teils, Dimitris Christofias, und sein türkischer Counterpart, Mehmet Ali Talat, sich in der "großen Linie" so erfreulich nahe sind. Zur großen Linie gehört auf beiden Seiten das Wissen, dass das Rad der Geschichte nicht um dreißig oder mehr Jahre zurückgedreht werden kann und dass der Entwurf von einer einheitlichen Republik Zypern Fiktion bleibt, die sich bereits kurz nach Staatsgründung als unrealisierbar erwiesen hatte. Die Türken waren immer schon Minderheit auf Zypern und sie können nicht die gleichen Machtbefugnisse verlangen wie die Mehrheit. Ihre Rechte aber können geschützt werden in einem weitgehend autonomen türkischen Teil im Norden Zyperns, der – wie der griechische Süden – einer schwachen Zentralregierung untersteht.

Schwer lösbare Detailprobleme

So weit, so gut. Nun aber die "Details", die diesen Konsens gefährden können: Die Griechen fordern den Abzug der knapp 40.000 türkischen Soldaten und über 100.000 Siedler, die seit 1974 vom Festland nach Zypern gebracht wurden. Die Türken lehnen ab. Wie auch die Rückkehr von Griechen in den Norden nur im Ausnahmefall akzeptiert werden dürfte. Und Entschädigungsforderungen beider Seiten für erlittenes Leid der letzten 48 Jahre können auch gefährden, was jetzt so hoffnungsvoll begann.

Zypern ist einmal ein Lehrstück für den Umgang mit Minderheiten, deren ethnische und religiöse Rechte auch politischen Ausdruck bekommen sollen. Beispiele hierfür gibt es allen Orts – vom Irak bis ins ehemalige Jugoslawien. Zypern ist aber ebenso ein Beispiel für das Problem, längst erkannte politische Notwendigkeiten und Kompromisse – so schmerzhaft sie für den einzelnen auch sein mögen – mit den eigenen Gefühlen in Einklang zu bringen und nicht nur immer wieder nach Rache und Vergeltung zu trachten. Und schließlich ist Zypern ein Lehrstück dafür, was fremde Einflussnahme anrichten kann: Die Briten vertieften den Hass zwischen Türken und Griechen auf der Insel, Griechenland glaubte, sich Zypern "unter den Nagel reißen" zu können und die Türkei antwortete mit Invasion und Besatzung.

Die Zyprer wurden in den meisten Fällen nicht gefragt, sondern instrumentalisiert. Auch deswegen ist es gut, dass sie jetzt aus eigenen Stücken versuchen, ihre Probleme zu lösen.