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Kosslick: "Eine Lawine von Veränderungen"

Hans Christoph von Bock
12. Februar 2018

Am 15. Februar eröffnet die Berlinale, Deutschlands größtes Filmfestival. Die DW sprach mit Festivaldirektor Dieter Kosslick über die 68. Ausgabe, #MeToo, seine Nachfolge und einen ungewöhnlichen Eröffnungsfilm.

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Poträt von Dieter Kosslick, Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin.
Festivaldirektor Dieter Kosslick: 2019 leitet er die Berlinale zum letzten MalBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Deutsche Welle: Zum ersten Mal überhaupt wird die Berlinale mit einem Animationsfilm eröffnet. Was hat Sie denn an Wes Andersons "Isle of Dogs" überzeugt?

Dieter Kosslick: Alle Wes Anderson-Filme, die wir bisher gezeigt haben - ich glaube es waren vier - waren sehr unterschiedlich und jeder für sich ganz großartig. "Isle of Dogs" ist wieder ein ganz anderer Animationsfilm. So etwas haben wir noch nie gesehen. Das Interessante ist, es spielen letztendlich keine Schauspieler, sondern Hunde die Hauptrolle. Diese Hunde führen uns nach Japan, oder sie sind in Japan und erzählen uns eine grandiose Geschichte. Übrigens: Bei aller Unterhaltung, die dieser Film bietet, ist das auch eine ernsthafte Geschichte. Also ein völlig neuer Wes Anderson.

Filmstill aus Isle of Dogs von Wes Anderson mit vier animierten Hunden und einem Jungen.
Auch "Isle of Dogs - Ataris Reise" zeichnet sich durch Andersons feinen Witz und surreale Elemente ausBild: 2017 Twentieth Century Fox

Deutsche Filme waren ja auf der Berlinale immer stark vertreten. Dieses Jahr gibt es gleich vier Filme im Wettbewerb. Wofür interessieren sich die deutschen Filmemacher diesmal am meisten?

Die Themen sind sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite gibt es Künstlerporträts, auf der anderen Seite gibt es Flucht, dann gibt es ein großes, mächtiges Epos - in dem eine Beziehung von zwei jungen Leuten gezeigt wird - und dann noch einen sehr schönen Film, der eine Art magischen Realismus zeigt. Er spielt in einer Großmarkthalle. Dort, wo normalerweise die Gabelstapler sind. Dabei geht es um die Liebe bei der Arbeit, aber auch um die Arbeit bei der Liebe.

Die Filmwelt wurde durch die vielen Veröffentlichungen von Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt und Diskriminierung erschüttert. Wie geht die Berlinale damit und mit der daraus entstandenen weltweiten #MeToo-Kampagne um?

DW Interview Berlinale -  Festivalchef Dieter Kosslick mit den KINO Redakteuren Adrian Kennedy und Hans Christoph
Festivalchef Dieter Kosslick (Mitte) mit den KINO Redakteuren Adrian Kennedy und Hans Christoph von Bock Bild: DW/H. C. von Bock

Wir sind ja mittendrin. Kurz vor der Berlinale fanden das Sundance-Filmfestival und die Golden Globe-Verleihung statt. Nach uns kommt der Bafta, der britische Filmpreis, und dann der Oscar. Überall ist die #MeToo-Debatte gegenwärtig, auch auf der Berlinale. Wir haben ein Programm von Initiativen, die sich mit unterschiedlichen Modellen und Aktionen präsentieren: Es gibt zum Beispiel eine französische Kollegin, die die Initiative #SpeakUp prämieren wird. Dort kann man sich während der Berlinale melden, falls man sich nicht gut oder diskriminiert fühlt. Es gibt auch eine Diskussion von "Pro Quote-Film" mit der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung und Vieles mehr. Wir selbst laden zu einer Diskussion zum Thema "Diversity" in unserem Filmmarkt ein. Das wird sich durch die ganze Berlinale ziehen.

Wird es noch dauern, bis wir in Filmen mehr Vielfalt sehen oder es bereits so weit?

Sie sprechen da schon etwas Richtiges an. Man ist anders sensibilisiert wenn man jetzt Filme anschaut. Ich glaube, man sieht nun mehr als man vorher gesehen hat. Das ist aber erst der Anfang. Ich glaube, da folgt noch eine ganz große Lawine von Veränderungen - übrigens nicht nur im Filmgeschäft, sondern auch in anderen Bereichen von Kunst und Kultur. Warum soll es denn in der Wirtschaft anders sein?

Nächstes Jahr stehen Sie zum letzten Mal an der Spitze der Berlinale. Die Diskussion um die Erneuerung des Festivals hat ja bereits begonnen. Braucht die Berlinale überhaupt eine Erneuerung?

Das ist natürlich eine schwierige Frage an mich, der sie mit seinem Team erneuert hat. Jedes Jahr haben wir neue Initiativen auf die Berlinale gebracht, um sie zu erneuern. Es wäre vielleicht besser, die zu fragen, die sie nach mir erneuern müssen. 

Poträt von Regisseur Tom Tykwer.
Regisseur Tom TykwerBild: picture alliance/empics/D. Leal-Olivas

Der Wettbewerbsjury steht in diesem Jahr Tom Tykwer vor, einer der innovativsten und kreativsten deutschen Filmemacher. Warum ist Tom Tykwer ein guter Jurypräsident?

Zunächst einmal ist er ein guter Regisseur und Filmemacher. Wir kennen uns sehr lange, seit seinem allerersten Film. Ich wollte immer schon Tom Tykwer. Sein Film "Heaven" mit Cate Blanchett hat übrigens 2002 meine allererste Berlinale, bei der ich Leiter war, eröffnet. Ich halte ihn für einen idealen Jurypräsidenten. Er hatte nie Zeit, weil er immer so viele Sachen gemacht hat. Jetzt hat er Zeit - und auch Lust. Und das Team, das wir in der Jury haben, ist ja auch ein sehr illustres und kompetentes Team, von daher glaube ich, wird das eine gute Berlinale-Entscheidung geben.

Worauf freuen Sie sich dieses Jahr am meisten?

Na ja, das ist dieser Moment - man könnte schon sagen magische Moment - außerhalb des Kinos, nämlich wenn es losgeht: Wenn ich am Roten Teppich aus dem Auto steige und ich die Fotografen und diese gute Stimmung sehe, die in der Stadt herrscht. Wenn sich alle freuen auf die vielen unterschiedlichen Filme. Dann fühle ich mich gut, weil ich dann weiß, dass mein Team und ich unseren Job gemacht haben. Und der Rest, den überlassen wir jetzt dem Publikum und den Kritikern.

Das Gespräch führte Hans Christoph von Bock.