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Digitale Waffen aus Deutschland

Sven Pöhle22. April 2013

Deutsche Unternehmen beliefern auch autoritäre Regime mit Überwachungstechnik. Der Export ist bislang kaum beschränkt. Menschenrechtler fordern strengere Ausfuhrregelungen für die "digitalen Waffen".

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Auf einer Computertastatur ist ein Mensch zu sehen, der von zwei Kameras überwacht wird. (Bild: kebox - Fotolia.com)
Deutsche Technologie ermöglicht flächendeckende ÜberwachungBild: Fotolia/kebox

Houssam Aldeen war vorsichtig. Der in Damaskus arbeitende freie Journalist hatte mehrere falsche E-Mail-Konten angelegt und nutzte das Internet nur von öffentlichen Plätzen. "Ich war zweieinhalb Jahre beim Militär und habe dort eine Menge über Überwachungstechnologie gelernt", so Aldeen gegenüber der Deutschen Welle. Verhaftet wurde er dennoch. Man warf ihm Informationsaustausch mit ausländischen Organisationen vor. Offenbar hatte der syrische Geheimdienst Gespräche des auch als Übersetzer für ausländische Reporter tätigen Aldeen abgehört.

Die technische Grundlage für eine flächendeckende Überwachung von Telefonen, Handys und Computern liefern auch Unternehmen aus Deutschland. So erhielt die syrische Mobilfunkgesellschaft Syriatel im Jahr 2000 Überwachungstechnologie von Siemens. Aus Bahrain sind Fälle bekannt, in denen Überwachungstechnik aus Europa und den USA beim Ausspionieren Oppositioneller genutzt wurde. In Libyen und Ägypten fand man handfeste Beweise, dass westliche Überwachungstechnik zu diesem Zweck eingesetzt wurde.

Überwachungstechnologie "made in Germany"

Deutsche Firmen gehören zu den führenden Anbietern von Überwachungstechnologie. Diese hilft bei der Bekämpfung von Verbrechern und Terroristen, so die Argumentation der Hersteller. Computer und Telefone lassen sich überwachen. Spezielle Software ermöglicht das Mitlesen von SMS. Auch das Orten von Personen, das Ausspionieren von Kommunikation im Internet und die Entschlüsselung von Passwörtern sind möglich.

Ein Bildschirm zeigt eine alphanumerische Verschlüsselung, in der unter eine vorgehaltenen Lupe das Wort "Password" zu lesen ist. (Bild: Fotolia.com)
Mit der richtigen Technologie lassen sich Passwörter schnell knackenBild: Fotolia/Yong Hian Lim

In den falschen Händen werde Überwachungstechnologie aber schnell zu einer "digitalen Waffe", sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen", im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Journalistenorganisation wirft westlichen Unternehmen vor, Sicherheitstechnologien an autoritäre Staaten zu liefern. Diese setzen Hardware und Software auch dazu ein, Kritiker aufzuspüren und zu inhaftieren.

Weiche Exportrichtlinien

Für den Verkauf von Überwachungstechnologie gibt es im Gegensatz zum Handel mit konventionellen Waffen auf nationaler sowie auf EU-Ebene kaum Exporteinschränkungen. In wenigen Ausnahmefällen müssen deutsche Firmen eine Ausfuhrgenehmigung beantragen. Einzig Exporte in Embargoländer wie Syrien oder den Iran sind momentan beschränkt. Deutsche Unternehmen unterliegen daher - wenn überhaupt - eher moralischen als gesetzlichen Einschränkungen.

Ein Sreenshot der Website der deutschen Firma Trovicor vom 19.04.2013 zeigt das sogenannte Monitoring Center. (Bild: trovicor.com)
Screenshot von Trovicors "Monitoring Center"Bild: trovicor.com

Dies zeigt das Beispiel Trovicor: Das 2009 aus Nokia Siemens Networks ausgegründete IT-Unternehmen mit Hauptsitz in München stellt das "Monitoring Center" her - das System, das Siemens im Jahr 2000 nach Syrien lieferte. Damit lässt sich Internet- und Telefonkommunikation flächendeckend überwachen.

Auf Anfrage der Deutschen Welle schreibt eine Sprecherin des Unternehmens, man sei vertraglich daran gebunden, keine Informationen über Kunden, Länder oder Lieferumfang zu nennen. Man verpflichte die Käufer aber in einer Schutzklausel, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu befolgen. Zudem stelle man bei der Ausfuhr sicher, dass alle internationalen Export- und Liefergesetze eingehalten werden und liefere nicht in Bürgerkriegsländer.

Schärfere Ausfuhrbestimmungen?

Jan van Aken, Rüstungsexperte der Linkspartei, hält vom moralischen Kompass derartiger Unternehmen wenig: "Freiwillig werden sich solche Firmen niemals beschränken. Wenn eine Sicherheitsfirma Geld verdienen will, dann wird sie auch an Menschenrechtsverletzer verkaufen, das ist deren Geschäftsmodell."

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag, Jan van Aken. (Bild: dpa)
Van Aken: "Diese Bundesregierung hat kein Interesse, das zu regulieren"Bild: picture-alliance/dpa

Nach der Auslieferung ist kaum zu überprüfen, inwieweit Überwachungstechnologie nicht auch missbraucht wird. Van Aken fordert daher, Exportbeschränkungen für Überwachungstechnologie in das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) aufzunehmen und die Ausfuhr streng zu kontrollieren.

Martin Lindner, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, lehnt eine Verschärfung der Exportbestimmungen für Überwachungstechnologie hingegen ab. "Es dürfte kaum ein Land auf der Erde geben, in dem so kritisch und so gründlich bei Exporten geprüft wird, wie in Deutschland." Derartige Technologie sei nicht dafür angelegt, um damit zu foltern. Solche Güter könnten zwar auch missbräuchlich und rechtswidrig geliefert und verwendet werden, dies gelte generell aber für jedes Gut auf der Welt, so Lindner.

Martin Lindner (FDP) spricht am 15.03.2013 im Deutschen Bundestag in Berlin (Bild: dpa)
Lindner ist gegen schärfere ExportbestimmungenBild: picture-alliance/dpa

Keine Gesetzesänderung in Sicht

Eine Änderung der nationalen Exportregelungen für Überwachungstechnologie hält man auf Regierungsseite derzeit nicht für notwendig: In dem vom Bundestag vor wenigen Wochen beschlossenen Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (AWG-Novelle) fand die Überwachungstechnologie keine explizite Erwähnung.

Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf Anfrage der Deutschen Welle auf die bereits bestehenden Ausfuhrkontrollen und Beschränkungen. "Wirksame Maßnahmen zur Anpassung der Exportkontrolle an politische und technische Entwicklungen sind vorrangig auf internationaler Ebene zu treffen", heißt es in dem Antwortschreiben.

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz spricht auf einem Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen in Schleswig-Holstein (Bild: dpa)
Von Notz kritisiert das WirtschaftsministeriumBild: picture-alliance/dpa

Letztlich geht es darum, dass das Wirtschaftministerium am Status quo nichts ändern will", kritisiert Konstantin von Notz, Sprecher für Innen- und Netzpolitik der Grünen. "Wir haben die Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren permanent darauf hingewiesen, dass hier eine wachsende Problematik besteht - ohne dass eine Reaktion erfolgt ist", so von Notz. Er hoffe, dass man in Deutschland wie auch in Europa schnell zu einer gesetzlichen Regelung kommt, die die Ausfuhr von Überwachungssoftware und –infrastruktur in Unrechtsstaaten effektiv einschränkt. Bis dahin kann deutsche Überwachungstechnologie weiterhin so gut wie ungehindert in fast alle Länder der Welt exportiert werden.