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Politik

Dilek Dündar: Europa vergisst seine Werte

12. Februar 2019

Sie ist die Frau des türkischen Exil-Journalisten Can Dündar. Dafür zahlt sie einen hohen Preis. Dilek Dündar erzählt der DW, warum sie in der Türkei weiterkämpfen möchte und sich aus Europa Unterstützung wünscht.

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Dilek Dündar Videobotschaft
Bild: youtube/#ÖZGÜRÜZ

Dilek Dündar, ehemalige Produzentin von Dokumentarfilmen und Ehefrau des im Exil in Deutschland lebenden Journalisten Can Dündar aus der Türkei, hat ein Video auf Twitter veröffentlicht, in dem sie die Öffentlichkeit auf ihre Probleme aufmerksam macht. Darin geht sie auf zahlreiche Repressalien ein, die sie erleiden musste. Vor gut zwei Jahren wurde ihr der Pass abgenommen. Seitdem hat sie weder ihren Sohn, noch ihren Mann sehen können. Zudem ist sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die DW sprach Dilek Dündar über ihre Situation und die Lage in der Türkei.

DW: Mit welchen Problemen wurden Sie konfrontiert, seitdem Ihr Mann Can Dündar nach Deutschland gekommen ist?

Dilek Dündar: Alles begann mit meinem Reisepass. Er wurde auf dem Flughafen ohne jegliche Begründung beschlagnahmt, als ich im September 2016 nach Berlin fliegen wollte. Die türkischen Sicherheitsbehörden hielten es für gefährlich, wenn ich ins Ausland reise. Ich habe dagegen geklagt, aber wurde von den Gerichten in allen Instanzen abgewiesen. Schließlich wandte ich mich an das Oberste Verfassungsgericht. Seit elf Monaten warte ich auf dessen Entscheidung. Da noch nicht sämtliche juristischen Schritte in der Türkei  ausgeschöpft sind, kann ich keine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einreichen.

Unterdessen habe ich mit der Wohnung, die ich mit meinem Mann zusammen gekauft habe, finanzielle Probleme bekommen. Ich konnte die Kredite nicht bedienen, darum wollte ich unser Sommerhaus verkaufen. Aber das Katasteramt hat mir mitgeteilt, dass sie die Verantwortlichen in Ankara fragen müssen. Die Behörden verhindern seit sechs Monaten den Verkauf, mit der Begründung, dass sie auf eine Antwort des Justizministeriums warteten. Unsere Wohnung wurde beschlagnahmt. Die Bank hat neben meiner Rente alle meine Konten blockiert, meine Kreditkarten wurden für ungültig erklärt.

Warum haben Sie jetzt dieses Video aufgenommen?

Seit längerer Zeit schweige ich. Denn in der Türkei gibt es sehr viele Menschen, die noch schlimmere Ungerechtigkeit erfahren als ich. Aber ich habe mich mit meinen Problemen sehr viel beschäftigt und ich wollte, dass die Menschen das wissen. Die Medien in der Türkei beschäftigen sich nicht mehr mit solchen Belangen. Es gibt diese Ungerechtigkeit und sie hält weiter an. Außerdem wollte ich, dass dies alles dokumentiert wird. Die Menschen müssen das alles erfahren.

Welche Reaktionen haben Sie bekommen?

Ich stellte fest, dass viele Menschen überhaupt nicht wissen, dass so etwas passiert. Viele sind davon ausgegangen, ich hätte das Land ebenfalls verlassen. Auf der anderen Seite habe ich in den Sozialen Medien sehr viel Solidarität erfahren. Aber politisch bekam ich kein Feedback.

Wie haben Ihr Mann und Ihr Sonn darauf reagiert?

Mein Appell war sehr emotional. Teilweise musste ich mich beherrschen nicht zu weinen. Insbesondere in dem Teil, wo ich sage, dass ich nicht an der Abschlussfeier meines Sohnes vor zwei Jahren, teilnehmen konnte. Er studierte Internationale Politik in London. Das hat mich sehr verletzt. Ich kann meinen Sohn nicht sehen, weil er nicht in die Türkei kommen kann. Wir haben ihm gesagt, dass er nicht kommen soll, weil das Risiko besteht, dass er nie wieder raus kann. Ich wollte nicht, dass er das durchmachen muss, was ich durchmache. Beide konnten das nachvollziehen.

Can und Dilek Dündar
Can und Dilek DündarBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Was werden Sie jetzt tun?

Ich habe bisher alles getan, was ich kann. Als letztes habe ich dieses Video veröffentlicht, ich wollte so Gehör finden. Natürlich werde ich weiterhin versuchen, mich juristisch zur Wehr zu setzen, um meine Probleme zu lösen. Ich wollte auch die Stimme der Menschen sein, die ihre Stimme nicht erheben können. Ich wollte die Türkei nicht illegal verlassen, weil ich keinen Pass habe. Ich habe immer gedacht, wenn ich hier meinen Kampf um das Recht fortführen würde, wäre es besser für mein Land. Wenn meine Probleme gelöst würden, wäre es auch für die anderen Menschen einfacher in die Türkei zu reisen und sie wieder zu verlassen. Aber ich weiß es nicht, ob ich Erfolg habe.

Was möchten Sie an der europäischen Öffentlichkeit sagen?

Vor allem dies: Wir haben in unserem ganzen Bildungsleben in der Türkei immer wieder gelernt, wie stark die europäischen Werte sind und wie die Demokratie zur Entwicklung der europäischen Länder beigetragen hat. Europa vergisst diese Werte, verliert sie sogar. Sie sollten diese Werte nicht vergessen. Wir vertreten stets Ihre Werte hier in der Türkei. Sie sollen uns unterstützen. Wir sollten alle die Welt, die Demokratie und die Menschenrechte verteidigen.

Was ist ihre Botschaft an die türkischen Behörden?

In allen unseren Gerichten steht der Spruch: "Die Gerechtigkeit ist die Grundlage des Rechts." Aber momentan herrscht in der Türkei ein Vertrauensverlust. All diese Ungerechtigkeiten müssen ein Ende finden. Ich hoffe, dass die Regierung das auch irgendwann einmal einsieht.

Das Interview führte Cengiz Özbek.