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Dioxine & Co - Giftig und weit verbreitet

29. Juli 2021

Nach der Explosion in einer Sondermüllverbrennungsanlage in Leverkusen befinden sich vermutlich Dioxine, Furane und PCB-Verbindungen im Niederschlag des Rauchgases. Was sind das für Gifte?

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Symbolbild: Eine Tonne mit einem Gift-Symbol darauf.
Lösungsmittel, Lacke und PCB-haltige Chemikalien müssen bei sehr hohen Temperaturen verbrannt werdenBild: picture alliance/Uwe Zucchi

Bei der Explosion einer Sondermüllverbrennungsanlage im Chempark bei Leverkusen sind unter anderem Tanks in Flammen aufgegangen, die chlorhaltige Lösungsmittel enthalten hatten. Üblicherweise werden solche Lösungsmittel, aber auch Fette, Medikamente, Teer und andere Schadstoffe in Sondermüllverbrennungsanlagen bei Temperaturen um 1100 Grad Celsius verbrannt.

Nur bei Temperaturen über 850 Grad Celsius lässt sich nämlich sicherstellen, dass bei einer Verbrennung keine Dioxine, Furane, Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs) oder Polychlorierten Biphenyle (PCB) in den Verbrennungsgasen übrigbleiben.

Findet die Verbrennung der Schadstoffe hingegen unsauber statt, entstehen oder verbleiben solche Gifte, die zum dreckigen Dutzend der Umweltgifte gehören, im Rauchgas und verteilen sich so in der Landschaft.

In Leverkusen und Umgebung stellt sich nun die Frage nach möglichen Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung. Die Behörden haben Anwohner der Gebiete, über die der Rauch hinweg gezogen ist, gewarnt, keine Rußpartikel zu berühren und kein Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten zu essen. Klarheit über mögliche Schadstoff-Rückstände in den Rußniederschlägen soll es bis Ende der Woche geben, wenn die Ergebnisse einer Labor-Analyse vorliegen. Um diese Giftstoffe geht es:

Dioxine und Furane

Der Begriff ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe aus 75 polychlorierten Dibenzo-para-Dioxinen (PCDD) und 135 polychlorierten Dibenzofuranen (PCDF).

Besonders berüchtigt ist dabei die Verbindung 2,3,7,8 Tetrachlordibenzo-p-Dioxin (TCDD). Dieses giftigste aller Dioxine ist auch als Seveso-Gift bekannt. 1976 war in einer Fabrik im Italienischen Meda bei Mailand eine unbekannte Menge der Chemikalie ausgetreten, wahrscheinlich zwischen ein und drei Kilogramm. In Folge des Unfalles starben etwa 3300 Tiere und etwa 200 Menschen erkrankten an schwerer Chlorakne. 

Die Konzentration ist entscheidend

Die in Seveso freigesetzte Menge von Dioxin war zwar auf begrenztem Raum deutlich höher als sie es im Niederschlag des Rauchgases von Leverkusen sein wird, dennoch raten die Behörden zur Vorsicht, denn Dioxine sind auch in niedrigster Konzentration bereits gesundheitsschädlich und krebserregend. 

Gift im Essen

Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgesetzte Grenzwert für Menschen liegt bei 70 Pikogramm (Millionstel Gramm) pro Kilogramm Körpergewicht pro Jahr.

Die Gifte können, je nach spezifischer Verbindung, das Reproduktionssystem, den Hormonhaushalt, das Immunsystem oder Nervensystem angreifen. Sie lagern sich im Fetthaushalt des Körpers an und bleiben dort lange stabil. Auch in Boden und Pflanzen halten sie sich über Jahrzehnte. 

Vorsicht vor Rauchgasen

Dabei sind Dioxine und Furane überall um uns. Sie sind ein Nebenprodukt unsauberer Verbrennungsprozesse unter Beteiligung von Chlor bei Temperaturen von 300 bis 600 Grad Celsius. Die Giftstoffe entstehen etwa beim Zigaretten-Rauchen, beim Kochen, beim Verbrennen oder Verarbeiten von Frittenfett, in der Metallindustrie, beim Verbrennen insbesondere von kunststoffhaltigen Abfällen aber auch von Holz. Selbst Waldbrände und Vulkanausbrüche tragen Dioxine in die Umwelt ein. 

Besonders problematisch sind zudem Lagerfeuer mit lackiertem oder behandeltem Holz, mit Plastikabfällen oder Autoreifen. Besonders beim primitiven Recycling von Elektroschrott in unterentwickelten Ländern setzen sich Menschen erheblichen Konzentrationen der Umweltgifte aus. 

Über die Luft gelangen Dioxine und Furane in die Böden, Pflanzen und über die Nahrungskette zum Menschen. So gab es 2011 einen Skandal um dioxinverseuchte Eier, nachdem ein Futtermittelhersteller Futterfett mit Industriefett gemischt hatte, welches aus altem Frittenfett gewonnen worden war.

PAKs

Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) entstehen wie Dioxine und Furane ebenfalls bei vielen unsauberen Verbrennungsprozessen, etwa bei der unvollständigen Verbrennung von Kohle, Heizöl, Lösungsmitteln, Holz oder auch Tabak.

Aber auch beim Grillen von Fleisch können PAKs entstehen – insbesondere, wenn das Fleisch anbrennt.

Auch diese Gifte halten sich in der Umwelt sehr lange. Häufig findet man sie auch in teerhaltigen Produkten – zum Beispiel im Straßenasphalt oder auch in alten imprägnieren Holz-Bahnschwellen, aber auch im Altöl oder in der Asche.

PAKs sind krebserregend und können das Erbgut schädigen.

PCBs

Bei der Explosion von Leverkusen könnten zudem polychlorierte Biphenyle (PCBs) im Rauchgas enthalten gewesen sein. Dabei handelt es sich um Industriechemikalien, die bis in die 1980er Jahre in vielen Bereichen der Chemie- und Elektroindustrie eingesetzt wurden.

PCBs kamen etwa in Kondensatoren zum Einsatz, aber auch als Weichmacher in Farben, Dichtungsmassen und Kunststoffen. 

Bei der Verbrennung entstehen aus PCBs wiederum Dioxine und Furane, aber auch die PCBs können dann noch als solche direkt in die Umwelt gelangen.

PCBs gelten ebenfalls als krebserregend und schädigen das Immunsystem und den Hormonhaushalt.

Bis zum Verbot der PCBs Ende der 1980er Jahre waren weltweit große Mengen des Giftes in die Umwelt und die Nahrungskette von Mensch und Tier gelangt und halten sich dort bis heute.  

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen