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Türkei: "Langfristig negative Auswirkungen"

25. April 2015

Mehr als 24 Stunden hat es gedauert, bis die Türkei auf die Rede von Bundespräsident Gauck zu den Verbrechen an den Armeniern reagiert hat. Die Äußerungen aus Ankara waren dafür umso schärfer.

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Bundespräsident Gauck bei Rede im Berliner Dom (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Das türkische Volk wird dem deutschen Präsidenten seine Aussagen nicht vergessen und nicht verzeihen", hieß es am späten Freitagabend in einer Erklärung des türkischen Außenministeriums. Bundespräsident Joachim Gauck habe kein Recht, "die türkische Nation eines Verbrechens zu beschuldigen, dass sie nicht begangen hat", hieß es weiter.

Gauck hatte am Donnerstag im Berliner Dom eine Rede gehalten und darin die Massaker an bis zu 1,5 Millionen Armeniern im Ersten Weltkrieg erstmals klar als Völkermord bezeichnet. Das deutsche Staatsoberhaupt setzte sich damit über Bedenken hinweg, dass eine solche Einordnung des Geschehens vor 100 Jahren die Beziehungen zur Türkei beschädigen könnte.

Und die Erklärung aus dem türkischen Außenamt wies auch eine entsprechende Reaktion aus: Die Regierung warnte demnach vor "langfristigen negativen Auswirkungen" auf das deutsch-türkische Verhältnis.

Klare Worte im Bundestag

Am Freitag schloss sich der Deutsche Bundestag Gaucks Bewertung an. "Das, was mitten im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stattgefunden hat, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, war ein Völkermord", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Redner aller Fraktionen teilten diese Einschätzung. Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier meldeten sich selbst nicht zu Wort.

Mit der Debatte verabschiedete sich die deutsche Politik von der weitgehenden Praxis, den Begriff Völkermord aus Rücksicht auf die Türkei zu vermeiden. Noch vor der Sommerpause will der Bundestag eine entsprechende Erklärung verabschieden. Auch in Jerusalem, Beirut und Istanbul gab es Gedenkveranstaltungen.

Die Südkaukasusrepublik Armenien gedachte gemeinsam mit Kremlchef Wladimir Putin und dem französischen Präsidenten François Hollande der Gräueltaten. Während der Zeremonie sprach Putin von Massenmord und er benutzte auch den Begriff Völkermord.

Das türkische Außenministerium kritisierte die Worte Putins: "Wir weisen die Einordnung der Ereignisse von 1915 als Völkermord trotz unserer Warnungen und Anrufe zurück und verurteilen diese", hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums.

Die Parlamente Russlands und Frankreichs erkennen den Genozid an den Armeniern an, insgesamt verabschiedeten ein Dutzend Staaten entsprechende Resolutionen, in dieser Woche auch Österreich.

Die Massaker im Osmanischen Reich begannen am 24. April 1915 mit der Verhaftung Hunderter Intellektueller in Konstantinopel (Istanbul). Im Kampf gegen das christliche Russland warf die osmanische Regierung den Armeniern vor, mit dem Feind zu paktieren. Nach Schätzungen kamen bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs lehnt die Bezeichnung Völkermord ab.

fab/qu (dpa, afp, afpe)