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Diskretion adé!

Christin Nünemann20. August 2008

Der Skandal um die illegale Weitergabe von Daten zieht immer weitere Kreise. Datenschützer rechnen damit, dass die Adressen aller Bundesbürger im Umlauf sind.

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CD mit Vorhängeschloß
Schutz unmöglich: Offenbar ist jeder Bundesbürger von Datenmissbrauch betroffenBild: Bilderbox

Spätestens jetzt geht der Skandal um die illegale Weitergabe von Daten jeden etwas an: Die Adressen der gesamten bundesdeutschen Bevölkerung sind für Marketingzwecke und Verkaufsakquisen im Umlauf. So schätzt zumindest der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, die Situation ein. Außerdem vagabundierten derzeit illegal etwa zehn bis zwanzig Millionen Kontodaten, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Vor allem Call Center würden diese Daten zunehmend für dubiose Geschäftspraktiken nutzen, die zuvor beim Telefonverkauf, Glücksspielen, Preisausschreiben und Verkaufsbörsen im Internet abgeschöpft wurden.

Erst die Spitze des Eisbergs

Die Aufdeckung des Skandals um den millionenfachen Handel mit teilweise gestohlenen Daten hat gerade erst begonnen. "Wir sehen jetzt immer mehr von der Spitze des Eisbergs", sagte der Datenschützer Weichert.

CD/DVD im Safe. Quelle: Bilderbox
Wer Daten unerlaubt weitergibt, muss mit einer Geldbuße von bis zu 250.000 Euro oder Freiheitsstrafe rechnenBild: Bilderbox

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die in Dortmund und Köln ansässige Firma Lotto Team. Dem Unternehmen wird Betrugsverdacht vorgeworfen: Es soll unter anderem Konten ohne Einwilligung der Inhaber belastet haben. Lotto Team bestreitet, dass hinter den Abbuchungen eine betrügerische Absicht steht. Es hatte selber gegen mehrere Call Center Anzeige wegen Verdacht auf Provisionsbetrug erstattet.

Die Call Center schließen im Auftrag von Lotto Team mit Verbrauchern Verträge ab. Anschließend werden die Kontonummern der Kunden an das Kölner Unternehmen weitergeleitet, das dann das Geld einzieht. Bislang ist unklar, ob die Call Center tatsächlich Daten kauften, um Vertragsabschlüsse vorzutäuschen. Lotto Team kündigte aber an, den geschädigten Kunden das Geld zurückzuzahlen.

Deutsche Telekom als Opfer

Logo der Deutschen Telekom
Ausgeraubt: Die Deutsche Telekom wurde Opfer von Datenhändlern

Der Skandal hat auch die Deutschen Telekom erreicht. Die NDR/WDR-Sendung "Kriminalreport" berichtete, ein Call Center in Bremerhaven habe sich illegal Zugriff auf Datenbanken der Telekom verschafft und die Daten an Dritte weiterverkauft. Die Telekom-Datenbanken enthalten persönliche Angaben von 30 Millionen Kunden.

"Die Deutsche Telekom ist offenbar Opfer hoch krimineller Machenschaften", sagte Unternehmenssprecher Philipp Blank. Es gebe aber keine Beweise für einen groß angelegten Datenklau; es seien nur eine handvoll Kunden betroffen. Die Telekom werde aber alles unternehmen, um die illegale Weitergabe von Kundendaten aufzuklären und strafrechtliche verfolgen zu lassen.

Ebenfalls ein Call Center sorgt für Ärger bei Kunden der Norddeutschen Klassenlotterie. Nach NDR-Angaben soll es tausende Verbraucherdaten von früheren Auftraggebern illegal weitergenutzt haben. Es handele sich hierbei um Adressen, persönliche Angaben und Bankverbindungen von Kunden.

Chipkarten diverser Krankenkassen
Vertrauliche Versichertendaten? Auch DAK-Patienten sind offenbar vom Skandal betroffenBild: AP

DAK gibt Daten weiter

Auch die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) soll vertrauliche Versichertendaten weitergegeben haben. Betroffen seien 20.000 chronisch kranke Patienten, deren Daten die Privatfirma Healthways erhalten habe, berichtete das ARD-Magazin "Report". Die DAK wies die Vorwürfe allerdings zurück: Die Kassenmitglieder hätten ihre Teilnahme schriftlich bestätigt und damit der Nutzung ihrer Daten zugestimmt. Nach Angaben von Healthways erfolgte die Einverständniserklärung allerdings erst, nachdem die Daten an das Unternehmen weitergegeben wurden.

Politiker wollen handeln

Angesichts der jüngsten Fälle des Datenmissbrauchs wächst die Bereitschaft der großen Koalition, die Gesetze zum Datenschutz zu verschärfen. SPD-Chef Kurt Beck sprach sich für eine "Generalrevison" aller Datenschutz-Vorschriften und die Überprüfung aller strafrechtlichen Bestimmungen aus. Außerdem müsse es mehr Transparenz für Kunden geben. Der gegenwärtige Zustand sei nicht hinnehmbar, so Beck.

SPD-Chef Kurt Beck. Quelle: ap
Fordert eine "Generalrevision" aller Datenschutz-Vorschriften: SPD-Chef Kurt BeckBild: AP

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) plädierte dafür, dass Daten nur dann weitergegeben werden dürften, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen vorliege. Dies wäre eine Umkehr der bisherigen Regelung: Sie verbietet die Datenweitergabe nur dann, wenn ein ausdrücklicher Widerspruch vorliegt. Für diesen Vorschlag sprach sich auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach aus.

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy (SPD), will nach der Sommerpause ein Krisentreffen einberufen. Hier sollen Vorschläge für ein effektiveres Bundesdatenschutzgesetz erarbeitet werden.

Staat als schlechtes Vorbild

Das Problem des Datenmissbrauchs ordnet der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, vor allem der Privatwirtschaft zu. "Der Staat ist sauber, Teile der Privatwirtschaft leider überhaupt nicht", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Verbraucherschützer sind da ganz anderer Meinung. "Wenn Sie ihr Auto angemeldet haben, steht doch meistens einige Wochen später die GEZ wegen der Anmeldung des Autoradios vor der Tür", sagte der Sprecher der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, Thomas Hagen, der "Süddeutschen Zeitung". Er will sogar belastbare Indizien dafür haben, dass auch unter Behörden ein illegaler Datenaustausch stattfindet.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) wies in die gleiche Richtung. Der Staat eile beim Thema Datenschutz seit langem mit schlechtem Beispiel voran. So etwa bei der Vorratsdatenspeicherung von Telefonverbindungsdaten.

Notfalls auf Geschäfte verzichten

Kontoauszüge zu einem Fächer gehalten. Quelle: ap
Kontrolle ist besser: Auf jeden Fall regelmäßig Kontoauszüge prüfenBild: AP

Und wie kann man sich selber schützen? Datenschützer raten Verbrauchern, ihre Kontoauszüge regelmäßig zu überprüfen. Unberechtigte Abbuchungen könnten innerhalb von sechs Wochen rückgängig gemacht werden. Außerdem sollte man seine Kontodaten nur sehr sparsam weitergeben. Notfalls müsse man auf Geschäfte verzichten, bei denen die Einwilligung zur Datenweitergabe würde.

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