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Divestment - kein Geld mehr für umweltfeindliche Projekte

Katharina Wecker
27. April 2018

Es scheint ein kommender Trend zu sein. Immer mehr Investoren ziehen ihr Geld aus umwelt- oder klimaschädlichen Projekten ab. Indigene Umweltaktivistinnen versuchen nun, auch europäische Banken zum Divestment zu bewegen.

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Indigenous Women's Divestment Delegation Europa Credit Suisse Bank
Vertreterinnen indigener Völker bereiten sich im Zürcher Bankenviertel auf ein Treffen mit Managern der Credit Suisse vorBild: WECAN International/Boethius

Charlene Aleck, Angehörige der Tsleil-Waututh Nation, möchte den Managern der Deutschen Bank und Credit Suisse von ihrer zerstörten Heimat erzählen - von Angesicht zu Angesicht. Deswegen ist sie nach Frankfurt und Zürich gereist, wo die Banken ihren Hauptsitz haben, die unter anderem das US-Unternehmen Kinder Morgan finanzieren. Kinder Morgan betreibt eine 1150 km lange Erdöl-Pipeline durch den Westen Kanadas und das Land der Tsleil-Waututh Nation. Dort habe es die Umwelt zerstört, sagt Aleck. 

Auf einer Webseite listet die Organisation ihre Top-10 der Öl-Lecks auf, die entlang der Pipeline seit 1961 aufgetreten sind. "Wir haben die Kinder-Morgan-Pipeline nicht nur bei uns im Garten, wir haben sie direkt in der Küche. Wir konnten uns einmal von unserem Land und Wasser ernähren, doch seit 1972 wächst da nichts mehr", sagt Aleck gegenüber der DW. 

Kinder Morgan plant eine weitere Pipeline über die Berge neben der bereits existierenden, um fast dreimal so viel Erdöl von der Provinz Alberta zur Westküste in British Columbia transportieren zu können. Bis zu 890.000 Barrel Erdöl sollen täglich durch die Rohre fließen. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat der neuen Pipeline 2016 zugestimmt, doch anhaltende Proteste und Gerichtsverhandlungen haben den Bau vorerst gestoppt.

Umweltverschmutzern das Geld entziehen

Aleck möchte nun die Banken überreden, ihr Geld aus dem Unternehmen zu ziehen. "Ich bin hier, um [die Banken] zu informieren, dass das Risiko für unsere Nation, unser Wasser, unser Land und unsere Leute zu groß ist. Wir wollen, dass sie wissen, dass das Unternehmen, in das sie investieren, nicht unsere Zustimmung hat und wir sie mit allen legalen Mitteln bekämpfen", sagt die Aktivistin.

Arbeiten an der Trans Mountain Pipeline in Kanada
Die geplante zweite Trans-Mountain-Pipeline würde die Heimat der Tsleil-Waututh Nation weiter zerstören, sagt AleckBild: picture alliance/AP/The Canadian Press

Das Treffen wurde von der Frauen- und Umweltorganisation Women's Earth and Climate Action Network (WECAN) organisiert. Ziel der Organisation ist es, Banken auf die Konsequenzen ihrer Investitionen hinzuweisen und sie zur Verantwortung zu ziehen. Zusammen mit Aleck und vier weiteren Vertreterinnen von indigen Völkern aus Kanada und den USA möchten sie Managern klarmachen, dass ihre Investitionen in fossile Brennstoffe den Lebensraum der Völker zerstören und den Klimawandel fördern.

"Die Frauen setzen sich für ihr eigenes Land ein, aber auch für das Klima, das Wasser, den Wald. Es ist wichtig zu verstehen, dass Frauen, die ihr Land schützen, gleichzeitig das Klima schützen", sagt Osprey Orielle Lake, Geschäftsführerin von WECAN, der DW. "Wir wissen, dass der Klimawandel schlimmer wird. Damit wir das Schlimmste verhindern können, müssen wir fossile Brennstoffe im Boden lassen. Deswegen bitten wir die Banken, ihre Investitionen aus fossilen Brennstoffen zu nehmen und dafür in erneuerbare Energien zu stecken." 

Wachsende Bewegung

Die Aktivistinnen sind Teil einer wachsenden Divestment-Bewegung. In den letzten Jahren haben über 700 öffentliche Institutionen, einschließlich Universitäten und Regierungen, bekanntgegeben, ihre Geldanlagen aus Kohle-, Öl- und Gasunternehmen abzuziehen. Die Stadt Göttingen hat vor einem Jahr beschlossen, nicht länger in fossile Brennstoffe investieren zu wollen und ist damit die vierte deutsche Stadt, die sich dieser Bewegung angeschlossen hat.

Zu Beginn des Jahres kündigte das Büro des New Yorker Bürgermeisters an, dass sich der 189 Milliarden Dollar schwere Pensionsfonds der Stadt in den nächsten fünf Jahren von Investitionen in Kohle, Öl und Gas verabschiedet. Norwegens milliardenschwerer Pensionsfonds möchte ebenfalls Aktien, Anleihen und Investitionen, die sie in CO2-intensiven Unternehmen haben, abstoßen. Die Regierung soll im Herbst dieses Jahres darüber abstimmen.

Eine Reihe katholischer Institutionen haben diese Woche ähnliches bekanntgegeben. Caritas Internationalis, die Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche, sowie drei katholische Banken wollen ab sofort ihre 7,5 Milliarden Dollar lieber in erneuerbare Energien investieren. Sie folgen damit dem Beispiel der Church of England, die bereits 2015 diesen Schritt gemacht hat, nachdem Papst Franziskus vor den Folgen des Klimawandels gewarnt hatte. 

Pressebild 350.org Divestment
Die Divestment-Bewegung erfährt immer mehr AnhängerBild: 350.org

Großes Geld, große Verantwortung

Banken und andere Finanzinstitute spielen eine große Rolle im Kampf gegen den Klimawandel, da sie mit ihren Investitionen entweder Kohle, Öl und Gas oder erneuerbare Energien fördern können. Das auf schnelle und große Gewinne optimierte Finanzsystem hat bislang jedoch hauptsächlich auf die fossile Brennstoffindustrie gesetzt. Deswegen haben die Vereinten Nationen nun zusammen mit Klimawissenschaftlern und Finanzexperten ein Modell entwickelt, um Banken zu helfen, klimabezogene Risiken und Chancen besser zu erkennen und sie so zu Investitionen in erneuerbare Energien und saubere Zukunftstechnologien zu animieren.

Erik Solheim, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), hofft, dass das Modell dem Finanzsektor helfen kann, die Perspektive zu wechseln und längerfristig zu denken. "Die eigentliche Ursache für viele der Umweltprobleme, die wir heute haben, allen voran der Klimawandel, ist die Kurzfristigkeit. Die Finanzmärkte können ein Auslöser für nachhaltige Veränderungen sein, doch dafür müssen sie längerfristig denken", schreibt Solheim in einer Pressemitteilung, in der die Leitlinien vorgestellt werden. 

Mit dem Modell können Banken in die Zukunft "sehen". Es kalkuliert, wie sich die Märkte entwickeln, wenn das Pariser Klimaabkommen wie geplant umgesetzt wird und die Welt sich um nicht mehr als zwei Grad erwärmt. Banken und Unternehmen können nun die Möglichkeit dieser Zwei-Grad-Welt bei ihren Investitionsentscheidungen mit einberechnen. 

"Wir haben die Risiken und Chancen durchgerechnet. Nun ist es an der Finanzwirtschaft, dies zu nutzen. Das große Geld hat große Verantwortung", sagt Elmar Kriegler, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einer Pressemitteilung. Kriegler hat ökonomische Szenarien zu dem Bericht beigesteuert,

Das Modell wurde in Zusammenarbeit mit sechzehn Banken, einschließlich Barclays, National Australia Bank und Royal Bank of Canada, entwickelt, die es nun weiter testen und anwenden werden. Währenddessen hoffen die Vertreterinnen der indigenen Völker, dass die Richtlinien der UN und ihre Treffen mit den Banken auch die großen Finanzinstitute zum Divestment bewegen können.