1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Draghi genervt von "perverser Angst"

28. Dezember 2013

Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ist für viele der eigentliche Held der Eurokrise. Doch aus Deutschland schlug dem Italiener oft Kritik entgegen. Nun kontert er.

https://p.dw.com/p/1Ai0Z
EZB-Chef Mario Draghi (Foto: Reuters)

Für EZB-Präsident Mario Draghi ist die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Währungsunion weitgehend gebannt. Die Krise sei noch nicht überwunden, aber es gebe viele ermutigende Zeichen, sagte Draghi in einem am Samstag veröffentlichten Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Draghi führte die verbesserte Lage auch auf seinen umstrittenen Kurs zurück, die Banken mit zusätzlicher Liquidität auszustatten, der vor allem in Deutschland auf Widerstand gestoßen war. "Jedes Mal hieß es, um Gottes willen, dieser Italiener zerstört Deutschland. Es gab diese perverse Angst, dass sich die Dinge zum Schlechten entwickeln", monierte der italienische Notenbanker. Passiert sei aber das Gegenteil. "Die Inflation ist niedrig, und die Unsicherheit hat sich verringert."

Retter in der Not

Der 66-Jährige hatte im Sommer 2012 - auf einem der Höhepunkte der Eurokrise - die Handlungsfähigkeit der Notenbank bekräftigt. "Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir - es wird ausreichen", sagte Draghi. Zusammen mit der Ankündigung der EZB, unter bestimmten Bedingungen Staatsanleihen von Problemstaaten zu kaufen, gilt diese inzwischen legendäre Aussage als Wendepunkt in der Krise: Die Finanzmärkte beruhigten sich daraufhin, zum tatsächlichen Ankauf von Staatspapieren im Rahmen des neuen Programms kam es bisher nicht.

Allerdings hält die Kritik an einer so aktiven Rolle der Notenbank bis heute an. Zum Lager der Kritiker wird insbesondere Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gezählt. Weidmann warnte nun in der "Bild"-Zeitung vor einer "trügerischen Sicherheit". Die Finanzkrise könnte wieder aufflammen, wenn die Euroländer den Reformkurs verließen. Der Euro sei in der "Reha", dort brauche es Ausdauer und einen starken Willen, andernfalls bestehe Rückfallgefahr, sagte Weidmann.

Zinspolitik am Pranger

Draghi wies den Vorwurf zurück, die Niedrigzins-Politik gehe zu Lasten der Sparer. Dass die Rendite entsprechender Anlagen teilweise nicht einmal die Inflation ausgleiche, sei nicht die Schuld der EZB. "Insbesondere in den vergangenen Jahren konnten wir die langfristigen Zinsen gar nicht kontrollieren, weil die Investoren wegen der Euro-Krise hochgradig verunsichert waren", verteidigte er sich. Stattdessen würden die langfristigen Kapitalrenditen auf den globalen Finanzmärkten bestimmt.

Die Leitzinsen weiter zu senken, hält Draghi derzeit für nicht erforderlich. "Im Moment sehen wir keinen unmittelbaren Handlungsbedarf." Derzeit könne von einer Deflation keine Rede sein. "Wir haben keine japanischen Verhältnisse", sagte er.

Draghi mahnte zugleich Reformen in Frankreich und Griechenland an. In Griechenland habe sich manches zum Besseren entwickelt, aber es seien weitere Maßnahmen nötig. "Das Land muss mehr tun, daran gibt es keinen Zweifel." Frankreich stehe vor denselben Problemen wie andere Länder, die ihren Haushalt in Ordnung bringen und Strukturreformen angehen müssten. "Der erfolgversprechendere Weg ist, die laufenden Staatsausgaben zurückzufahren und Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt einzuleiten." Mit Blick auf das zögerliche Reformtempo in der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft sagte Draghi, er werde seine Botschaften umso häufiger wiederholen, je weniger sich in einem Land verändert. "Das funktioniert."

nis/pg (rtr, dpa, afp)