1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Droht Venezuela die Staatspleite?

3. November 2017

Die Inflation galoppiert, die Wirtschaft liegt am Boden - Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro verkündet nun Pläne, die das Land vollends finanziell ruinieren könnten.

https://p.dw.com/p/2myal
Venezuela Nicolas Maduro
Bild: picture-alliance/AA/C. Becerra

Hat Venezuelas Regierungschef einfach keine Ahnung, kann er die Gefahr seiner Worte nicht einschätzen, oder ist er schlichtweg verzweifelt? Experten sind verwirrt über Nicolas Maduros Rede zur Nation. Dort hatte er gesagt, dass Venezuela nach einer letzten Rückzahlung der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA mit den Geldgebern über die gesamten Schulden neu verhandeln wolle.

Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage mit Hyperinflation und bedrohlicher Versorgungsengpässe zieht Venezuela wohl die Notbremse: So will Maduro durch die Schulden-Neuordnung wohl mehr Geld für die notleidende Bevölkerung freimachen.

Seine Worte sagen jedoch noch wenig aus über das Wie der Umschuldung. So ist denkbar, dass Venezuela schlichtweg verkündet, seine Gläubiger später auszuzahlen. Russland hat bereits bekannt gegeben, dass man auf die Rückzahlung eines Kredits von drei Milliarden Dollar auch länger warten könne. Weitaus dramatischer wäre die Ankündigung, dass Venezuela seine Schulden nur noch teilweise bedienen kann.

Einseitige Umschuldung = Staatsbankrott

Am Finanzmarkt löste Maduros Wortwahl allerdings auch Sorgen aus. Ohne Kommunikationsstrategie und ohne Plan sei eine Umstrukturierung der Schulden unmöglich, sagte Experte Asdrubal Oliveros vom Analysehaus Ecoanalitica. Sollte die Regierung einseitig eine Umstrukturierung beschließen nach dem Motto "mach mit oder lass es", würde dies einem Zahlungsausfall entsprechen.

Hyperinflation: Venezuela stellt 100.000-Bolivar-Schein vor

Bislang konnten sich die Gläubiger darauf verlassen, dass Regierung und der staatliche Ölkonzern PDVSA ihre Schulden fristgerecht beglichen. In seiner Rede rief Maduro auch zum "Kampf gegen die finanzielle Schikanierung unseres Landes" auf. Sein Zorn gilt insbesondere US-Präsident Donald Trump. Die Vereinigten Staaten werfen Maduro Korruption und den Aufbau einer Diktatur vor und haben deswegen Sanktionen verhängt, die auch die Geldversorgung Venezuelas schwächen. So sollen die Sanktionen verhindern, dass sich Venezuela über Anleihen Geld in den USA besorgt.

Dies ist aus Expertensicht auch ein zentrales Problem für eine mögliche Umschuldung. Denn die Sanktionen hindern US-Banken daran, entsprechende Vereinbarungen auszuhandeln. "Ich glaube nicht, dass sie die Probleme durchdacht haben", sagt Jorge Piedrahita vom New Yorker Finanzdienstleister Gear Capital Partners. Einer Umschuldung würden überdies die Investoren nur zustimmen auf Basis eines Plans, der eine Ablösung der sozialistischen Planwirtschaft durch eine Marktwirtschaft vorsehe.

 Mit Vollgas in den Zahlungsausfall

Venezuelas Schulden werden auf 150 Milliarden Dollar geschätzt. Die Devisenreserven des Landes belaufen sich auf weniger als zehn Milliarden Dollar. Im Juli hatte die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die ohnehin schon schwache Bonität Venezuelas weiter heruntergestuft und von einem negativen Ausblick gesprochen. Größte Gläubiger des Landes sind China mit 23 Milliarden an Forderungen und Russland mit acht Milliarden Dollar.

Bis Ende des Jahres müssen die Regierung und die Ölgesellschaft 1,6 Milliarden Dollar an Zins und Tilgung zahlen. Im kommenden Jahr stehen weitere neun Milliarden an. Als nächstes muss PDVSA 81 Millionen Dollar begleichen. Die Anleihe war bereits am 12. Oktober fällig, doch das Unternehmen schob die Zahlung auf im Rahmen einer Schonfrist von 30 Tagen. Wenn das Geld dann nicht fließen sollte, würde dies nach Darstellung von Investoren einen Zahlungsausfall auslösen.

Zu diesem Schritt wird es Experten zufolge früher oder später mit großer Wahrscheinlichkeit kommen. "Ein Zahlungsausfall ist angesichts des desolaten Zustandes des Ölsektors und der übrigen Wirtschaft eigentlich kaum mehr zu vermeiden", konstatierten die Analysten der Landesbank LBBW.

Kampf um die Macht

In Venezuela tobt seit Monaten ein erbitterter Machtkampf zwischen dem linksnationalistischen Staatschef Maduro und der Mitte-Rechts-Opposition. Die Opposition erkennt die im Juli eingesetzte verfassunggebende Versammlung nicht an. Die Opposition macht den Staatschef für die wirtschaftliche Misere in dem ölreichen Land verantwortlich. Viele Venezolaner sind aber auch von der Opposition enttäuscht. Die Proteste zwischen April und Juli, bei denen 125 Menschen getötet wurden, haben nichts an der politischen Lage im Land geändert.

Solle es zu einer Staatspleite kommen, könnte das zur schwersten Schuldenkrise seit der Staatspleite Argentiniens im Jahr 2001 führen. Weitreichende Konsequenzen eines solchen Bankrotts rund um den Globus sind laut den Analysten der Landesbank LBBW aber nicht zu erwarten: "Die Auswirkungen einer möglichen Schuldenrestrukturierung in Venezuela sollten weder an den internationalen Finanzmärkten noch in der Weltwirtschaft zu stärkeren Turbulenzen führen"

nm/rb (dpa, rtr, rtre)