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"Du hast die Uhr, aber wir haben die Zeit"

28. März 2017

Horst Kriete ist Ausbilder, Trainer und Entwicklungshelfer. Der Deutsche hat in rund 50 Ländern gearbeitet, den Fußball dort weiter entwickelt und Strukturen verändert. Und die lange Zeit im Ausland hat ihn geprägt.

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Südafrika Fußballspiel im Makhulong Stadion
Die Fans des Highlands Park FC fordern den Abpfiff im Makhulong Stadion im Tembisa Township, nahe JohannesburgBild: DW/T. Klein

Es wird laut im kleinen Makhulong Stadion im Tembisa Township wenige Kilometer von Johannesburg entfernt. Die Fans des Highlands Park Football Club schwenken Fahnen, singen, tanzen und klatschen. Ihre Mannschaft hat gerade wichtige Punkte gegen den Abstieg geholt und knapp mit 1:0 gegen Maritzburg United gewonnen. Die Stimmung ist ausgelassen. Vuvuzelas und selbstgebastelte Instrumente sorgen für einzigartige Klänge auf der schlichten Beton-Tribüne. Wenige Meter hinter der Jubeltraube sitzt Horst Kriete. Der Deutsche grinst zufrieden und klatscht im Rhythmus der afrikanischen Gesänge, die von den Anhängern immer wieder lautstark angestimmt werden. Gemeinsam mit einem alten Freund ist Kriete mal wieder zu Besuch bei einem Fußballspiel der südafrikanischen Premier League.

"Es ist schön, die ganze Stimmung mitzubekommen", erzählt der Fußballtrainer. "Aber mindestens genauso toll ist es, alte Freunde und Bekannte von früher wieder zu sehen. Ich fühle mich direkt wieder zu Hause, das ist schon etwas ganz Besonderes." Beim Gang durch die Katakomben des Stadions trifft Kriete immer wieder auf ehemalige Schüler oder Weggefährten. Sie nennen ihn "Horst" oder einfach nur "Coach" und sind froh, ihrem ehemaligen Kollegen und Ausbilder wieder zu begegnen. 

Südafrika Fußballspiel im Makhulong Stadion
Tolle Stimmung bei den Fans von Highlands Park FCBild: DW/T. Klein

Ein kurzes Gespräch, eine herzliche Begrüßung. Alle sind glücklich, dass der Deutsche mal wieder vorbeischaut. Sein letzter Besuch ist rund 15 Jahre her. Insgesamt war Kriete fast sechs Jahre in Südafrika tätig - beim Südafrikanischen Fußballverband (SAFA) bildete er Trainer aus und baute gemeinsam mit seinen Kollegen ein Ausbildungssystem in dem fußballverrückten Land auf.

"Fußball ist wichtiger als Religion"

Das südlichste Land des afrikanischen Kontinents war aber bei weitem nicht die einzige Station, die seinen Lebenslauf ziert. Die Vita des heute 73 Jahre alten Fußballtrainers ist beeindruckend. In 32 Jahren arbeitete Kriete in unterschiedlichen Funktionen in 50 Ländern. Begonnen hat seine Reise durch die Welt des Fußballs 1979 in Nigeria. Als 35-Jähriger baute er dort ein nationales Sport-Institut auf und gewann 1984 als Trainer des FC Julius Berger Lagos den nigerianischen Liga Pokal. "Afrika hat mich von Beginn an infiziert und begeistert. Dort bedeutet Fußball einfach mehr als die Religion", erinnert sich Kriete. "Die Menschen waren toll, es hat mir von Beginn an riesig Spaß gemacht." Aus den zunächst geplanten zwei Jahren in Nigeria wurden sechs, ehe der studierte Gymnasiallehrer weiterzog. Somalia, Mittelamerika und zahlreiche weitere Länder folgten.

Die Hautfarbe war nie ein Thema

"Ich habe mich immer gefreut, wenn die Leute etwas von mir gelernt haben. Ich habe oft Fortschritte gesehen und das hat mich motiviert weiterzumachen", sagt Kriete. Alleine war er bei seinen Auslandseinsätzen meist nur kurz, denn seine Familie ist ihm sehr wichtig. Zu Beginn seiner Tätigkeit reiste seine Frau daher mit ihm, später auch seine Kinder. "Mein Sohn wurde 1982 geboren. Er wurde in Nigeria von allen gut aufgenommen und hat in unserer Nachbarschaft mit farbigen Kindern gespielt. Er hat sich immer sehr wohl gefühlt."

Südafrika Horst Kriete
Kriete (r.) diskutiert mit seinen Kollegen Christina (l.) und Frans die Zukunft des afrikanischen FußballsBild: DW/T. Klein

Als Weißer in Afrika - für Kriete und seine Kollegen war die Hautfarbe nie ein Thema. "Ich habe mich nie als Weißer gesehen. Ich war immer nur Horst Kriete", erinnert er sich. Aufgefallen ist der deutsche Trainer zu Beginn seiner Tätigkeit in Johannesburg lediglich durch seine "sehr deutsche Art", erzählt Christina, die damals schon zu Krietes Team gehörte und heute immer noch beim südafrikanischen Verband arbeitet. "Wir mussten ihm erst einmal das Lachen beibringen", erinnert sie sich.

Neben der fachlichen Kompetenz hat besonders Krietes offene Art einen positiven Eindruck hinterlassen. Eines der wichtigsten Dinge sei der gegenseitige Respekt gewesen, sagt er. "Ich habe immer versucht den Menschen auch Sachen zu vermitteln, die über den Fußball hinausgehen. Wichtig war mir, dass wir immer als Team zusammen gearbeitet haben", sagt Kriete und zitiert Jürgen Klopp: "Der beste Trainer einer Mannschaft ist das Coaching-Team."

"Die Europäer erschweren sich das eigene Leben"

Als Ausbilder hat Kriete immer versucht den Menschen etwas mit auf den Weg zu geben, doch auch er habe vieles dazu gelernt, sagt er. Neben verschiedenen Kulturen und Lebensweisen, hat ihn aber vor allem die Einstellung vieler Afrikaner zum Leben beeindruckt. "Die Europäer sehen manche Sachen einfach zu negativ. Sie erschweren sich damit das eigene Leben. Viele Probleme, die als Probleme gesehen werden, sind eigentlich gar keine", so der Fußballtrainer. "Hier in Afrika haben die Menschen immer ein Lächeln auf den Lippen, egal wie schlecht es ihnen geht."

Südafrika Deutscher Fußball-Botschafter
Ein Glas Sekt auf die Nominierung zum Deutschen Fußball-Botschafter 2017 in der Deutschen Botschaft in PretoriaBild: DW/T. Klein

Im Laufe seiner Jahre auf dem afrikanischen Kontinent ist Kriete entspannter geworden. Besonders wichtig sind ihm die Gespräche mit seinen Kollegen, auch heute noch. Er nimmt sich Zeit, kümmert sich, hört ihnen zu und geht auf sie ein. "You've got the watch, but we have the time" - es geht darum, nicht immer alles zu genau zu nehmen. Ein Ausdruck, der vielleicht am besten beschreibt wie sich auch der Deutsche verändert hat.

Noch ein kurzer Tanz mit den Fans

Es ist spät geworden im Makhulong Stadion. Von Müdigkeit ist bei Kriete aber nichts zu sehen. Der 73-Jährige will noch schnell zum Trainer der Heimmannschaft, denn auch der war mal ein Schüler von ihm. Auf dem Weg zum Auto noch ein kurzer Tanz mit den Fans und dann geht es zurück vom Tembisa Township nach Johannesburg.

Ein Tag voller Begegnungen neigt sich dem Ende zu. Die letzten Stunden haben gezeigt, dass Horst Kriete nicht nur als Ausbilder einen tollen Job gemacht hat - er ist den Menschen vor allem als guter Freund im Gedächtnis geblieben.