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Durchatmen, nicht aufatmen

21. Oktober 2002

Viele hatten beim irischen Referendum zum Nizza-Vertrag mit einer Zitter-Partie gerechnet - der Schock nach der Schlappe im letzten Jahr steckte tief. Zu Unrecht: 63 Prozent haben Ja gesagt. Klaus Dahmann kommentiert.

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Beglückwünschen kann sich vor allem Ministerpräsident Bertie Ahern. Obwohl er und seine Mitte-Rechts-Regierung innenpolitisch derzeit stark angeschlagen sind, hat er nicht nur die wichtigsten Oppositionsparteien hinter sich gebracht, sondern auch Arbeitgeber-Verbände und Gewerkschaften.

Vor allem aber hat Ahern aus dem wohl entscheidenden Fehler vom letzten Jahr gelernt. Damals musste er sich vorwerfen lassen, seine Bürger zu wenig informiert zu haben. In diesem Jahr hat er mehrere Millionen Euro für seine Info-Kampagne zusammen gebracht - Broschüren gedruckt, Plakate geklebt und Wahlkämpfer bis ins kleinste Dorf geschickt.

Fast schon schien es, dass es zu viel der Aufklärungsarbeit gewesen war. Denn viele Iren hatten schon lange vor dem Tag der Entscheidung das Thema Nizza satt: Fast täglich lagen Flugblätter in der Hauspost; kaum ein Laternenpfahl blieb von der Flut der Wahlplakate verschont - und die Parolen waren weitgehend austauschbar: "Rette unsere Jobs - sag Nein!" - "Sichere unsere Arbeitsplätze - sag Ja!" Und wer sich eingehend informieren wollte, bekam einen Vertragstext in die Hand gedrückt. Um diesen Text aber verstehen zu können, hätte es einen Doktor-Titel in Jura gebraucht.

Vor diesem Hintergrund kann man wohl sagen: die Wahlbeteiligung war mit knapp 50 Prozent diesmal bemerkenswert hoch. Beim gescheiterten Referendum vor einem Jahr war nur ein Drittel der Wähler zu den Urnen gegangen. Damals konnten die Nizza-Gegner ihre Anhänger weit besser mobilisieren als die Befürworter - obwohl vorherige Umfragen ein Ja vorausgesagt hatten.

Aufgrund der höheren Wählerquote hat das zweite Referendum mehr Aussagekraft. Sie rechtfertigt im Nachhinein überhaupt erst die Entscheidung, ein zweites Mal abstimmen zu lassen. Demokratie ist eben nicht allein, dass die Regierenden zu gewissen Themen das Volk fragen - dazu gehört auch, dass die Bürger per Stimmzettel antworten. Und das haben diesmal viele Iren getan.

Der Nizza-Vertrag ist nun endgültig besiegelt - mit Irland hat auch der letzte der 15 EU-Staaten einen Vertrag ratifiziert, der eine wichtige Voraussetzung für die Osterweiterung darstellt. Wohlgemerkt: eine Voraussetzung von mehreren. Denn auf dem steinigen Weg hin zum Beitritt weiterer Staaten liegen noch einige größere Felsbrocken, die weggeräumt werden müssen: vor allem das Thema Agrar-Subventionen, das Ende dieser Woche beim EU-Gipfel in Brüssel weiterverhandelt werden soll. Nach dem erfolgreichen Nizza-Referendum in Irland gilt deshalb: durchatmen ja, aufatmen aber noch nicht.