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Durchbruch im Gotthard-Tunnel gelungen

15. Oktober 2010

Seit Jahren haben sich Bohrmaschinen durch den Gotthard gefressen, um den längsten Eisenbahntunnel der Welt zu schaffen. Dabei geht es nicht vorrangig um einen Weltrekord, sondern um umweltverträgliche Verkehrsführung.

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Jubel beim Durchbruch (Foto: AP)
Jubel beim DurchbruchBild: AP

Die Alpen sind seit eh und je ein Hindernis für den Verkehr zwischen Mittel- und Südeuropa. Menschen und Fahrzeuge können die Berge nur auf bestimmten Routen über Pässe oder durch Tunnel passieren. Insgesamt gibt es fast 100 Alpentunnel. Der einzige deutsche ist der Grenztunnel im bayerischen Füssen. Außerdem gibt es fast 200 Pässe über das höchste europäische Gebirge.

Nach fast 25 Jahren Bau- und Planungszeit ist an diesem Freitag (15.10.2010) um 14.17 Uhr am Gotthard-Basistunnel der Durchstoß gelungen. Im Beisein zahlreicher Ehrengäste haben die beiden rund 400 Meter langen Bohrmaschinen in der Oströhre die letzten anderthalb Meter Gestein weggefräst. Jetzt misst der Gotthard-Basistunnel 57 Kilometer - Weltrekord. Damit übertrifft das Mammut-Projekt den 53,8 Kilometer langen Seikan-Eisenbahntunnel zwischen den japanischen Hauptinseln Honshu und Hokkaido. Der längste Straßentunnel bei Laerdal in Norwegen misst sogar nur 24,5 Kilometer.

Landschaft am St.Gotthard (Foto: AlpTransit Gotthard AG)
Hauptdurchschlag des Tunnels zwischen Faido und SedrunBild: AlpTransit Gotthard AG

Frühestens 2016 und spätestens 2020 sollen die beiden Röhren zwischen den Schweizer Kantonen Uri und Tessin in Betrieb genommen werden. Bis dahin werden die mehr als 2500 Arbeiter mit den Bohrmaschinen mit jeweils 60 Meißeln am Bohrkopf um die 13 Millionen Kubikmeter Material aus dem Berg gebrochen haben - die Ladung eines übervollen Güterzugs, der von Zürich bis nach New York reicht. Seit dem ersten Spatenstich im Jahre 1999 starben acht Arbeiter. Mit allen Quer- und Verbindungstunneln misst das Tunnelsystem 153,5 Kilometer. Die Gesamtkosten werden mit umgerechnet 14,2 Milliarden Euro (19 Milliarden Schweizer Franken) veranschlagt.

Wichtig für ganz Europa

Obwohl das gigantische Projekt ein rein Schweizerisches ist, blickt auch die Europäische Unon der unterirdischen Eisenbahntrasse mit großen Erwartungen entgegen. Denn durch den Tunnel rücken der Norden und der Süden des europäischen Kontinents mehr als 2000 Meter unter den Schweizer Alpen näher zusammen. Um eine Stunde soll sich die Fahrtzeit zwischen Zürich und der norditalienischen Metropole Mailand verkürzen. Bis zu 300 Züge sollen dann täglich mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern durch die beiden Röhren rasen. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas bezeichnete den Basistunnel bereits als "außergewöhnliches Projekt".

LKWs in Schlange (Foto: ap)
Bisher Alltag im Alpentransit: LKW-Stau vor dem alten Gotthard-TunnelBild: AP

Wichtig ist der neue Alpentunnel vor allem für den Güterverkehr. Er ist für eine Transportleistung von 40 Millionen Tonnen ausgelegt. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 wurden mehr als 114 Millionen Tonnen durch die wichtigsten Alpen-Transitländer Schweiz, Österreich und Frankreich verfrachtet. Mehr als 70 Millionen davon wurden über Straßen transportiert. Durch den bisherigen Gotthard-Tunnel wurden im gleichen Jahr 15,5 Millionen Tonnen auf der Schiene und elf Millionen Tonnen auf der Straße transportiert. 2009 befuhren den Berg rund 900.000 Lastwagen.

Lange Geschichte

Der erste Eisenbahntunnel am Gotthard wurde 1882 eröffnet, 1980 kam ein Straßentunnel hinzu. Eine Straße über den Gotthardpass gibt es bereits seit 1830. Erste Überlegungen, das Gotthard-Massiv mit einem Basistunnel zu queren stammen aus dem Jahr 1947. Das Vorhaben wurde aber aufgegebe,n und erst in den 1980er Jahren wieder aufgegriffen. 1994 sprachen sich Schweizer in einem Volksentscheid dafür aus, den gesamten Güterverkehr durch die Alpen auf die Schiene zu verlagern. Damit sollten vor allem die Straßen der Eidgenossenschaft entlastet werden und die Luftverschmutzung verringert werden. Die europäischen Nachbarn reagierten zunächst irritiert. Mittlerweile planen jedoch auch Österreich, Frankreich und Italien ähnliche Tunnelbauten im Osten und Westen der Alpen.

"Die Europäische Union hat große Schritte in unsere Richtung gemacht", sagte der schweizerische Verkehrsminister Moritz Leuenberger. Wohl auch als Zeichen dafür, dass die Länder des Kontinents enger zusammenrücken, überreichte er seinen EU-Kollegen im vergangenen September – sieben Jahre vor der anvisierten Vollendung des Bauprojekts – schon einmal Tickets für Fahrten mit der Eisenbahn durch den längsten Tunnel der Welt.

Autor: Gerhard M Friese (dpa, afp, ape)
Redaktion: Martin Schrader