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Sierens China

Frank Sieren14. Juli 2014

Chinas Energiebedarf steigt immer weiter. Das nötige Öl und Gas stammt bisher überwiegend aus Krisenregionen. Für China ist Fracking daher mindestens genauso wichtig wie für die USA, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Symbolbild Fracking Anlage
Fracking-Anlagen, wie hier im US-Bundesstaat Pennsylvania, sollen auch in China immer zahlreicher werdenBild: picture-alliance/dpa

Die Amerikaner haben das Fracking erfunden und mittlerweile perfektioniert. Niemand weiß besser, wie man mit Wasser und Chemikalien unter hohem Druck Gas, aber auch Öl aus tiefen Gesteinsschichten pressen kann. Von dem Schiefergestein, in welchem das Gas liegt, gibt es riesige Mengen in den USA. Soviel, dass die Weltmacht im vergangenen Jahr erstmals mehr Gas selbst förderte, als sie einkaufen musste. Und nun das ehrgeizige Ziel hat, bis 2017 unabhängig von Energie-Importen zu sein.

China hat riesige Schiefergas-Vorkommen

Fracking ist jedoch längst kein amerikanisches Monopol mehr. Die Vorkommen in den USA sind nur die viertgrößten der Welt - hinter Argentinien, Algerien und China, dessen Vorkommen etwa doppelt so groß wie die der USA sind. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch die Chinesen loslegen und im großen Stil mit dem Ausbeuten beginnen - ähnlich wie in den USA ohne große politische Debatte über die möglichen Risiken für die Umwelt.

Inzwischen hat China dafür das erste Gemeinschaftsunternehmen gegründet. FTSI, die erste und größte US-Firma, die die Fracking-Technik perfektioniert hat, gründete ein Joint Venture mit Chinas Sinopec, einem staatlichen Energieriesen mit einer Millionen Angestellten und einem Jahresumsatz von 350 Milliarden Euro. SinoFTS, so der Name des Joint Ventures, will im nächsten Jahr in Zentralchina mit dem Fracking beginnen. Danach sollen die Vorkommen im südchinesischen Yangzi-Flussbett und im westchinesischen Tarim-Gestein erschlossen werden.

Joint Ventures nur als Zwischenlösung

Bisher sind die Chinesen wie in vielen anderen Bereichen noch auf westliche Technologien angewiesen - sowohl für die Förderung, als auch für die Infrastruktur, um die Vorkommen zu erschließen. Doch es ist sicher, dass Sinopec sich genau anschauen und schnell lernen wird, was die Amerikaner da machen: Es geht schließlich um die nationale Energieversorgung - und die will man im eigenen Land sicher nicht dauerhaft in die Hände der Amerikaner legen.

Auch beim Fracking stellt sich genau wie in anderen Branchen wieder nur die alte Frage: Wie schnell kann China technologisch auf Augenhöhe gelangen? Das Unternehmen Chinas National Oil Companies (NOCs) kauft sich bereits in nordamerikanische Unternehmen ein, die Erfahrung im Fracking haben. Bis 2015 plant China, 6,5 Milliarden Kubikmeter Schiefergas zu fördern. 2020 sollen es bereits 100 Milliarden Kubikmeter jährlich sein. In den USA waren es allerdings 2011 schon 170 Milliarden. Doch China macht Tempo: Allein im vergangenen Jahr wurde sieben Mal so viel Schiefergas produziert, wie im Jahr zuvor.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Es wird also eine Aufholjagd. Warum machen die amerikanischen Unternehmen das? Weil die Technologie nicht in der Hand eines Unternehmens liegt und der Wettbewerb ihnen nahelegt, mit China zusammenzuarbeiten, bevor es der Wettbewerber tut. Und warum, verhindert die amerikanische Regierung das nicht? So, wie zum Beispiel bei den Rüstungsgütern? Weil die Technologie nicht exklusiv in den USA liegt und man lieber selbst zum Zuge kommt. Zudem gehen die Amerikaner davon aus, dass Fracking für sie politisch viel nützlicher ist, weil sie viel schneller von den internationalen Energierohstoffmärkten unabhängig werden als China, das stark wächst und schon heute 70 Prozent seiner Energieressourcen importieren muss.

China unter hohem Konkurrenzdruck

Anderseits ist damit der Druck für die Chinesen viel größer, schnell Fortschritte zu machen. Nicht nur, um wie die USA politisch möglichst unabhängig von ölreichen Krisenregionen zu werden. Sondern auch, weil mancher in Washington bereits davon träumt, dass Unternehmen aus aller Welt in den Staaten Produktionen aufbauen - und eben nicht mehr in China, weil die Energie in den USA so preiswert ist.

Damit wäre Fracking ein "game-changer", also eine überraschende Wendung der Geschichte, die Amerika wieder in allen Bereichen an die Spitze zurückkehren ließe. Das will Peking natürlich verhindern und wird deswegen seinen Unternehmen sehr viel Geld und sonstige Unterstützung geben, damit die eigene Fracking-Industrie zügig auf Weltniveau kommt. Peking hat nämlich ein großes Problem: Bisher haben die USA mit ihren Soldaten versucht, in den Öl- und Gas-Regionen für Stabilität zu sorgen. Daran haben sie immer weniger Interesse, wie man am Abzug aus dem Irak sieht. China ist jedoch nicht in der Lage, diese Lücke zu füllen und hat nach den Erfahrungen der Amerikaner keine große Lust, Weltpolizei zu spielen. Damit sind jedoch die Chinesen und nicht mehr die Amerikaner in der Zwickmühle.

Unser Kolumnist Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Spezialisten. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.