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DVD Tipp: Neuer Deutscher Film

Jochen Kürten
5. März 2011

Der Neue Deutsche Film bestand nicht nur aus Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Alexander Kluge. Auch Regisseure wie Peter Fleischmann und Autoren wie Peter Handke haben bemerkenswertes produziert.

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Michel Piccoli in einer Szene des Films 'Der dritte Grad' (Foto: Kinowelt/ Arthaus)
Michel Piccoli in "Der dritte Grad"Bild: Kinowelt/Arthaus

Im kommenden Jahr kann der "Neue Deutsche Film" Jubiläum feiern. 50 Jahre ist es dann her, dass das berühmte "Oberhausener Manifest" von 26 Filmschaffenden unterzeichnet wurde. Sie protestierten im Februar 1962 gegen den Qualitätsverfall des deutschen Films, der in den Jahren zuvor fast ausschließlich mit Heimatschmonzetten und seichten Liebesfilmen Aufmerksamkeit erregt hatte. Das "Oberhausener Manifest" wurde damit zum Fanal für den künstlerisch anspruchsvollen deutschen Autorenfilm.

Grelle Zeitbilder der Republik

Fassbinder, Wenders und Volker Schlöndorff gehörten zwar damals nicht zu den Unterzeichnern, sorgten aber in den Jahren danach für den künstlerischen Aufschwung des deutschen Kinos. Auch heute noch sind diese Regisseure sowie Filmemacher wie Alexander Kluge, Edgar Reitz und Werner Herzog in aller Munde. Gerade im Ausland gilt diese Generation nicht selten als Aushängeschild des deutschen Kinos.

Weniger bekannt sind heute die Filmemacher aus der "zweiten Reihe" des "Neuen Deutschen Films". Peter Fleischmann ist so ein Regisseur. Ihm hat das Münchner Filmmuseum gerade noch eine Werkschau gewidmet. Auch auf DVD kann man Fleischmann derzeit wiederentdecken. Ebenso auf DVD liegen jetzt Filme des Schriftstellers Peter Handke vor, der 1978 seine Erzählung "Die linkshändige Frau" verfilmte und die einzige Dokumentation Rainer Werner Fassbinders: "Theater in Trance", ein Nebenwerk des berühmten Regisseurs.

Michel Piccoli, Ugo Tognazzi und Mario Adorf in einer Szene des Films 'Der dritte Grad' (Foto: Kinowelt/ Arthaus)
Ein seltsames Trio auf der Fahrt quer durch eine MilitärdiktaturBild: Kinowelt/Arthaus

Der dritte Grad (1975/Peter Fleischmann)

In den 1970er Jahren blühte in Europa das Genre des Agentenfilms. Auch Peter Fleischmann und seine Drehbuchautoren Jean-Claude Carrière und Martin Walser (!) steuerten 1975 mit "Der dritte Grad" einen seltsamen kafkaesken Hybrid mit internationaler Starbesetzung zum Genre bei. Im Film wird ein kleiner Angestellter (Ugo Tognazzi) verhaftet und von einem Inspektor (Michel Piccoli) und einem "Manager" (Mario Adorf) in die Hauptstadt eines von einer Militärdiktatur beherrschten Landes gebracht. "Der dritte Grad" ist ein unterhaltsames Road-Movie, eine Mischung aus Parodie und Politthriller im Stile des Regisseurs Constantin Costa-Gavras. Fleischmann thematisiert die Ohnmacht des kleinen Mannes in der Diktatur. Die Täter bleiben anonym, die Verantwortlichen undurchsichtig. "Der dritte Grad" ist in seiner Anklage ein wenig zu abstrakt geraten, als Satire nicht bissig genug. Trotzdem ein interessanter Beitrag des "Neuen Deutschen Films" zum europäischen Politkino der 70er Jahre, zeigt er doch nebenbei auch die Versuche des deutschen Kinos, auf internationalem Niveau zu agieren.

Szene aus dem Film 'Die Hamburger Krankheit' (Foto: Kinowelt/Arthaus)
Die große Boulevardzeitung wurde damals im Kino noch ganz unverhüllt gezeigt...Bild: Kinowelt/Arthaus

Die Hamburger Krankheit (1978/Peter Fleischmann)

Auch das ein Road-Movie, auch hier überspitzt Fleischmann seine gesellschaftskritischen Thesen hin bis zur Farce. Der Regisseur erzählt vom Ausbruch und Verlauf einer tödlichen Epidemie in Hamburg. Seine Protagonisten (ein Arzt, eine junge Frau, ein Würstchenverkäufer und ein anarchistischer Rollstuhlfahrer) fahren in einem VW-Bus quer durch die Republik. Fleischmann blickt auf das Ende der Dekade in Westdeutschland. Dramaturgisch ein wenig chaotisch, erzählt Fleischmann überdreht und überspitzt. Entstanden ist so ein wildes, grelles und manchmal nahe an der Klamotte inszeniertes Zeitbild der Bundesrepublik.

Edith Clever und Bruno Ganz in einer Szene des Films 'Die linkshändige Frau' (Foto: Kinowelt/Arthaus)
Das Paar (Edith Clever und Bruno Ganz) trennt sich - der Mann ist ratlosBild: Kinowelt/Arthaus

Die linkshändige Frau (1978/Peter Handke)

Handkes Ausflug ins Regiefach wirkt beim Wiedersehen wie ein Vorläufer zur heute so viel zitierten "Berliner Schule". Die Geschichte der "linkshändigen Frau" (Edith Clever), die ihren Mann (Bruno Ganz) verlässt und sich mehr und mehr in die innere Emigration zurückzieht, arbeitet mit ähnlichen Mitteln wie die jungen Vertreter der "Berliner Schule": Die Darsteller agieren sparsam mit wenig Mimik, die Figuren sind nicht psychologisch angelegt, die Motive der Hauptfigur bleiben blass. Auf Musik wird fast ganz verzichtet, die Kamera verharrt meist starr und beobachtend. Auch einzelne Bilder und Einstellungen erinnern an Filme neueren Datums: fahrende Züge, der Wind in den Baumkronen, immer wieder Blicke zum Himmel, in die Wolken. Auf jeden Regieschnörkel wird verzichtet, die stilistische Askese wird geradezu ausgekostet, gerät aber auch zum Selbstzweck, vieles wirkt prätentiös, scheinbar bedeutungsvoll.

Rainer Werner Fassbinder bei den Dreharbeiten zu 'Theater in Trance' (Foto: Kinowelt/Arthaus)
Regieberserker Rainer Werner Fassbinder bei den Dreharbeiten zu "Theater in Trance"Bild: Kinowelt/Arthaus

Theater in Trance (1978/Reiner Werner Fassbinder)

Nur ein Jahr vor seinem Tod beobachtet Fassbinder die Auftritte der einzelnen Bühnen-Ensembles beim Kölner Festival "Theater der Welt" und unterlegt sie mit Texten des Dichters Antonin Artaud. Fassbinder war ein Fan des körperlichen, nicht des intellektuellen Theaters. "Der Film ist ein Kompromiss. Es ist keine Dokumentation der zitierten Aufführungen, er verdichtet sich aber auch nicht zur Konfession Fassbinders von einer bestimmten Form des Theaters. Die Kamera bleibt zu sehr in der Distanz, zu unpersönlich, uninteressiert", schrieb damals der Kritiker Wilhelm Roth und hob nur eine Sequenz heraus: die Passagen, die den Auftritt Pina Bauschs verfolgen.

Alle Titel sind beim DVD-Anbieter "Kinowelt/Arthaus" erschienen.

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Conny Paul