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Lindner: "Nicht zu früh zur Normalität zurückkehren"

Julius Kanubah8. Dezember 2014

Die Zahl der Ebola-Infizierten geht zurück. Bevölkerung und Helfer dürften im Kampf gegen die Epidemie jetzt jedoch nicht nachlassen, sagt der deutsche Ebola-Beauftragte Walter Lindner im DW-Interview in Liberia.

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Porträt Walter Lindner Foto: DW/Bettina Marx
Bild: DW/B. Marx

Herr Lindner, Sie haben gerade das "John F Kennedy Memorial Hospital", Liberias größtes Krankenhaus, besichtigt. Welche Eindrücke haben Sie hier gesammelt?

DW: Die deutsche Bundeswehr und das Deutsche Rote Kreuz sind sehr aktiv in diesem Krankenhaus. Sie haben in dieser Woche das Ebola-Behandlungszentrum von der Weltgesundheitsorganisation übernommen. Außerdem tun sie hier noch andere Dinge - etwa die Triage-Station aufbauen. Das ist eine Art 'Filterstation' vor dem Krankenhauseingang, um alle Ebola-infizierten Patienten zu identifizieren und von den anderen Patienten zu isolieren. Dazu arbeiten unsere Helfer an den Generatoren und anderen technischen Dingen, damit das Krankenhaus am Ende besser funktioniert als vor der Ebola-Epidemie.

Was tut Deutschland sonst im Kampf gegen Ebola?

Insgesamt haben wir etwa 150 Millionen Euro für den Kampf gegen Ebola bereitgestellt. Das beinhaltet zum Beispiel die Luftbrücke, die schon mehr als 100 Flüge in die betroffenen Länder absolviert hat. Wir haben viele deutsche Hilfsorganisationen, die zum Beispiel Menschen in den Quarantänegebieten mit Nahrungsmitteln versorgen. Dann gibt es noch das Technische Hilfswerk. Das hat unter anderem 300 Motorräder mit Kühlvorrichtungen bereitgestellt, damit Blutproben schneller zu den Laboren transportiert werden können. Das sind alles Beispiele für das, was Deutschland hier tut.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat kürzlich kritisiert, dass es zwar viele Ebola-Behandlungszentren gebe, diese aber zu wenig Fachpersonal hätten. Was tut Deutschland dagegen? Schicken Sie mehr Soldaten?

Wir setzen unser Personal flexibel ein. Es ist wichtig, mehr Betten vorzuhalten als die momentane Zahl an Patienten. Denn wir wissen nicht, wie sich diese Zahl weiter entwickeln wird. Unser Personal wird in der Zwischenzeit aber in anderen Bereichen eingesetzt - etwa in der Ausbildung hier im Krankenhaus oder im Krankenhaus der Vereinten Nationen. So stellen wir sicher, dass unsere Leute so effizient wie möglich eingesetzt werden.

Deutschland und die internationale Gemeinschaft haben spät reagiert auf die Ebola-Krise. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Wir sind hier, um jetzt in dieser Krise zu helfen. Lehren ziehen und nachdenken, warum die internationale Reaktion so zögerlich war, das tun wir später. Ich will dieser Diskussion nicht ausweichen, aber jetzt haben wir so viele dringendere Dinge zu tun.

Sie sind zum dritten Mal hier in Liberia. Welche Entwicklung sehen Sie seit Ihrem ersten Besuch?

Vor einigen Wochen riefen alle noch nach mehr Betten. Bis zu einer halben Million Ebola-Patienten wurde erwartet bis zum Ende des Jahres. Bei meinem vorigen Besuch hatte sich die Zahl der Patienten dagegen schon etwas verringert und wir begannen, über andere Bereiche, in denen wir helfen können, nachzudenken. Dieses Mal geht es mir darum festzustellen, wie diese alternativen Projekte hier im Krankenhaus und mit den UN umgesetzt werden. Ich kehre in einer positiven Stimmung zurück.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ebola bald besiegt ist?

Wir müssen alle optimistisch sein. Anders können wir unsere Aufgabe hier nicht erfüllen. Die internationale Gemeinschaft ist spät aufgewacht, aber sie ist jetzt aufgewacht. Auch das Bewusstsein für den Umgang mit Ebola im Land hier hat sich entwickelt. Wir können also Hoffnung haben.

Sie haben gegenüber der DW in der Vergangenheit davon gesprochen, wie sehr die Epidemie die ganze Gesellschaft erschüttert und auch die Wirtschaft. Wie wollen Sie in diesen Bereichen helfen?

Wir müssen auch an die Zeit nach Ebola denken. Wir sind noch voll mit dem Kampf gegen die Seuche beschäftigt, aber die ersten Schritte müssen bereits getan werden, um Liberia, Sierra Leone und Guinea zu stabilisieren. Natürlich ist der gesellschaftliche Zusammenhalt erschüttert, wenn man andere Menschen nicht mehr berühren darf. Aber es gibt noch eine andere Gefahr: Wenn man zu früh die Rückkehr zur Normalität einläutet, dann verlieren die Menschen möglicherweise das Bewusstsein für die Gefahr. Für einige Monate ist es also noch nötig, dieses gegenwertige Gefahrenbewusstsein aufrechtzuerhalten, obwohl das die Gesellschaft erschüttert.

Was ist Ihre Botschaft an die Liberianer, damit sie nicht nachlässig werden?

Lasst nicht nach, seid weiter aufmerksam! Wir haben Ebola noch nicht besiegt. Haltet dieses Gefahrenbewusstsein aufrecht, trotz der anstehenden Wahlen und obwohl Weihnachten vor der Tür steht! Vermeidet weiter jede Berührung, bis der Rückgang der Epidemie sich bestätigt hat.

Walter Lindner ist Diplomat und Beauftragter der Bundesregierung für den Ebola-Hilfseinsatz.

Das Interview führte Julius Kanubah.