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Edward Hollis: Eine kurze Geschichte des Abendlandes in 12 Bauwerken

Udo Marquardt25. Februar 2011

Erzählt wird die Geschichte von zwölf berühmten Bauwerken. Vom Parthenon in Athen bis zu den Mauern in Berlin und Jerusalem. So entsteht eine Geschichte des Abendlandes in seinen Bauwerken.

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Am Anfang steht ein Traumbild: Thomas Coles berühmtes Gemälde "Der Traum des Architekten". Cole hat damit eine Art idealer Architekturgeschichte gemalt. Im Hintergrund sehen wir eine Pyramide, davor einen ägyptischen Palast. Vor dem wiederum stehen ein ionischer Tempel, eine griechische Kolonade und ein römisches Aquädukt. Ganz im Bildvordergrund sieht man eine gotische Kapelle. Das Bild zeigt einen Idealzustand. Kein Gebäude ist zerstört. Nirgendwo in dieser Architekturgeschichte in Öl hat der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen.

Thomas Cole The dream of the architect

Baugeschichten

Genau hier setzt Edward Hollis ein. Für ihn sind Verfall und Veränderung wesentliche Bestandteile der Gebäude selbst. Ob Wände versetzt werden, das Dach einbricht oder das Gebäude zweckentfremdet wird, all das entfernt es nicht von einem wie auch immer gearteten Idealzustand.

Buchcover Edward Hollis: Eine kurze Geschichte des Abendlandes in 12 Bauwerken
Bild: Ullstein

Jedes Gebäude steht nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit. Es ist ein Teil der Geschichte, und es hat seine eigene Geschichte. Und die kann erzählt werden. Genau das macht Edward Hollis.

Seine "Kurze Geschichte des Abendlandes in 12 Bauwerken" beginnt mit dem Parthenon in Athen. Hollis schreibt vom Bau des der Göttin Athene gewidmeten Tempels und seinen vielen Schändungen. Aus dem heidnischen Tempel wird eine Kirche, eine Moschee, ein Munitionslager, ein Steinbruch. Er wird geplündert, ausgeraubt, in die Luft gejagt, soweit wie möglich wieder aufgebaut und dann umgebaut. Inzwischen kämpft der Parthenon vor allem mit dem Smog Athens.

Menschengeschichten

Hollis nutzt die Geschichte des Parthenons als eine Art Urtypus der Architekturgeschichte. Immer wieder bezieht er sich auf sie, wenn er von der Basilika von San Marko in Venedig, der Ayasofya (Hagia Sofia) in Istanbul, dem Heiligen Haus von Loreto, der Kathedrale von Gloucester oder dem Tempel Malatestiano in Rimini erzählt. Wir erfahren etwas über Sanssouci in Potsdam, Notre-Dame de Paris, die Hulme Crescents in Manchester, die Berliner Mauer und schließlich die Westmauer in Jerusalem.

Parthenon Tempel Griechenland Flash
Bewegte Geschichte: der Parthenon in AthenBild: picture-alliance/dpa

All diese Gebäude wurden von Menschen für Menschen gemacht. Um darin zu beten, zu arbeiten, zu wohnen. Deshalb erzählt Hollis immer auch die Geschichte dieser Menschen. Er erzählt von Architekten, Priestern und Feldherren. Aber auch von ganz normalen Menschen, zum Beispiel von den Bewohnern der Hulme Crescents. Das Stadtviertel von Manchester sollte 1971 zum Vorbild für die Stadt der Zukunft werden. Nach einem geradezu romantischen Start ging es in Gewalt und Chaos unter und wurde schließlich abgerissen.

Architektur und Politik

Hollis hat Architektur studiert, und er hat ein Gespür für gute Stories. Zwar steht jedes einzelne der zwölf Kapitel für sich, insgesamt aber ergibt das Buch eine ganz eigene Geschichte des Abendlandes. Es ist kein Zufall, dass Hollis die Westmauer des Jerusalemer Tempels ans Ende seines Buches gestellt hat. Denn diese Mauer, nur ein Überrest des alten Jüdischen Tempels und seit fast 2000 Jahren zerstört, hat bis heute eine enorme politische Wirkung, an der sich Krieg oder Frieden entscheidet. Gebäude lassen sich eben nicht in ein ideales Bild bringen. Sie stehen in der Wirklichkeit und bestimmen diese mit. Selbst noch als Ruinen.

Chanukka Fest Judentum Flash-Galerie
Politische Wirkung: die Klagemauer des Jerusalemer TempelsBild: picture alliance/dpa


Edward Hollis
Eine kurze Geschichte des Abendlandes in 12 Bauwerken
Ullstein, 2010
ISBN 978-3-550-08815-5
EUR 22,95